"Das wäre jetzt im Prinzip ein ganz kurzer Film, ne? Ein bisschen Bild, O-Ton, dann ist der Film zu Ende. Also wenn man es jetzt ganz simpel, ganz schnell machen möchte." Mit dem Smartphone einen kurzen Film fürs Internet produzieren, eben mehr als nur einen Text schreiben: Die Freischreiber bilden sich fort. Gegenseitig. Sie wollen neue Erlösquellen erschließen, zeitgemäß bleiben in schwierigen Zeiten.
Der Workshop ist Teil des Jahrestreffens des Verbandes am vergangenen Samstag in Frankfurt am Main - und zugleich Kern der Idee "Freischreiber": Einzelkämpfer tun sich zusammen, bauen sich gegenseitig auf, sind füreinander da. Wenn es um ihre Motivation geht, sind sich die Mitglieder hier einig: Die beiden etablierten Organisationen - die Deutsche Journalistenunion in Verdi und der Deutsche Journalistenverband - haben vor allem die Festangestellten im Blick.
"Man hat immer das Gefühl gehabt, sie machen, wenn es um die Tarifverhandlungen für die Festanstellten ging, da hängen die sich voll rein, da gab es Streiks, da gab es Aktionen und für die Freien gab es in der Richtung wenig. Und dann dachte ich, ein Verband wie die Freischreiber, der wirklich für die Freischreiber eben auch da ist, da bin ich dann besser aufgehoben."
"Sind wir doch mal ehrlich: Die meisten Journalisten sind nicht bei der 'Zeit', bei der 'taz', sondern viele sind eher bei kleineren Verlagen, die früher mal klein waren, aber sie sitzen verstreut im ganzen Land. Aber es wird gekämpft auf offizieller Stelle immer nur für eine bestimmte Gruppe. Wir müssen unser Glück selber in die Hand nehmen."
"Mein Eindruck ist, dass sich da nicht viel tut und dass die Freischreiber noch immer die sind, die Gas geben müssen und die die Großen auch so ein bisschen anstacheln, damit etwas passiert."
Karl Urheber und die Verwertungsmaschine
Eine der ersten Aktionen der Freischreiber waren die "Freiflächen": Der Verband zeigte Magazine - mit und vor allem: ohne Texte von freien Mitarbeitern. Es klafften bisweilen riesige Lücken. Das Signal war klar: Ohne freie Journalisten würden vielen Redaktionen weitgehend die Inhalte fehlen. Also: Nehmt "Freie" doch endlich ernst.
Gerade verfilmen die Freischreiber zudem das Leben von "Karl Urheber: Der freie Journalist - ein Stellvertreter aus Knetmasse - sitzt in einer Verwertungsmaschine. "...Karl Urheber spürt das Rattern und Zerren des Apparats. Die Verwertungsmaschine schluckt seine Geschichten, vervielfältigt und vermarktet sie..." In der Ferne kann Karl Urheber die Geldstücke klappern hören. Nur bei ihm kommen so gut wie keine an. Oft erfährt er noch nicht mal, was mit seinen Texten passiert, wie Verlage mit ihnen Kasse machen. Die Freischreiber wollen auch das ändern.
Dafür lobbyieren sie bei Verwertungsgesellschaften wie der VG Wort und bei der Politik für ein Urheberrecht in ihrem Sinne. Auftraggeber zeichnen sie zudem mit dem Himmel-und-Hölle-Preis aus. In den Himmel kommt, wer besonders fair mit Autoren umgeht - in die Hölle, wer Autoren schlecht behandelt. Zuletzt war das aus Sicht der Freischreiber bei der sonst so renommierten "Süddeutschen Zeitung" so.
Honorare? "Das ist das härteste Brett, das es zu bohren gilt"
Aber was haben die Freischreiber wirklich bewegt? Benno Stieber - freier Journalist in Karlsruhe - war die vergangenen Jahre der Vorsitzende. Er zählt die Aktionen auf, dazu den "Code of Fairness", den etwa die "Zeit" unterschrieben hat - faire Bedingungen für Autoren: Schriftliche Auftragsbestätigungen und zügige Honorare - beides im Journalismus längst keine Standards. Stieber sagt aber auch ganz offen: "Die Honorare sind nicht gestiegen, weil es jetzt Freischreiber gibt. Das ist ein Problem. Letztlich ist das nach neun Jahren auch so etwas wie ein Misserfolg. Wobei man sich da einfach keine Illusionen machen darf: Das ist das härteste Brett, das es zu bohren gilt. Da muss man einen langen Atem haben, um für Verständnis zu sorgen. Und wahrscheinlich braucht man auch politisch andere Rahmenbedingungen, um da voran zu kommen."
Hier würde zweifellos gemeinsame Schlagkraft helfen - gemeinsames Lobbying mit den beiden Gewerkschaften. Freischreiber tritt aber seit jeher auch als mögliche Alternative an: Der Verband gibt einen Presseausweis heraus und bietet eine Rechtsberatung an - wenn auch keinen Rechtsschutz wie die Gewerkschaften. Aber: Wer will, der soll nur Freischreiber sein können - auch, um Geld zu sparen.
Mit Frank Überall steht an der Spitze des Deutschen Journalistenverbandes inzwischen selbst ein freier Journalist, der mehr für diese Gruppe tun will - und schon zu seinem Amtsantritt vor anderthalb Jahren offen über die Defizite sprach: "Früher hatten wir einen Freien-Anteil von zehn Prozent, heute ist es ungefähr Hälfte-Hälfte. Dass das für manche erst mal befremdlich ist, dass man sich als Festangestellter, vielleicht seit Jahrzehnten erst mal festangestellter erst mal fragt 'Ja Moment mal, wie jetzt, Freie in der Gewerkschaft?', das kann ich gut nachvollziehen. Wir sind da schon ziemlich weit, was die Akzeptanz angeht, aber an der ein oder anderen Stelle ist da noch etwas zu tun."
"Wir sind keine verhinderten Festen"
Seit Samstag steht nun die Berliner Magazin-Autorin Carola Dorner dem Freien-Verband vor. Ihre Ansage auf der Mitgliederversammlung: Wenn Freischreiber in einem Jahr zehn wird, sollen sie 1.000 sein - statt knapp 700 Mitgliedern heute. Dorner erklärt, das sei auch wichtig, um nicht mehr nur irgendeinen, sondern den bundeseinheitlichen Presseausweis ausgeben zu können - wie die Gewerkschaften. Die Freischreiber sollen eben auch unter der neuen Führung unabhängig bleiben: "Wir sind der einzige Verband, der als Hauptklientel die freien, professionellen Journalisten vertritt, die wirklich davon leben und davon leben wollen. Aber: Ich finde es ganz erfreulich, was sich zum Teil beim DJV tut. Ich meine - Herr Überall ist freier Journalist. Unsere Hoffnung ist schon auch ein bisschen, dass sich dadurch ein bisschen die Perspektive ändert."
Denn diese eine Botschaft, sagt die neue Vorsitzende, sei ihr ganz besonders wichtig: Freischreiber sei kein Sammelbecken für die, die hinten über gefallen seien oder es gar nicht erst in eine Festanstellung geschafft hätten. Im Gegenteil: "Der aller-, allergrößte Teil von unseren Mitgliedern möchte frei sein. Wir sind keine verhinderten Festen. Wir wollen so arbeiten wie wir arbeiten - und das zu Bedingungen, zu denen man arbeiten kann."