Der Newsroom ist der magische Ort, an dem Ereignisse in Journalismus verwandelt werden. Er ist eine Nachrichten-Fabrik. Was passiert jedoch mit der Ware Journalismus, wenn ein Produktionsstandort coronabedingt vorläufig schliessen muss?
Das umtriebige Geschehen in journalistischen Großraumbüros nimmt selbstredend Einfluss auf die Arbeitsprozesse und Dynamiken. Die Kolleginnen und Kollegen sehen und sich gegenseitig wahrnehmen, erlaubt natürlich eine andere Abstimmung untereinander.
Eine andere Arbeitsqualität
An meinem achten Praktikumstag bei der jetzt nicht mehr existierenden ddp, einer Nachrichtenagentur mit einem lichtdurchfluteten Großraumbüro, sollte ich über Unruhen in Georgien recherchieren. Beflissen und nicht ohne Reporterstolz wollte ich einen O-Ton vom Konsul von Georgien einholen und rief diesen - für alle Anwesenden im Newsroom hörbar - an.
Als er den Hörer abnahm, sagte ich artig meinen zurechtgelegten Monolog auf, erklärte ihm die geopolitische Lage vor Ort und warum ich nun sehr auf seine Einschätzung angewiesen war. Er könne mir da leider nicht weiterhelfen, erklärte er, da er sich überhaupt nicht auskenne mit Georgien. Ich hatte nicht den Konsul von Georgien angerufen sondern einen Mitarbeiter der US-Botschaft, Experte für den Bundesstaat Georgia. Die mitleidigen, aber ermunternden Blicke aller KollegInnen hatten durchaus einen pädagogischen Wert.
Diese kleine Anekdote des Scheiterns erzähle ich Ihnen, um das kooperative Arbeitsklima und den professionellen Zusammenhalt erahnen zu lassen, der sich in einem Newsroom entfaltet.
Der Newsroom als "Melkstall"?
Aktuell sind diese Arbeitsplätze verwaist, der Journalismus verläuft virtuell jedoch weiterhin ebenso effektiv: über Slack, Zoom, WhatsApp, Email, Google Hangouts und andere Möglichkeiten, Menschen digital zusammenzubringen. Dass das besser klappt als erwartet, stellt den Newsroom als Arbeitsorganisationsform ein bisschen infrage.
Mark Thompson, der Bald-nicht-mehr-Geschäftsführer der "New York Times", erzählte in einem Interview mit CNBC letzte Woche, wie er im April im leeren Newsroom Fahrrad fuhr und zur Einschätzung kam: "Es ist schon eine ziemlich seltsame Art, Menschen zusammenzupacken. Als würde man sie in einen Melkstand pferchen."
Dpa-Nachrichtenchef Froben Homburger wiederum nutzte die Abwesenheit aller Mitarbeiter, um modisch zu eskalieren: Er twitterte im Eintracht-Frankfurt-Hoodie: "An Tag 9 der @dpa-Newsroom-Corontäne fallen alle modischen Hemmungen."
Das bewies auch CNN-Moderator Wolf Blitzer, der sich in, Achtung, Jeans in einem ebenfalls komplett leeren Newsroom zeigte.
Journalismus wird nicht an Orten gemacht, sondern von Menschen
Die lakonische Nonchalance der drei Nachrichten-Chefs in Anbetracht der leeren Räume lässt uns fragen, ob das überholt ist: die Idee, dass nur diejenigen, die Präsenz zeigen, auch produktiv sein können.
Die Newsrooms, die virtuell solide aufgestellt sind, kommen gut durch die Krise, es scheint ein ernsthaftes Konkurrenz-Modell für die Zukunft. Die "Daily News" zum Beispiel entschieden am vergangenen Mittwoch, die Büros an der New York Plaza dauerhaft zu schließen. Dass es auch so funktioniert, zeigt: Journalismus wird eben nicht an Orten gemacht, sondern in erster Linie von Menschen.