José Weber sitzt hinter seinen zig Computermonitoren. "Cockpit" nennt er sein Büro spaßeshalber, denn hier koordiniert er Herzensangelegenheiten in Paris oder Moskau, Spanien oder Argentinien. Damit seine Klienten liebesmäßig Höhenflüge statt Vollcrashes erleben, muss er manchmal streng werden. "Sie schicken bitte keine Fotos. Ganz einfach, weil ich gesagt habe, ich will das nicht. Und sagen sie ihm, nicht etwa weil sie eine hässliche Frau sind, sondern Sie sind eine sehr schöne Frau, was auch stimmt. Und wenn er Interesse hat, sie zu sehen, dann soll er gefälligst bald ein Skype holen. Ok? - Tschüss, Ciao."
"Ich komme mir manchmal vor wie in einem Kindergarten. Die Kinder fangen manchmal an zu revoltieren, dann muss man halt ein bisschen auf den Tisch klopfen, dann sind die wieder ruhig. Anders geht es nicht."
Seit knapp 30 Jahren leitet José Weber Chef die Partnervermittlung Simantov international – und ist damit einer der wenigen jüdischen Heiratsvermittlungen Deutschlands. Eigentlich wollte der 66-jährige Frankfurter längst in Rente gehen, in Israel am Strand liegen und sich die Sonne auf den Bauch scheinen lassen. Aber der Job lässt ihn einfach nicht los.
"Fotos sagen nichts"
Gerade hat er mit einem besonders renitenten Herrn aus Spanien zu kämpfen. Der möchte sein Date aus Hannover partout per Foto statt Video-Telefonat kennenlernen. "Jetzt ruft er sie zum dritten Mal an und erzählt, er hätte kein Skype, er will Fotos haben. Und ich lasse das nicht. Die Fotos sagen nichts. Oder, wie alle Menschen, die schicken immer die ungünstigsten oder blödesten Fotos, das gefällt ihm nicht und dann ... (Telefon klingelt). Da kommt sie wieder."
Jüdische Heiratsvermittler, sogenannte Shadchanim, folgen einer jahrhundertealten Tradition, erzählt Weber, nachdem er die Kundin aus Hannover überzeugt hat, keine Fotos an den feurigen Spanier zu schicken. Schon Abraham soll den Dienst eines Heiratsvermittlers in Anspruch genommen haben, um für seinen Sohn Isaak eine passende jüdische Frau zu finden. "Die Tatsache, dass es heute noch Juden gibt und es immer Juden geben wird, ist, dass wir das einzige Volk auf Erden sind, das es tatsächlich immer wieder gewusst hat, trotz aller Unwägbarkeiten, die wir hatten – es wurden Pogrome, es wurden so viel Juden umgebracht. Ich meine, das größte war die Shoa. Aber davor, ständig wurden Menschen umgebracht, nur weil sie Juden sind. Und trotzdem hat dieses Volk es gewusst, immer wieder innerhalb des eigenen Volkes, dieses Volk zu vermehren. Das ist zum großen Teil durch die Shadchanim, also durch die Heiratsvermittler."
Über 250 Ehen und Partnerschaften hat José Weber schon als Shadcham vermittelt. Früher mit Schreibmaschine, heute läuft alles papierlos übers Internet. Von seinem alten Aktenschrank mit den Klientendateien kann er sich trotzdem nicht trennen, erzählt der lebhafte Mann mit strahlend blauen Augen – auch wenn ihn seine junge Arbeitskollegin und Unternehmenspartnerin dazu drängt. "Hier, das sind die Herren, das sind die Damen. So sind die alle. Vorname, Nachname. Hier steht Religion – religiös, traditionell, liberal oder anders. Ob der Mensch den Schabbat einhält, wie viel er zur Synagoge geht, ob er einen koscheren Haushalt führt und so weiter."
In seiner Kartei finden sich ausschließlich Juden und Jüdinnen. Ob eher liberal oder streng orthodox – sie alle suchen einen Partner gleichen Glaubens. Gar nicht so einfach.
15.00 jüdische Singles suchen einen Partner
In ganz Europa gebe es nur etwa 15.000 jüdische Singles, schätzt Weber. Während eines Besuchs im Café oder der Synagoge den Passenden zu finden, sei deswegen fast unmöglich. Die Erfahrung musste auch Weber vor etlichen Jahren machen. Damals arbeite er noch als Unternehmensberater – und hatte sich von seiner ersten Frau getrennt. "Was soll ich Ihnen sagen, zu meinem großen Schrecken stellt ich damals fest, dass hier in der jüdischen Gemeinde Frankfurt wir noch zu wenig waren. Und ich habe sehr schnell gemerkt: Oh Gott, ich glaube, ich muss alleine bleiben. Eine nicht jüdische Frau wäre für mich aufgrund meiner Art, meiner Erziehung, meiner Wünsche, meiner Träume nie infrage gekommen."
So landete er bei der Partnervermittlung Simantov – als Klient. Denn damals wurde das Unternehmen noch als Ein-Frau-Betrieb von einer Straßburgerin geleitet. An sein erstes Treffen mit ihr erinnere er sich noch ganz genau, sagt Weber. "Ich wartete vor dem Eingang und hatte Angst, da rein zu gehen, weil ich habe mich geschämt, dass ich zu einer Heiratsvermittlerin gehen soll. Aber irgendwo hat die Vernunft bei mir im Kopf gesiegt und die Neugierde, ich bin also reingegangen. Und ich erinnere mich, dass an dem Tag, als ich von dem Hotel wieder zurückging zu meinem Auto, für mich die Sonne wieder schien. Ich weiß bis heute nicht, ob es in Wirklichkeit geregnet hat oder nicht. Aber ich weiß, es war ein Sonnen-Tag für mich, weil ich voller Hoffnung von diesem Termin weggegangen bin. Ich wusste, oh, ich bleibe doch nicht alleine."
Weber heiratete zum zweiten Mal – und übernahm nach einigen Jahren Simantov. In seinem Büro, in dem er früher Unternehmer in Finanz-Angelegenheiten beriet, hängt heute ein Bild von einem Hochzeitspaar. Webers kleiner Tochter hat es gemalt. Mittlerweile ist sie erwachsen, verheiratet und lebt in London. "Gucken Sie mal: Ich wünsche viel Kalles und Chatans, viele Bräute und Bräutigams bei Simantow. Ist das nicht süß!"
Ob es für all seine Kunden ein Happy End als Brautpaar gibt, hänge nicht allein von ihm ab, sagt Weber. Manchmal habe er Glück und zwei Kunden verlieben sich gleich beim ersten Simantov-Date: So erging es kürzlich einer Frau aus Moskau und einem Mann aus Paris. Manchmal könne es aber eben auch zehn Jahre dauern, bis sich ein Partner finde. Letztendlich – sagt Weber – entscheide darüber Gott allein.
"Ich krieg das Gefühl nicht los, dass der liebe Gott aus mir einen seiner Vermittler auf Erden gemacht hat. Auf Hebräisch heißt das ein Shaliach. Ein Shaliach ist – das hört sich in Deutsch ein bisschen geschwollen an – ein Abgesandter Gottes auf Erden. Dieses ganze Leben, das ich bis dahin führte, dass ich geheiratet hatte, dass ich mich habe scheiden lassen, dass ich verzweifelt war, weil ich keine passende jüdische Frau fand, und, und, und. Das war eine Lehre, die Gott mit mir gemacht hat, damit ich später für ihn diese Arbeit tue, die ich heute, Gott sei Dank, mit sehr viel Freude tue."