Zwei Autoren sprechen über ihre Debütromane und darüber, warum sie jungen Lesern von der deutschen Geschichte erzählen. Wer sich anpasste, beugte sich dem Unrecht. Judith Burger und Johannes Herwig schaffen für ihren jeweiligen Debütroman junge Helden, die ihren eigenen Weg in schwierigen Zeiten finden.
Johannes Herwig: "Bis die Sterne zittern"
"Die Jugend zwischen 12 und 18 ist extrem prägend für das Finden seines Weges, seiner Identität. Ich wollte den Protagonisten zeichnen als jemanden, der schon ein Gefühl dafür entwickelt hat, dass er nicht einverstanden ist mit dem, was ihn umgibt.
Die Leipziger Meuten haben sich die Straße zurückerobert. Die HJ Bannführung Leipzig Süd hat sich bei der Polizei beschwert, dass sie in einigen Straßenzügen irgendwie gar nicht mehr richtig zu Potte kommen, weil da überall irgend welche Klicken abhängen und ihre Streifen verprügeln. Das hat relativ schnell das Regime härter auf den Plan gerufen. Leute wurden verhaftet und in Jugendschulungslager gesteckt, um sie wieder auf die richtige Bahn zu bekommen.
Der komplette Tag war der Diktatur, war der Ideologie untergeordnet. Dieser Freiheitsdrang, dieses Streben nach einer eigenen Jugendkultur hat diese Kids zusammen gebracht.
Die Leipziger Meuten haben den Staat verunsichert. Es ging darum, sich ein Stück Freiheit zurück zu holen. Sich eine andere Kleidung anzuziehen und oder die Haare sich etwas länger wachsen zu lassen, als das alle Anderen taten, (das waren) hoch politische Entscheidungen. Die wirkliche Politisierung kam bei vielen erst später dadurch, dass sie alle sofort verfolgt wurden deswegen."
Judith Burger: "Gertrude Grenzenlos"
"Ina ist ja in dem System DDR groß geworden. Für sie ist das alles normal, Schule, Pioniernachmittag, die ganzen Regeln, die man so hat. Man weiß genau, was der Lehrer hören will, an bestimmter Stelle, was man dann sagt, damit man auch eine gute Zensur bekommt.
Wir haben ja jedes Jahr den 9. November, den Tag des Mauerfalls, der ja in Leipzig sehr groß begangen wird mit einem Fest und vielen Reden. Und dann habe ich meinen Sohn gefragt, Mensch, habt ihr in der Schule mal drüber geredet, was wir gerade für einen besonderen Tag hatten? Und da stellte sich heraus, dass er gar keine Ahnung hatte, dass es gar kein Thema in der Grundschule ist.
Die Mutter ist erstaunt von dem Mut ihrer Tochter Ina, weil Ina für ihre Freundin kämpft. Als ihr bewusst wird, was diese Freundschaft für Ina bedeutet, lässt sie die Angst hinter sich. Wenn man das ein paar Jahre vorwärts dreht, ist das Bewusstsein der Mutter sicher so weit, dass sie sich der Friedensbewegung anschließt."
Judith Burger: "Gertrude grenzenlos"
Ulrike Möltken (Illustr.)
Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 240 Seiten, 12,95 Euro
Ulrike Möltken (Illustr.)
Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 240 Seiten, 12,95 Euro
Johannes Herwig: "Bis die Sterne zittern"
Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 256 Seiten, 14,95 Euro
Gerstenberg Verlag, Hildesheim, 256 Seiten, 14,95 Euro