Dreimal ist Samar Yazbek vom Pariser Exil aus nach Syrien gereist, heimlich hat sie sich über die türkische Grenze geschmuggelt und dabei vielen ausländischen Dschihadisten bei der Einreise zugesehen. Die Aufzeichnungen ihres ersten Buches aus dem Inneren der Revolution haben ihr 2012 den PEN-Preis eingebracht. Mit dem Preisgeld von 50.000 Euro hat sie ihre Organisation "Women Now for Development" gegründet. Von Paris aus unterstützt sie die 93 Mitarbeiterinnen, wo genau in Syrien sie agieren, sagt sie bewusst nicht.
"Wir wollen vor allen den Frauen, die ersten Opfer des Krieges, helfen, trotzdem weiterzuleben, sich zu entwickeln, sich zu bilden. Wir geben Computerkurse, lehren Englisch, bieten Friseur- und Schneiderausbildungen an, wollen die weiblichen Führerinnen der Zukunft aufbauen. Es geht darum, Syrien auf eine Zivilgesellschaft vorzubereiten. Auch in Flüchtlingslagern im Libanon sind wir aktiv. Es geht um politische, ökonomische Fortbildung und seelische Unterstützung für die Kinder. Rund 10.000 Frauen und Kinder profitieren von unserer Arbeit. Wir suchen auch noch Frauenorganisationen, die uns von Europa aus helfen können."
Samar Yazbek wurde 1970 in Jableh geboren, eine kleine Stadt an der Küste, in eine alawitische Familie – die gleiche schiitische Ausrichtung des Islams, der auch der syrische Diktator Assad angehört. Doch ihr journalistischer Kampf für Bürger- und Frauenrechte machte sie in den Augen ihrer Familie zur Verräterin. Samar Yazbek trägt kein Kopftuch, Religion ist kein Thema in ihren Werken. Auch der Syrien-Krieg spielte nicht immer eine Rolle. Doch seitdem sie 2011 ihr aufsehenerregendes Tagebuch aus dem Inneren des Arabischen Frühlings veröffentlichte und die Gewalt des Assad-Regimes dokumentierte, muss sie weiter aus der Realität berichten.
"Ich habe furchtbare Angst. Ich habe immer Angst. Ängste sind auch die Protagonisten meiner letzten beiden Bücher gewesen. Aber mein Bedürfnis, zu sprechen, ist größer. Es ist das Wichtigste in meinem Leben geworden: aufzuschreiben und zu zeigen, wie es den Menschen in Syrien geht."
Noch 2013 interviewte sie den höchsten Emir der Al Nusra-Front persönlich, vor einem Sofa mit drei Maschinengewehren, zwischen Detonationen, über seinen persönlichen Dschihad und seinen Kampf gegen die Alawiten, ihre eigene Religionsgruppe. Auch da war Angst ihr Begleiter. Aber sie hat auch mit ganz normalen Menschen im Kriegsalltag gesprochen, über grausame Schicksale, oft unerträglich detailreich. Manchmal mit Spuren von Hoffnung vermischt. Etwa jener syrischen Familie, die zu arm ist, um zu fliehen, und im Umland von Edlip in einer Höhle lebt.
"Sie haben 8 Kinder. Das Bein der ältesten Tochter ist amputiert, die andere Tochter ist so traumatisiert, dass sie nicht mehr spricht und noch dazu schwanger. Der Mann hat noch eine 2. Frau. Die Kinder gehen natürlich nicht in die Schule. Sie haben kaum zu Essen und uralte Klamotten, sie frieren, durch die Decke der Höhle tropft das Wasser. Und dennoch sorgen die Frauen dafür, dass das Leben weitergeht, dass die Kinder überleben, die Männer überleben. Das ist Widerstand, der täglich stattfindet, und über den in den Medien nicht gesprochen wird. Ich möchte darüber schreiben."
Samar Yazbek nennt das den "seelischen Widerstand", der von allem von Frauen geleistet würde, sie sieht sich als Brücke und Stimme für ihn. Mit ihrer erwachsenen Tochter lebt sie heute in Paris, Frankreich gab ihr ein Visum. Ihre Flucht war vergleichsweise komfortabel. Ausgerechnet da, wo sich der Diskurs über die Flüchtlinge durch die Attentate des 13. November scheinbar grundlegend verändert hat – hin zur europäischen Abschottung. Auch Samar Yazbek spürt ein wachsendes Misstrauen gegen Araber.
"Natürlich wirken die Anschläge eine negative Einwirkung auf syrische Flüchtlinge – es gibt seitdem in Paris mehr Angst, mehr Rassismus. Ich lebe zurückgezogen, aber auch die wenigen Franzosen, zu denen ich Kontakt habe, sind zurückhaltener geworden, selbst die intellektuelle Klasse. In einem Bekleidungsgeschäft wurde ich nicht mehr bedient, als man hörte, dass ich Arabisch spreche. Ich habe gesagt, ich werde die Polizei anrufen, weil die Dame mir gegenüber einen terroristischen Akt verübt."
Eine Friedenslösung für Syrien weiß sie auch nicht, optimistisch ist sie nicht. Es bleibt das Gefühl der Machtlosigkeit. Der Tag des Interviews ist ein Jahrestag: vor vier Jahren wurden vier ihrer Mitstreiter entführt, sie hat seitdem nicht von ihnen gehört, sie muss weinen an dieser Stelle.
"Die Syrer haben nichts mehr zu sagen, die Entscheidungen sind ihnen aus der Hand genommen. Natürlich bin ich der Meinung, dass man Daesh vernichten muss. Aber das kann man natürlich nicht nur mit Bombardierungen aus der Luft schaffen. Man braucht eine Übergangszeit, in der Assad zurücktritt… man braucht Bodentruppen… Wenn die Großmächte es wirklich wollten, könnten sie diesen Krieg beenden."
"Wir wollen vor allen den Frauen, die ersten Opfer des Krieges, helfen, trotzdem weiterzuleben, sich zu entwickeln, sich zu bilden. Wir geben Computerkurse, lehren Englisch, bieten Friseur- und Schneiderausbildungen an, wollen die weiblichen Führerinnen der Zukunft aufbauen. Es geht darum, Syrien auf eine Zivilgesellschaft vorzubereiten. Auch in Flüchtlingslagern im Libanon sind wir aktiv. Es geht um politische, ökonomische Fortbildung und seelische Unterstützung für die Kinder. Rund 10.000 Frauen und Kinder profitieren von unserer Arbeit. Wir suchen auch noch Frauenorganisationen, die uns von Europa aus helfen können."
Samar Yazbek wurde 1970 in Jableh geboren, eine kleine Stadt an der Küste, in eine alawitische Familie – die gleiche schiitische Ausrichtung des Islams, der auch der syrische Diktator Assad angehört. Doch ihr journalistischer Kampf für Bürger- und Frauenrechte machte sie in den Augen ihrer Familie zur Verräterin. Samar Yazbek trägt kein Kopftuch, Religion ist kein Thema in ihren Werken. Auch der Syrien-Krieg spielte nicht immer eine Rolle. Doch seitdem sie 2011 ihr aufsehenerregendes Tagebuch aus dem Inneren des Arabischen Frühlings veröffentlichte und die Gewalt des Assad-Regimes dokumentierte, muss sie weiter aus der Realität berichten.
"Ich habe furchtbare Angst. Ich habe immer Angst. Ängste sind auch die Protagonisten meiner letzten beiden Bücher gewesen. Aber mein Bedürfnis, zu sprechen, ist größer. Es ist das Wichtigste in meinem Leben geworden: aufzuschreiben und zu zeigen, wie es den Menschen in Syrien geht."
Noch 2013 interviewte sie den höchsten Emir der Al Nusra-Front persönlich, vor einem Sofa mit drei Maschinengewehren, zwischen Detonationen, über seinen persönlichen Dschihad und seinen Kampf gegen die Alawiten, ihre eigene Religionsgruppe. Auch da war Angst ihr Begleiter. Aber sie hat auch mit ganz normalen Menschen im Kriegsalltag gesprochen, über grausame Schicksale, oft unerträglich detailreich. Manchmal mit Spuren von Hoffnung vermischt. Etwa jener syrischen Familie, die zu arm ist, um zu fliehen, und im Umland von Edlip in einer Höhle lebt.
"Sie haben 8 Kinder. Das Bein der ältesten Tochter ist amputiert, die andere Tochter ist so traumatisiert, dass sie nicht mehr spricht und noch dazu schwanger. Der Mann hat noch eine 2. Frau. Die Kinder gehen natürlich nicht in die Schule. Sie haben kaum zu Essen und uralte Klamotten, sie frieren, durch die Decke der Höhle tropft das Wasser. Und dennoch sorgen die Frauen dafür, dass das Leben weitergeht, dass die Kinder überleben, die Männer überleben. Das ist Widerstand, der täglich stattfindet, und über den in den Medien nicht gesprochen wird. Ich möchte darüber schreiben."
Samar Yazbek nennt das den "seelischen Widerstand", der von allem von Frauen geleistet würde, sie sieht sich als Brücke und Stimme für ihn. Mit ihrer erwachsenen Tochter lebt sie heute in Paris, Frankreich gab ihr ein Visum. Ihre Flucht war vergleichsweise komfortabel. Ausgerechnet da, wo sich der Diskurs über die Flüchtlinge durch die Attentate des 13. November scheinbar grundlegend verändert hat – hin zur europäischen Abschottung. Auch Samar Yazbek spürt ein wachsendes Misstrauen gegen Araber.
"Natürlich wirken die Anschläge eine negative Einwirkung auf syrische Flüchtlinge – es gibt seitdem in Paris mehr Angst, mehr Rassismus. Ich lebe zurückgezogen, aber auch die wenigen Franzosen, zu denen ich Kontakt habe, sind zurückhaltener geworden, selbst die intellektuelle Klasse. In einem Bekleidungsgeschäft wurde ich nicht mehr bedient, als man hörte, dass ich Arabisch spreche. Ich habe gesagt, ich werde die Polizei anrufen, weil die Dame mir gegenüber einen terroristischen Akt verübt."
Eine Friedenslösung für Syrien weiß sie auch nicht, optimistisch ist sie nicht. Es bleibt das Gefühl der Machtlosigkeit. Der Tag des Interviews ist ein Jahrestag: vor vier Jahren wurden vier ihrer Mitstreiter entführt, sie hat seitdem nicht von ihnen gehört, sie muss weinen an dieser Stelle.
"Die Syrer haben nichts mehr zu sagen, die Entscheidungen sind ihnen aus der Hand genommen. Natürlich bin ich der Meinung, dass man Daesh vernichten muss. Aber das kann man natürlich nicht nur mit Bombardierungen aus der Luft schaffen. Man braucht eine Übergangszeit, in der Assad zurücktritt… man braucht Bodentruppen… Wenn die Großmächte es wirklich wollten, könnten sie diesen Krieg beenden."