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Journalisten-Mord in der Slowakei
Verbindungen von Politik und Justiz zu Angeklagtem Kocner

Mitte Dezember beginnt der Prozess zum Mord an dem slowakischen Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten. Einer der Angeklagten ist der Geschäftsmann Marian Kocner. Wegen Kontakten zu ihm mussten verschiedene Personen aus Politik und Justiz zurücktreten.

Peter Lange im Gespräch mit Katharina Peetz |
Der slowakische Unternehmer Marian Kocner sitzt zwischen zwei Männern.
Der Geschäftsmann Marian Kocner wird beschuldigt, den Mord am Journalisten Kuciak in Auftrag gegeben zu haben. (AFP / Tomas Benedikovic )
Katharina Peetz: Im Februar 2018 sind der slowakische Enthüllungsjournalist Jan Kuciak und seine Verlobte Martina Kusnírová erschossen worden. In wenigen Wochen beginnt der Mordprozess – beschuldigt werden insgesamt fünf Personen, an dem Mord beteiligt gewesen zu sein. Einer der Verdächtigen hat mit der Staatsanwaltschaft kooperiert und sagt in dem Prozess nun als Kronzeuge aus. Angeklagt ist auch der Geschäftsmann Marian Kocner. Ihm wird vorgeworfen, den Mord an dem Journalisten beauftragt zu haben. Kuciak hatte unter anderem über Kocners Geschäfte berichtet.
Im Lauf der Ermittlungen sind immer neue Verstrickungen von Vertretern aus Politik und Justiz mit Kocner bekannt geworden. Mehrere Personen sind daraufhin zurückgetreten. Ich bin jetzt verbunden mit unserem Korrespondenten Peter Lange. Herr Lange, welche Dimension haben diese Verbindungen von Menschen aus Politik und Justiz zum Geschäftsmann Kocner?
Peter Lange: Also dieser Skandal um Marian Kocner hat schon jetzt beträchtliche Spuren hinterlassen, besonders in der Justiz, aber auch in der Politik. Mindestens elf Richter oder Staatsanwälte sind entweder zurückgetreten oder entlassen worden oder vorläufig suspendiert worden, oder es sind Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Dazu gehören eine stellvertretende Justizministerin, die zurücktreten musste und auch als Richterin vorerst nicht mehr arbeiten darf. Ein ehemaliger Generalstaatsanwalt ist jetzt als Ankläger suspendiert, und in der Politik sieht es so aus, dass ein stellvertretender Parlamentspräsident wegen seiner Verbindungen zu Kocner zurücktreten musste.
Kommission prüft mögliche Pflichtverletzung von Richtern
Peetz: Und wie sind diese belastenden Verbindungen überhaupt öffentlich bekannt geworden?
Lange: Also Marian Kocner sitzt ja in Untersuchungshaft, zunächst wegen Wechselbetrugs – da läuft gerade ein Prozess –, aber dann auch als Angeklagter im Mordfall Kuciak, und bei den Ermittlungen stießen die Polizei und die Staatsanwaltschaft auf Chats in einer App und auf mitgeschnittene Telefongespräche. Die Polizei hat dann im Sommer die Smartphones von mindestens fünf Richtern konfisziert, die in diesen Apps und in diesen Telefongesprächen mit Kocner geredet haben, und vieles von dem, was in den Speichern dieser Geräte zu finden war, ging in die Ermittlungsakten und ist in den letzten Monaten nach und nach zwei Zeitungen in Bratislava zugespielt worden. Es gibt also undichte Stellen in der Polizei oder in der Justiz. Die Zeitungen haben dieses Material veröffentlicht, haben es zum Teil auch ins Internet gestellt. Man kann es dort hören. Sie begründen es damit, dass sie sagen, also hier ist immer so viel unter den Teppich gekehrt worden, das wollen wir auf jeden Fall verhindern, dass noch mal was unter den Teppich gekehrt werden kann und deswegen maximal Öffentlichkeit und Veröffentlichung von all dem, was wir bekommen.
Peetz: Nun hat der slowakische Richterrat eine Sonderkommission eingesetzt, die heute auch noch mal zusammenkommt. Was genau untersucht diese Kommission, was ist die Aufgabe?
Lange: Also Marian Kocner war auch immer ein, sagen wir, Gesellschaftslöwe, der überall dabei war, wo es was zu feiern gab, er war ein Angeber und auch ein Aufschneider, deswegen muss man auch immer noch hinter all dem, was er da so von sich gegeben hat, ein Fragezeichen setzen, aber er hat auch bei Strafverfahren gegen sich Richter und Staatsanwälte angerufen, und er war sich sehr sicher, dass ihm bei seinen krummen Touren offenbar keiner in die Wege kommt. Viele haben ihn auf Abstand gehalten, aber jeder, der mit ihm zu tun hatte, der ist jetzt irgendwie kontaminiert. Also beispielsweise die Chefin des slowakischen Richterrats hat nach Medienberichten an einem Schweineschlachtfest mit Kocner teilgenommen. Sie ist deswegen nun nicht in dieser Sonderkommission. Die untersucht jetzt, ob die Richter, die mit ihm direkt kommuniziert haben oder die, die in diesen Chats erwähnt werden, sich einer Pflichtverletzung schuldig gemacht haben, also zum Beispiel der Rechtsbeugung, indem sie Urteile im Sinne von Kocner herbeigeführt haben. Die Kommission hat die Ermittlungsakten mit den Chats und Tonbandprotokollen zur Verfügung, sie lädt dann die betreffenden Richter und Staatsanwälte zu Anhörungen ein, und wenn sie fertig ist, wird sie Empfehlungen aussprechen, und dann wird sich zeigen, ob in der slowakischen Justiz vielleicht noch weitere Lücken gerissen werden.
Prozess ist Lackmustest für die Justiz
Peetz: Jetzt blicken wir zum Schluss schon mal voraus. Wie gesagt, am 19. Dezember beginnt der Prozess zu dem Mord an Jan Kuciak und seiner Verlobten. Nach dem Mord hat es ja schon Massenproteste gegen die Regierung gegeben. Welche Bedeutung hat nun dieser Prozess für die Slowakei?
Lange: Zunächst die drei Richter des Strafsenats sind in den Fall Kocner in keiner Weise involviert. Das sage ich deswegen, weil es gestern in einer Zeitung in Deutschland etwas anders zu lesen war. Der Prozess ist ohne Zweifel der wichtigste in der Geschichte der unabhängigen Slowakei. Der Mord an Jan Kuciak und Martina Kusnírová hat das Land aufgewühlt. Das ist alles nicht vergessen. Diese gerichtliche Aufarbeitung wird zeigen wie so ein Lackmustest, ob die Justiz nun funktioniert, ob der Rechtsstaat jetzt inzwischen funktioniert und die Selbstreinigungsprozesse in diesen Institutionen tatsächlich stattfinden. Hinzu kommt, dass der Prozess zeitlich mit dem Wahlkampf und der Parlamentswahl Ende Februar nächsten Jahres dann zusammenfallen. Das alles kann dann also auch durchaus Auswirkungen auf den Wahlausgang in der Slowakei haben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.