Ein Starbucks Café im Botschaftsviertel von Peking, vor allem junge Chinesen treffen sich hier. Ein junger Mann tritt ein, er trägt eine Kippa. Chaim Martin aus Israel arbeitet in der israelischen Botschaft gleich um die Ecke, ist orthodoxer Jude - wird aber nicht als solcher erkannt in China:
"Außer dem Rabbi und seinem Assistenten, die für ‚Chabad’ hier sind, bin ich sicher der Einzige in Peking, der im Alltag Kippa trägt. Viele Chinesen wollen aus Neugierde wissen, wieso. Wenn ich mit meiner Kippa in ein Taxi einsteige, dann rufen mir oft die Taxifahrer ein ‚Salam aleikum‘ zu. Die denken, ich bin Muslim. Ich finde das aber nicht weiter schlimm."
"Chinesen haben Respekt vor Juden"
Dabei kamen schon im 9. Jahrhundert jüdische Händler über die Seidenstraße nach China. Und wurden vom damaligen Kaiser respektiert und sogar zu hohen Ämtern zugelassen. Es gibt keine antisemitische Tradition in China. Eher das Gegenteil erlebt Chaim Martin:
"Die Chinesen sehen Juden als erfolgreich an und haben Respekt vor ihnen. Dass Juden angeblich gut mit Geld umgehen können, das sehen sie hier positiv."
In China gehört das Judentum nicht zu den fünf offiziell anerkannten Religionen, die Gotteshäuser führen dürfen, aber der strengen Kontrolle des Staates unterworfen sind.
"Wir sind so wenige, so unbedeutend"
Die Juden agieren in einer Grauzone, in der sie öffentlich nicht auffallen sollten. Sie werden toleriert, stehen aber nicht unter staatlichem Schutz. Chinesen dürfen nicht an den Gottesdiensten teilnehmen. Die Regierung fürchtet den ausländischen Einfluss. Chaim Martin sieht keine Einschränkungen für sich und seine Familie.
"Ich glaube nicht, dass das Judentum in China eine Gefahr darstellt. Wir sind so wenige, so unbedeutend. Die Juden wollen auch nicht andere zum Judentum bekehren."
Das moderne Haus der international aktiven, streng-religiösen Chabad-Bewegung sieht allerdings recht stolz und selbstbewusst aus. Ihre Synagoge nennen sie für die Öffentlichkeit lieber ganz weltlich Community Center, intern aber heißt sie nach altem jiddischem Brauch "Schul". Und in der Tat unterrichten sie dort Kinder und Erwachsene z. B. in Hebräisch oder in allem, was für die Bar Mitzwa und die Bat Mitzwa zu lernen ist – die jüdische Konfirmation, um es salopp zu sagen.
"Hier kommen eigentlich nur Juden rein"
Die Schul mit Platz für 70 Personen liegt im Stockwerk über dem einzigen koscheren Restaurant Pekings. Es riecht gut nach frischen Challah-Brötchen. Die Karte gibt es nur auf Englisch, nicht auf Chinesisch. Die chinesische Kellnerin erklärt:
"All diese Speisen sind koschere Speisen. Das ist eine Art der Zubereitung, wie sie es in Israel machen. Dies ist kein offizielles Restaurant, es ist angeschlossen an die Synagoge, daher kommen hier eigentlich nur Juden rein. Daher können wir keine Rechnung ausstellen und man kann nicht mit Kreditkarte zahlen."
Der Rabbi, der seit über 15 Jahren die Gemeinde leitet, möchte sich nicht äußern. Die chinesische Regierung sei sehr gut zu ihnen, lautet seine knappe Message. Es ist wie bei anderen Religionen in China auch: Man bekommt kaum Gesprächspartner, alle haben Angst um ihre Existenz.
Auch die Frau des Rabbis, die das Restaurant führt, gibt lieber kein Interview. Für sie spricht ihr Essen, das den jüdischen Geschäftsreisenden, die an den Tischen sitzen, zu schmecken scheint: Humus, Pita-Brot, Schnitzel mit Kartoffelsalat. Die Sonne strahlt durch die großen Fenster und alles sieht friedlich aus bei der kleinen Gruppe der Juden in China.