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Judentum
Der koschere Vibrator

Die orthodoxe Jüdin Chana Boteach, Tochter eines Rabbiners, hat in Tel Aviv einen Sex-Shop eröffnet. Das Sexspielzeug soll zwar die Lust steigern, aber es darf auf keinen Fall Schmerzen zufügen. Besonders viel ist für Frauen im Angebot, auch das lässt sich religiös begründen.

Von Benjamin Hammer |
Der erste koschere Sexshop eröffnete im Oktober 2019 in Tel Aviv.
Der erste koschere Sexshop eröffnete im Oktober 2019 in Tel Aviv. (Benjamin Hammer)
Zu Besuch im Laden von Chana Boteach. 29 Jahre alt, Israelin mit Wurzeln in den USA. Boteach ist orthodoxe Jüdin und hält sich an die Regeln ihrer Religion. Was sie nicht daran hindert, dem Reporter aus Deutschland ein Regal mit Vibratoren und Dildos zu zeigen.
"Hier kommen wir zu den Zauberstab-Vibratoren. Und hier haben wir voll einführbare Dildos aus Kristallstein."
In Tel Aviv hat 2019 der erste koscher Sex-Shop Israels eröffnet. Hier ein Blick aufs Vibratoren-Angebot.
DAs Vibratoren-Angebot im ersten koscheren Sexshop Israels. (Deutschlandradio/Benjamin Hammer)
Ein Regal mit Sexspielzeugen für religiöse Kunden: Für Chana Boteach ist das kein Widerspruch.
"Die Leute glauben, dass Religion die Sexualität unterdrückt. Aber im Judentum wird Sex gefeiert. Die Menschen werden dazu ermuntert."
Harmlose Handschellen
Hinweise finden sich schon in der Schöpfungsgeschichte. Da heißt es: "Gott schuf also den Menschen als sein Abbild. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch."
Und später: "Beide, Adam und seine Frau, waren nackt, aber sie schämten sich nicht voreinander."
Chana Boteach will mit ihrem Geschäft Sex und Religion in Einklang bringen. Damit tritt sie in die Fußstapfen ihres Vaters, einem bekannten Rabbiner aus den USA. Der schrieb vor 20 Jahren einen Ratgeber für koscheren Sex. Chana Boteach sagt, in der säkularen Welt werde die Sexualität ausgebeutet – zum Beispiel mit Pornografie. In der religiösen Welt hingegen werde die Sexualität häufig unterdrückt – gerade die von Frauen.
"Die Welt hat es mit dem religiösen und mit dem weltlichen Ansatz versucht. Es ist an der Zeit für einen wunderschönen und ausgeglichenen Zugang. Der kommt aus meiner Sicht aus dem Judentum."
Die orthodoxe Jüdin Chana Boteach hat in Tel Aviv den ersten koscheren Sexshop eröffnet.
Die orthodoxe Jüdin Chana Boteach hat in Tel Aviv den ersten koscheren Sexshop eröffnet. (Deutschlandradio/Benjamin Hammer)
Was aber ist eigentlich jüdisch in Chana Boteachs koscherem Sex-Shop? Eine Sache fällt auf: Viele Gegenstände sind für Frauen gedacht. Im Judentum, sagt Boteach, hätten die Männer den klaren Auftrag, ihren Frauen Lust zu verschaffen. Und dann fällt auf, wie klein die Peitschen sind und wie harmlos die Handschellen. Auch das ist kein Zufall. Denn das Sexspielzeug soll zwar die Lust steigern, aber auf keinen Fall Schmerzen zufügen. Das wäre nicht koscher.
Masturbation ist verboten
Bei aller Lockerheit: Die Vorschriften und Regeln ihrer Religion will Chana Boteach nicht überwinden. Masturbation von Männern? Verboten. Sex auf Fotos und in Videos? Ebenfalls. Und auch daran sollten sich jüdische Paare laut Chana Boteach halten: Während der Menstruation der Frau – und einige Tage danach - sollen Paare nicht miteinander schlafen.
"Manche Leute sehen darin religiöse Unterdrückung. Sie sagen, dass sich eine Frau während der Menstruation schmutzig fühlt. Ich glaube aber, dass das Judentum hier ein Geheimnis entdeckt hat, in einer Beziehung die Spannung zu erhalten: Das Sex manchmal nicht verfügbar ist."
Für Chana Boteach ist Sex nicht nur eine schöne Nebensache. Es ist Teil ihrer Religion. Im Internet sei sie von manchen religiösen Juden angefeindet worden. Der überwältigende Teil der Rückmeldungen sei aber positiv. Chana Boteach hat mit ihrem koscheren Sex-Shop große Pläne: Schon bald will sie ein Geschäft in New York eröffnen.