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Journalistinnen in Film und Fernsehen
Es geht auch ohne Klischees

In Serien werden Journalistinnen immer wieder als verführerische Manipulatorinnen dargestellt, findet unsere Kolumnistin. Offenbar seien Drehbuchautoren der Meinung, die Zuschauer würden das so wollen. Dabei laufe das in Kinofilmen oft deutlich besser.

Von Samira El Ouassil | 05.02.2020
In ihrer Rolle als Megyn Kelly im Film "Bombshell" beugt sich die Schauspielerin Charlize Theron über einen Schreibtisch und schaut auf den Bildschirm einer Kollegin.
Charlize Therons Rolle als Megyn Kelly im Film "Bombshell" ist eine der wenigen realitätsnahen Darstellungen von Journalistinnen im aktuellen Kino, meint Samira El Ouassil. (imago images / ZUMA Press)
Glaubt man einigen stereotypen Darstellungen von Journalistinnen aus aktuellen Serien, dann habe ich heute mit mindestens einem Politiker gesextet, um an Bundestagsinterna zu gelangen, habe mit mindestens einer Quelle geschlafen, um ein geheimes Passwort zu erhalten, habe später noch ein Arbeitstreffen in einer dunklen Tiefgarage - und werde am Ende des Tages vermutlich aufgrund meines Wissens von einem Bürogebäude gestoßen - um schließlich von einem gutaussehenden Alien mit Cape gerettet zu werden.
Nicht selten werden Journalistinnen in Serien als berechnende Opportunistinnen und verführerische Manipulatorinnen präsentiert. Man denke beispielsweise an die ambitionierte Reporterin Zoe Barnes aus "House of Cards", an die komplexe und autodestruktive Camille Preaker aus der HBO-Serie "Sharp Objects" oder auch an die Neu-Auflage der "Gilmore Girls", wo Rory Gilmore bei ihrer Recherche mit einer Quelle schläft.
Das Kino zeigt, wie's geht
Ob damit das Vertrauen in einen ethisch handelnden, professionellen Journalismus gestärkt wird? Und in die Professionalität weiblicher Berichterstatter? Wohl eher nicht. Glücklicherweise gibt es auch realitätsnähere Darstellungen - vor allem im Kino. Aktuell ist hier der Film "Bombshell" zu nennen, dessen Hauptdarstellerin Charlize Theron für ihre bemerkenswerte Verkörperung der Journalistin Megyn Kelly für die kommende Oscarverleihung nominiert ist.
Auch andere Oscarnominierte und Oscargewinner der letzten Jahre zeichnen sich durch starke, aufrechte und vor allem professionell gezeichnete Medienfrauen aus, die in ihrer Arbeit ohne das vermeintlich obligatorische Hochschlafen auskommen.
Samira El Ouassil ist Kommunikationswissenschaftlerin, Schauspielerin und politische Ghostwriterin. 2009 war sie die Kanzlerkandidatin für DIE PARTEI. Seit September 2018 schreibt sie für das Medienkritikmagazin Übermedien die Kolumne "Wochenschau". Mit Gedächtniskünstlerin Christiane Stenger beantwortet sie außerdem im Audible-Podcast "Sag Niemals Nietzsche" Fragen der Philosophie.
Zum Beispiel das 2018 erschienene biografische Drama "The Post", "Die Verlegerin", von Steven Spielberg, in welchem Meryl Streep als Chefin der Washington Post entscheiden muss, ob die Pentagon-Papiere, also geheime Dokumente des US-Verteidigungsministeriums über den Vietnamkrieg, veröffentlicht werden sollen oder eben nicht - wobei die Gefahr besteht, dass sie wegen Hochverrats angeklagt wird.
Oder der Journalismusthriller "Spotlight" von 2015, in welchem Rachel McAdams unaufgeregt die Journalistin Sasha Pfeiffer verkörperte, die mit ihren drei Kollegen einen Kindesmissbrauchsskandal der Kirche aufdeckte.
Je mehr sich Filme einer naturalistischen Darstellung verpflichtet fühlen, beispielsweise weil ihre Geschichten auf wahren Begebenheiten basieren, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Figuren der Journalistinnen ganz ohne Sexismus auskommen.
"Bombshell" entlarvt Journalistinnen-Klischees
Im bereits genannten Drama "Bombshell" lässt sich eine besonders interessante Inbildsetzung dieses Archetyps der verführerischen Journalistin beobachten - denn hier handelt es sich um eine Art Dekonstruktion, die den Sexismus dieses Klischees entlarvt. Nach wahren Begebenheiten arbeitet der Film den Skandal um den Fox-News-Chef Roger Ailes auf, der - ähnlich wie Harvey Weinstein - seine Macht missbrauchte, um mehrere Frauen zu sexuellen Handlungen zu zwingen.
Die Präsentation der Fox-Moderatorinnen als blonde durchfeminisierte Infotainment-Sexbomben, also als "Bombshells", wird hier zu einer Reflexion über das Äußere der Vamp-Journalistinnen.
In einer Schlüsselszene wird die Garderobe der Moderatorinnen gezeigt, in welcher es ausschließlich Minikleider gibt, jedoch keine einzige Hose. Der Glastisch vor der Nachrichtenmoderatorin - so wird jemand im Film zitiert - sei transparent, damit man ihre Beine sehen kann. Die Journalistinnen müssen verführerisch sein, weil der Fernseh-Zuschauer das schließlich so wolle.
Und so schließt sich der Kreis zu uns, das heißt, zum Film-Zuschauer: Obwohl Hollywood zeigt, dass hochkarätige Erzählungen keine Berufsklischees bedienen müssen, werden Journalistinnen in Serien immer noch gerne als Räkel-Reporterinnen inszeniert - weil Drehbuchautoren offenbar denken, dass die Zuschauer das schließlich so wollen.