Wer in Köln vom zentral gelegenen Neumarkt in die Richmodstrasse einbiegt und nicht nur in sein Handy guckt, sieht plötzlich mitten auf dem Bürgersteig einen großen messingfarbenen Davidstern, eines der Symbole des Judentums. Aaron Knappstein, Mitte 40, schlank und mit dunkelblondem Haar, ist Mitglied der liberalen jüdischen Gemeinde von Köln und ehrenamtlicher Mitarbeiter des NS-Dokumentationszentrums der Stadt. Er hat ein, wie er sagt, "bezahltes Hobby", er macht Stadtführungen durch das Jüdische Köln.
Fahne Israels in Köln erfunden?
"Also in der Richmodstrasse 6, in dem Vorgängerbau, der hier mal stand, war das so, dass hier die Familie Bodenheimer lebte. Und in dieser Richmodstrasse 6 wurden sehr viele grundlegende theoretische Schriften für die Entstehung des Staates Israel geschrieben. Der Zionismus war ja vor dem Krieg in den ganzen Jahrzehnten keine große Bewegung in Deutschland, die meisten deutschen Jüdinnen und Juden verstanden sich als Deutsche und hätten sich im Leben nicht vorstellen können in irgendeinen Staat im Nahen Osten zu ziehen. Was viele auch nicht wissen, dass die Fahne Israels, so wie wir sie heute kennen, genau so, mit blau-weiß, mit den Streifen, mit dem Davidstern hier in Köln erfunden wurde und zwar höchstwahrscheinlich genau an dieser Stelle, in der Richmodstrasse 6."
Max Bodenheimer stammte zwar aus Stuttgart, zog dann aber nach Köln und lebte mit seiner Familie hier in der Richmodstrasse 6.
Ein enger Freund und Mitarbeiter von Bodenheimer war David Wolffsohn. Er war ebenfalls überzeugter Zionist und wohnte, wie Bodenheimer, in Köln. Zusammen verfassten sie wichtige theoretische Schriften der zionistischen Bewegung. Bodenheimer war der Nachfolger von Theodor Herzl als Präsident der zionistischen Bewegung, deshalb befand sich deren Zentrale nach Herzls Tod in Köln.
"Wir erlauben, Juden in den Rat zu berufen"
Doch Kölns Geschichte ist schon viel länger mit dem Judentum verbunden, seit rund 2000 Jahren. Im Jahr 50 n. Chr. hatte die kleine Siedlung römischer Soldaten und deren Familien durch den römischen Kaiser Claudius den Status einer Stadt römischen Rechts mit dem Namen Colonia Claudia Ara Agrippinensium erhalten. Mit den Römern kamen auch Juden in die Stadt, nicht nur als deren Sklaven, sondern auch als freie römische Bürger, Gewerbetreiber und Lehrer.
Zwar gab es, seit die Römer Germanien besetzt hatten, schon andere kleine jüdische Gemeinden am Rhein und an der Mosel, doch erst seit dem Oktober des Jahres 321 ist die Existenz einer von ihnen, nämlich der Gemeinde in Köln, dokumentiert.
Sie gilt somit als die erste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen, deren Existenz nachgewiesen ist. Ein neues Museum, mit Namen Miqua soll an diese besonders lange Geschichte erinnern. In einem Dekret sandte der römische Kaiser Konstantin damals ein Schreiben an die römische Verwaltung von Köln, in dem es heißt "Wir erlauben allen Behörden, Juden in den Rat zu berufen."
Dazu sagt Thomas Otten, der Direktor des Museumsprojektes Miqua:
"Das ist ja ein Dekret von Konstantin, es gibt übrigens zehn Jahre später 331, nochmal eine Wiederholdung dieser Vorschrift, die reichsweit Gültigkeit hatte, die also nicht nur Köln betraf sondern auch die anderen Städte, aber für Köln ist die Abschrift überliefert. Das Original liegt ja in den vatikanischen Museen und ist also eine Urkunde, die dem Kölner Stadtrat genehmigt, erlaubt, Juden für den Rat in der Kurie der Stadt zuzulassen."
Das bedeutet, dass es schon sehr lange Juden gibt in Köln. Es bedeutet aber auch, dass Juden gemäß ihrem hohen sozialen Status für den Stadtrat überhaupt infrage kamen, denn für die Mitglieder dieses Gremiums war diese Ehre sehr teuer und viele versuchten deshalb, sich ihr zu entziehen.
Prekäre Rechtsstellung
Dennoch war die Rechtsstellung der Juden in Köln, im Gegensatz zum Römischen Reich, wo sie als gleichberechtigte Bürger galten, im Mittelalter prekär. Das zeigt auch eine Steintafel im Kölner Dom, mit dem in lateinischer Sprache verfassten Schutzversprechen des Erzbischofs Engelbrecht von Falkenburg aus dem Jahre 1266. Er versicherte, dass den Juden wieder alle früheren Rechte eingeräumt würden.
Das Museumsprojekt Miqua hat viel zu erzählen.
Thomas Otten: "Miqua hört sich ja erstmal ein bisschen ungewöhnlich an. Miqua ist die Abkürzung für Museum im Quartier, und genau darum geht es, es geht also um den Bau eines Museums (im ehemaligen) im Quartier rund um den Rathausplatz und auf dem Rathausplatz. Wir haben also hier ein Quartier, ein Stadtquartier, das das Herz der Stadt Köln darstellt und wo wir über 2000 Jahre Stadtgeschichte verfolgen können. Das wird das Hauptthema unseres Museums sein."
Gegen das Museum gab es auch Proteste und Unterschriftenaktionen. Es koste zu viel Geld, das die Stadt dringend brauche. Es solle an einen anderen, weniger zentralen Platz. Doch es wird gebaut. Miqua, ein Name, der sofort die Assoziation zur Mikwe, dem rituellen jüdischen Tauchbad auf dem Kölner Rathausplatz weckt. War das Zufall?
Thomas Otten: "Die Namensfindung war an dem Punkt ein Zufall, aber natürlich ein glücklicher und die Mikwe ist tatsächlich dann später in unserem Museum eines der Hauptdenkmäler, die wir da präsentieren. Sie liegt ja mitten im Museumsneubau beziehungsweise im Untergrund, und ist eines der wichtigsten Denkmäler aus dem mittelalterlichen jüdischen Köln, die auch in ihrer Monumentalität und in ihrer Erhaltung als eine der besterhaltenen mittelalterlichen Mikwen ist, die es überhaupt gibt in Europa."
Ein anderes mittelalterliches Dokument ist die in eine Mauer gemeißelte Inschrift in lateinischer Sprache, die bei den Grabungen auf dem Rathausplatz gefunden wurde:
Thomas Otten: "Die Inschrift ist also eine ganz Spannende, weil wir sie ja auch noch in situ, also an Ort und Stelle im später im Museum dann zeigen werden können. Das ist eine Inschrift, die befindet sich an einem zugemauerten Türdurchgang, der sich also in einem Keller der Gebäude des jüdischen Viertels befunden hat. Und da steht in Hebräisch geschrieben, übersetzt: Dies ist der Ort oder die Öffnung durch die der Unrat, die Fäkalien ihren Weg genommen haben. Es ist also ein Verbringungsloch, oder eine Öffnung, durch die man unteririsch eine Latrine geleert hat und wenn man sich ansieht, wo diese Latrine lag, die lag nämlich im Bereich des Synagogenhofes, dann war es klar, dass man an der Stelle nicht in Richtung Synagoge wandern wollte, also hat man die quasi unterirdisch geleert. Das ist also ein ganz ganz besonderes Special unseres Museums, das wir so eine Momentaufnahme des Alltagslebens in diesem mittelalterlichen jüdischen Viertel hier zeigen können."
Pestpogrom von 1349
Bis zu den Pestpogromen 1348 bis 1350 lebten Christen und Juden ziemlich friedlich miteinander in Köln, im Jüdischen Viertel. Dort gab es eine Synagoge mit Mikwe, ein Hochzeits- und Spielhaus, eine Bäckerei und ein Hospiz. Im Jahre 1340 waren 75 Häuser in jüdischem Besitz.
Dann jedoch, als die Pest Mitte des 14. Jahrhunderts auch in Köln ausbrach und die Juden weitgehend verschonte, gab man ihnen die Schuld an der Seuche. Der versprochene Schutz wurde ihnen entzogen.
Thomas Otten: "1424 war das Jahr, wo der Stadtrat der Kölner Rat beschlossen hat, dass Juden kein Aufenthalts- und Bleiberecht mehr im Linksrheinischen mehr haben. Sie wurden vertrieben. Es hat im Vorfeld natürlich schon wiederholt Übergriffe auf das jüdische Viertel gegeben, das große Judenpogrom von 1349, das sogenannte Pestpogrom, wo das Viertel in großen Teilen zerstört wurde, niedergebrannt wurde. Direkt gegenüber in Köln Deutz siedeln sich Juden an, andere gehen weiter weg nach Frankfurt beispielswese, oder auch aufs Land. Also die Geschichte des Landjudentums ist aufs engste mit dieser Entwicklung des Spätmittelalters verknüpft."
In den rechtsrheinischen Stadtteilen Deutz und Mülheim gab es schon bald eine lebendige jüdische Gemeinde, es gab Bethäuser und 1698 wurde in Deutz ein jüdischer Friedhof eröffnet.
Dieser wird heute nicht mehr für Bestattungen genutzt, kann aber nach Anmeldung bei der Synagogengemeinde besucht werden.
In Deutz wurde 1819 auch einer der weltweit bekanntesten Kölner Juden geboren, der Komponist Jacques Offenbach. Dessen Vater Isaac hatte mit der Familie in Deutz gewohnt. Als Juden sich von 1798 an, während Köln preußisch war, wieder im linksrheinischen Köln niederlassen durften, war er dorthin übergesiedelt. Isaac Offenbach wurde Kantor der ersten Kölner Synagoge der Neuzeit, in der Glockengasse. Sie wurde vor allem mit Geld der jüdischen Familie Oppenheim gebaut, die viel für die Stadt Köln getan hat. So hat beispielsweise Abraham Oppenheim Ende des 19. Jahrhunderts die Vollendung des Kölner Doms mitfinanziert. Das Bethaus in der Glockengasse, kurz nach 1804 erbaut, war ein einfaches Gebäude für 120 Personen. Als es zu klein wurde, erklärte sich 1856 der wohlhabende Abraham von Oppenheim bereit, den Bau einer neuen Synagoge am bisherigen Standort in der Glockengasse zu finanzieren.
Eine kleine Plakette am Opernhaus
Während des Novemberpogroms 1938 wurde das Gebäude in Brand gesetzt und zerstört. An die Synagoge erinnert nur noch eine kleine Plakette an einer Seite des Opernhauses.
Aaron Knappstein führt Besucherinnen und Besucher auf seinem Weg durchs Jüdische Köln auch zur versteckt liegenden St. Apernstraße mit der Erinnerungsplakette an die 1884 erbaute orthodoxe Synagoge und an den stillen Platz vor dem kleinen Museum und Erinnerungsort Jawne. Die historische Jawne war eine 1919 gegründete jüdische Realschule für Knaben und Mädchen.
Aaron Knappstein: "In der St. Apernstrasse da stand nicht nur die Schule, sondern da stand auch die orthodoxe Synagoge Kölns. Die war dort erbaut, weil die orthodoxe Gemeinschaft in Köln immer größer wurde, vor allen Dingen, weil im 19. Jahrhundert dann auch das orthodoxe jüdische Lehrerseminar von Düsseldorf nach Köln zog und brachte die Familie mit und deswegen gab es dann irgendwann diesen Wunsch, eine eigene Synagoge zu bauen. Und daher hat man dann dort die orthodoxe Synagoge gebaut."
Gab es damals schon die strikte Trennung zwischen dem orthodoxen und dem liberalen Judentum? Während in einem orthodoxen Gottesdienst ein gemischter Chor von Männern und Frauen mit Orgelbegleitung undenkbar ist, gab es in der 1899 erbauten liberalen Synagoge in der Roonstraße Orgelmusik.
Aaron Knappstein: "1906 war das, dann erst haben sich die Richtungen getrennt. Vorher war das so, es gab verschiedene Synagogen unter einem Dach, mit verschiedenen Richtungen, man hatte aber einen Synagogenvorstand. Und diese Trennung, die fand dann erst statt, als die Orgel eingebaut wurde. Und das war den Orthodoxen dann zu viel, das war dann zu christlich. Und dann hat man sich entschieden (eine) einen eigenen Verband zu gründen. Und dann hat man sich auch erst entschieden, diese eigenen Schulen zu gründen."
Olivenbäume säumen den stillen Platz
Neben der Synagoge wurde 1919 die jüdische Schule Jawne eröffnet, eine Schule für Knaben und Mädchen.
Aaron Knappstein: "Die Jawne und auch die Morijah, also die Grundschule, die dort hier in der St. Apernstraße waren, waren beide Schulen der orthodoxen Gemeinde Köln. Und da gingen auch hauptsächlich anfänglich ausschließlich Kinder aus orthodoxen Familien hin. Erst später, als die jüdischen Kinder nicht mehr auf die allgemeinen Schulen gehen durften, da gingen sie eben auch auf die Jawne, die Kinder aus den liberalen Familien."
An dem von Olivenbäumen begrenzten stillen Klibansky Platz vor dem kleinen Gebäude, das mit Ausstellungen und Vorträgen an die Jawne erinnert, gibt es in der Mitte einen prächtigen Brunnen, gekrönt von einem Löwen von Juda. Auf seinem Sockel kann man die Namen der 1100 von den Nazis ermordeten Kölner Kinder lesen. Einige der Kinder, die in der Jawne gelernt hatten, konnte der damalige Rektor Erich Klibansky retten, indem er sie nach England brachte.
In vielen deutschen Großstädten stand ein Kaufhaus von Tietz. In Köln stand das erste. Heute ist dort ein Kaufhof. Das Grabmonument der Familie Tietz, auf dem 1919 eröffneten jüdischen Friedhof in Köln-Bocklemünd, wurde im Zweiten Weltkrieg von einer Fliegerbombe getroffen und zerstört. Nach dem Krieg wurde es sehr viel schlichter im Stil der 50er-Jahre wieder aufgebaut.
Aaron Knappstein: "Der älteste bekannte jüdische Friedhof, da man ja davon ausgeht, dass die Juden mit den Römern gekommen sind, gab es natürlich schon etliche vorher, war der vor dem Severinstor, am Judenbüchel oder auch zum Toten Juden genannt, aus dem 12. Jahrhundert. Dieser Friedhof existierte bis, (auf jeden Fall bis) 1424 bis die Juden aus dem linkrheinischen Köln vertrieben wurde. Und damals musste man, also das müssen sie sich dann so vorstellen, dass zum Teil die Juden aus Deutz und aus Mülheim mit dem Boot dann gefahren werden mussten bis vor den Ubierring dahinten und dann gingen die an Land und wurden noch mit dem da rüber Wagen gefahren."
Heute erinnern im Friedhof Bocklemünd nur noch anonyme Grabstellen mit umgebetteten Gebeinen und ein paar Grabplatten an den alten Frieden vor dem Severinstor. Inzwischen befindet sich dort der Großmarkt von Köln.
Das eindrucksvollste jüdische Gebäude im heutigen Köln ist die schöne, im romanischen Stil erbaute Synagoge in der Roonstraße, westlich der Kölner Ringe. Sie wurde 1899 eingeweiht, und ist das Zentrum der liberalen Gemeinde, wobei das liberale Judentum damals in liturgischer Hinsicht etwas anders war als heute. Damals saßen auch im liberalen Gottesdienst Männer und Frauen getrennt voneinander. Deshalb gibt es in der Roonstraße auch eine Empore für die Frauen.
Adenauers Zeichen
Die Synagoge wurde in der Pogromnacht 1938 zum Teil zerstört und im Zweiten Weltkrieg von einer Fliegerbombe getroffen. Sie wurde von dem jüdischen Kölner Architekten Helmut Goldschmidt wieder aufgebaut und am 20. September 1959 eingeweiht. Abraham Lehrer, Vorstandsmitglied der Kölner Synagogengemeinde und Vizepräsident des Zentralrates der Juden in Deutschland erklärt, wem das vor allem zu verdanken war: "… auf Wunsch, auf Hinweis, und vor allen Dingen mit der finanziellen Hilfe des damaligen Bundeskanzlers beziehungsweise Oberbürgermeisters Konrad Adenauer. Er wollte in Deutschland und er wollte außerhalb Deutschlands zeigen, dass Juden doch in Deutschland wieder leben. Weil die jüdischen Organisationen damals hatten die Marschroute ausgegeben, Juden leben nicht mehr in Deutschland, es wird keine Juden mehr in Deutschland geben. Das war nicht so, 50 waren direkt nach 45 schon hier. Das ist dann auch im Laufe der ersten 12, 24 Monaten auf 200 angestiegen."
Die Synagogengemeinde Köln hat nicht nur in der Roonstraße einen Ort. Im Kölner Viertel Neu-Ehrenfeld, wo vor 1938 viele Juden gewohnt hatten, befindet sich heute im ehemaligen jüdischen Krankenhaus das Jüdische Wohlfahrtszentrum mit Altenheim, Kindergarten, Bibliothek und einem Versammlungsraum. Es gibt auch zwei kleine Begegnungszentren, in denen gelegentlich Gottesdienste abgehalten werden in Kölner Vororten.
Abraham Lehrer: "Wir sind eine orthodox geführte Einheitsgemeinde, das heißt, die Ausrichtung des Gottesdienstes ist orthodox. Die Veranstaltungen, die wir durchführen, sind orthodox ausgerichtet, wir beachten die Kaschrut-Regeln, wir beachten die Schabbat Regeln im strengen Sinn. Wir verstehen uns aber als Einheitsgemeinde."
Der Vorstand hat zwar schon des Öfteren probiert, einen Gottesdienst in liberalem Ritus durchzuführen, ist aber damit nicht auf Gegenliebe gestoßen. Die Gemeindemitglieder, die zum überwiegenden Teil aus Ländern der früheren Sowjetunion stammen, seien sehr traditionell, sagt Abraham Lehrer:
Abraham Lehrer: "Wir haben mal probiert, ganz zu Anfang der Zuwanderung, einen russisch-sprachigen Gottesdienst anzubieten. Keine Erfolgsgeschichte."
Die aus dem Ostblock stammenden Mitglieder der Gemeinde sagten, ein Gottesdienst müsse in Hebräisch gehalten werden, so wie es ihnen ihre Eltern und Großeltern berichtet hätten.
Gefragt, ob es ein besonders Gefühl sei, Mitglied des Vorstandes der ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen zu sein, antwortete Abraham Lehrer: "Nein, es ist keine besonders Gefühl. Es ist etwas, das einen ab und zu mit Stolz erfüllt, was einem ab und zu hilft in Gesprächen, wenn es um die besonderen Bedürfnisse dieser Gemeinde geht, wenn man darauf zu verweisen kann, dass man ja schon einige Tage auf dem Buckel hat. Aber es ist kein besonders Gefühl."
Die Synagogengemeinde in der Roonstraße hat zur Zeit etwas über 4000 Mitglieder.
Vor 1938 lebten rund 20.000 Juden in Köln. Pro Liste, die die Nazis führten, sind die Namen von 11000 Juden verzeichnet, die deportiert wurden. Wenn man die nicht registrierten Transporte dazu zählt, waren es sehr viel mehr.
An die Juden Kölns, die von den Nazis umgebracht wurden, erinnern auch die Stolpersteine, die der Kölner Bildhauer Gunter Demnig herstellt - kleine Vierecke aus Messing auf einem Betonklotz, mit dem Namen, dem Todesort und Todesjahr eines im KZ ermordeten oder vor Erschöpfung im Lager gestorbenen jüdischen Kölners. Gunter Demnig verlegt sie im Straßenpflaster vor dem Haus, in dem der Tote gelebt hatte. Manchmal sind es vier oder mehr Stolpersteine nebeneinander, ganze Familien.
1945, nach Kriegsende, kamen 50 Menschen in die Ruinen der Synagoge an der Roonstraße zusammen. Das jüdische Köln war Vergangenheit.
Heute tanzen jüdische Gemeindemitglieder jedes Jahr zu Beginn von Chanukka, dem jüdischen Lichterfest im Dezember, vor dem Rathaus, wenn der Rabbiner der Gemeinde die erste Kerze des achtarmigen Chanukkaleuchters feierlich entzündet. Die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen lebt.