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Afghanische Journalisten in Deutschland
"Verloren im Klein-Klein"

Jahrelang haben Menschen in Afghanistan für ausländische Medien gearbeitet. Diese Stringer seien vor Ort lebensnotwendig gewesen, sagt Journalist Martin Gerner. Doch wer es aus der alten Heimat geschafft hat, stößt in Deutschland auf neue Probleme.

Martin Gerner im Gespräch mit Sebastian Wellendorf |
Ein Journalist fährt am 02 .09.2008 vom Flughafen Kunduz mit dem Mehrzweckfahrzeug Mungo in das Bundeswehrlager und filmt dabei mit der Kamera
Etliche Ortskräfte haben für ausländische Journalisten in Afghanistan gearbeitet. (IMAGO / photothek / Thomas Imo)
Es vergingen nur wenige Monate, bis die Taliban im Sommer 2021 die Macht übernommen hatten in Afghanistan. Nach dem Abzug westlicher Truppen überrannten die Kämpfer fast das gesamte Land, so dass am Ende nur der von US-Soldaten gesicherte Flughafen in Kabul blieb, um das Land schnell zu verlassen.
Die Bilder von der Evakuierungsaktion gingen um die Welt und die Bundesregierung sagte damals zu, dass neben Ortskräften, die für deutsche Behörden gearbeitet hatten, auch afghanische Journalistinnen und Journalisten nach Deutschland kommen dürften. Doch die Ausreise wurde für sie höchst riskant.

Schwierige Ausreise aus Afghanistan

Es habe zwei Tage gedauert, bis sie auf das Flughafengelände kommen konnten, erinnert sich der Journalist Martin Gerner an das Schicksal mehrerer afghanischer Kollegen, mit denen er zusammengearbeitet hat. Gerner, der u.a. für den Deutschlandfunk tätig ist, war an der Hilfe beteiligt. Ihm und seinem Kollegen Marc Thörner sei es gelungen, insgesamt fünf journalistische Mitarbeiter sowie deren Familien zu retten zwischen August und Dezember 2021.
Bei der Organisation der Ausreise habe es eine Dreieckskommunikation zwischen dem Funkhaus, Auswärtigem Amt und Menschen vor Ort gegeben.
Menschen, die im Auftrag von deutschen und anderen ausländischen Medien tätig sind und Korrespondenten zuarbeiten, werden üblicherweise als Stringer bezeichnet. Martin Gerner hält die Bezeichnung „Stringer“ bzw. „Fixer“ allerdings für ein Unwort: „Wenn wir ganz ehrlich sind, sind das Überlebensgarantien für uns Journalisten gewesen.“

Wichtige Arbeit für ausländische Medien

Nach wie vor seien sie in Kriegs- und Konfliktgebieten unverzichtbar, nicht nur bei der Organisation und beim Übersetzen, sondern auch als kulturelle Mittler und Themenfinder.
Gerner hat mehrere Jahre lang eine umfangreiche Berichterstattung für deutsche Medien aus Afghanistan geleistet und begleitet nun auch die Integration der Kollegen in Deutschland. Dabei falle ihm der enorme Druck auf, den die deutsche Gesellschaft im Ganzen ausübe – beispielsweise hinsichtlich der Sprache, so Gerner.
Er würde sich ein Online-Angebot für die evakuierten Journalisten aus Afghanistan wünschen: „Wenn man mit ihnen zusammengeht, bekommt man auch viel zurück, viele Themen. Und ich glaube, da könnte eigentlich ein Nukleus für diese Community auch hier in Deutschland sein. Das hat sich im Klein-Klein aber etwas verloren.“

Verantwortung der Bundesregierung

Insbesondere für die Bundeswehr, aber auch im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit haben afghanische Ortskräfte gearbeitet, etwa als Mitarbeitende von deutschen Hilfs- und Entwicklungsorganisationen.
Von der Bundesregierung heißt es, dass Deutschland eine besondere Verantwortung für diese Menschen trage. Vor der Aufnahme würde aber geprüft, „welche aktuellen Gefährdungslagen bestehen und inwieweit sie in Zusammenhang zu der ehemaligen Tätigkeit stehen“.