Babacar Ndiaye ist Chef von cridem.org. Mit täglich zwanzig- bis dreißigtausend Besuchern ist das die wichtigste französischsprachige Nachrichtenseite des Landes - ein gewaltiger Erfolg in einem Land mit gerade einmal vier Millionen Einwohnern und einem großen Anteil Analphabeten.
Mit seinem kleinen Team durchforstet Babacar Ndiaye das Internet nach Nachrichten über das westafrikanische Land, sortiert und kuratiert. Immer wieder bietet er auch NGOs und Menschenrechtsaktivisten eine Plattform, die auf der Seite die großen Probleme des Landes ansprechen, regimekritische Manifeste veröffentlichen oder gar zum Widerstand gegen den Präsidenten aufrufen.
Korruption und dubiose Geschäfte
"Vor wenigen Wochen wurde ich aus heiterem Himmel verhaftet, nachdem ich eine Geschichte über Jamal Taleb, den Rechtsanwalt und aktuellen Europagesandten des Präsidenten, auf meiner Seite veröffentlicht hatte."
Es ging um Korruption und windige Geschäfte. War der Rechtsanwalt für seine Loyalität zum Regime mit dem lukrativen Posten als Europagesandter belohnt worden? Die Antwort des Regimes auf die Veröffentlichung kam postwendend.
"Am selben Nachmittag wollten sich dann ein paar Leute mit mir treffen, die sich als Journalisten ausgaben. In Wahrheit waren es aber Polizisten in Zivil, die mich auf offener Straße festgenommen und mit Gewalt zur nächsten Polizeistation gebracht haben."
Schusswechsel auf der Präsidentenranch
Drei Tage verbrachte Babacar Ndiaye auf der Wache ohne einen Anwalt anrufen oder Besuch von seiner Familie empfangen zu dürfen. Wer in einem Land wie Mauretanien Journalist werde, müsse leider damit rechnen, irgendwann verhaftet zu werden, sagt er.
Er selbst wurde vor etwa zwei Jahren das erste Mal festgenommen. Damals hatte er eine Geschichte seines alten Mentors, Jedna Deida, auf seiner Website geteilt.
"Der Bericht drehte sich um einen Vorfall auf einer Ranch des Präsidenten in der Wüste. Bei einem Schusswechsel war ein Beduine verletzt worden. Unsere Quelle war sich sicher, dass der Sohn des Präsidenten an dem Vorfall beteiligt, womöglich sogar der Schütze war. Wir haben uns dennoch für eine zurückhaltende Berichterstattung entschieden, und nur die Frage in den Raum gestellt, welche Rolle der Sohn des Präsidenten bei der Geschichte gespielt hat."
Kein Rechtsbeistand für die Journalisten
Ganz abwegig war diese Frage nicht: Zwei Mal schon hatte der Präsidentensohn in der Vergangenheit bewiesen, dass er einen lockeren Finger am Abzug hat. Im einen Fall schoß er sich selbst versehentlich ins eigene Bein. Im anderen Fall hatte er im Streit eine junge Frau angeschossen. Sie überlebte schwer verletzt, sitzt aber seitdem im Rollstuhl.
Die Regierung versuchte, die Geschichte unter den Teppich zu kehren, die Familie der Frau erhielt eine hohe Entschädigung, und damit war die Sache erledigt. Strafrechtliche Folgen hatte der Fall nicht.
Jedna Deida: "Alles ging sehr schnell. Wir wurden sofort vor Gericht gestellt. Die Präsidentenfamilie hatte einen Anwalt geschickt - uns aber wurde ein Rechtsbeistand verweigert. Nicht nötig, wurde uns gesagt. Eine halbe Stunde später waren wir verurteilt und wurden ohne weitere Umstände ins Gefängnis gebracht."
Neues Gesetz wird kaum angewendet
Am Ende mussten die beiden Journalisten nur eine Nacht in ihrer Zelle verbringen. Der Druck der Familien und internationaler Unterstützer hatte die Regierung offenbar zum Einlenken gezwungen. Ein Glück für die Journalisten, aber gleichzeitig auch Ausdruck für die Willkür, mit der Freiheit in dem westafrikanischen Land genommen und gegeben werden kann.
Dabei ist die Situation in Mauretanien juristisch betrachtet gar nicht so schlecht: Seit einigen Jahren gibt es ein neues Pressegesetz, das Journalisten vor Haftstrafen schützen soll.
"Unser Land hat in diesem Bereich große Fortschritte gemacht. Früher kam man einfach ins Gefängnis. Aber bis heute muss man leider feststellen, dass die Gerichte dieses Gesetz nicht wirklich anwenden", sagt Babacar Ndiaye. "Leider hängt die Anwendung dieses Gesetzes sehr davon ab, wer die Klage führt. Wenn es sich um jemanden aus dem Umfeld des Präsidenten handelt, dann hat man als Journalist keine Chance."