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Judoka Anna-Maria Wagner
Der lange Weg zurück aus der Depression nach Olympia

Anna-Maria Wagner wurde 2021 Judo-Weltmeisterin und gewann zwei Mal Bronze bei den Olympischen Spielen in Tokio. Dann rutschte sie in eine „Post-Olympia-Depression“, sie wollte sogar ihre Karriere beenden. Der Weg zurück auf die Wettkampf-Matte ist mühsam.

Von Johannes Seemüller |
Judoka Anna-Maria Wagner hat den Kopf in den Händen vergraben
Judoka Anna-Maria Wagner gewann bei den Olympischen Spielen in Tokio zwei Broinszemedaillen und rutschte danach in eine Depression (picture alliance/dpa)
Siegerehrung Olympische Sommerspiele 2021 in Tokio. Anna-Maria Wagner gewinnt zwei Bronzemedaillen im Judo. Eine im Einzel, eine im Teamwettbewerb. Damit krönt die 25-Jährige das erfolgreichste Jahr ihrer sportlichen Karriere. Denn erst wenige Wochen zuvor ist sie Weltmeisterin geworden.
Als sie aus Tokio nach Deutschland zurückkehrt, wird sie von Familie und Freunden empfangen. „Dann war es erst zwei Wochen schön, da hat man dies und das gemacht. Es gab Ehrungen, und dann, ja, dann kam nichts.“
Sie fällt in ein Loch. Nach fünf intensiven Jahren inklusive Olympia-Qualifikation ist Wagner körperlich und mental erschöpft. Sie erkrankt an einer sogenannten „Post-Olympia-Depression“.

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Die Athletin fühlt sich antriebslos, sie schläft schlecht, hat keinen Spaß mehr am Sport. Der sonstigen Frohnatur kommen oft die Tränen. „ Also, ich bin schon an schlechten Tagen sehr, sehr sensibel. Wenn ich dann über irgendwelche Sachen spreche, kann es sein, dass ich dabei weine.“

Hilfe durch Sportpsychologen

Gut, dass die Spitzensportlerin den schweren Kampf um ihre mentale Gesundheit nicht alleine bestreiten muss. „Ich hatte Gott sei Dank das Glück, dass ich den Sportpsychologen hatte und eben auch ein kleines, tolles Umfeld, dir mir durch die Zeit super geholfen haben und immer für mich da waren.”
Ende 2021 hat sie das Gefühl, das Schlimmste überstanden zu haben. Voller Tatendrang will Wagner ins neue Jahr starten. Dann kommt der nächste Rückschlag. Sie wird positiv auf Corona getestet.
„Das hat mir noch mal richtig den Boden unter den Füßen weggezogen. Da hin ich in meiner Wohnung. Ich habe in den ersten sieben Tagen das Bett fast gar nicht verlassen. Ich lag infach nur da und habe nichts gemacht, weil ich einfach so traurig und sauer war, dass dieser Jahresanfang so beschissen angefangen hat.”

Zweifel am Leistungsssport

Anna-Maria Wagner grübelt viel. Ihr kommt der Gedanke, ganz mit dem Leistungssport aufzuhören. „Ach, vielleicht sollte es das gar nicht mehr sein. Ich höre einfach auf damit. Vielleicht geht es mir da mit besser, weil es mich richtig zurückgehauen hat. Dann habe ich wirklich überlegt: Was wäre denn, aufzuhören?“
Doch seit Mitte Januar trainiert sie wieder. Es fehlt zwar nach wie vor die Begeisterung, aber das Training strukturiert zumindest ihren Tagesablauf. Sie versucht, wieder Spaß am Judo zu finden. Ende März möchte sie wieder auf der Wettkampfmatte stehen.
„Aber ich mache mir keinen Druck. Ich lasse das Training weiterlaufen, ich versuche zu steigern, und gucke einfach, wie ich darauf reagiere. Und wenn das alles gut läuft, dann wer de ich auf jeden Fall an den Start gehen. Aber wenn ich das Gefühl habe, ich stehe nicht zu hundert Prozent dahinter oder ich bin noch nicht hundert Prozent fit, dann werde ich es nicht machen.“
Noch ist nicht sicher, wohin ihre sportliche Reise gehen wird. Vielleicht ist das momentan aber auch gar nicht wichtig. Denn die Gesundung der Ravensburgerin steht an erster Stelle.