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Jüdische Feiertage
Die Chabad-Bewegung und das Pessachfest

Pessach steht vor der Tür. Die meisten Juden feiern dieses Fest. Wenn sie weit weg sind von ihrer Familie oder von einer jüdischen Gemeinde, haben sie ein Problem. Mit wem feiern? Diese Lücke füllen die Anhänger der Chabad-Bewegung. Sie sind streng religiös und bieten Pessach-Seder an, also das traditionelle Festmahl, auch für weniger fromme Juden.

Von Lissy Kaufmann |
    Festtafel mit symbolischen Speisen zum Pessachfest
    Ein klassisches Sedermahl - die Chabad-Bewegung will es überall und für alle Juden möglich machen (Picture Alliance / dpa / Robert B. Fishman)
    An einem sonnigen Frühlingstag wird hier in Kfar Chabad nahe Tel Aviv unter einem Zeltdach an langen, mehlbestäubten Tischen geknetet und gewalzt. Schulklassen und Familien formen den Teig zu handtellergroßen Fladen. Ultraorthodoxe junge Männer mit Kippa schieben die Fladen in einen Ofen. Wenige Sekunden später sind sie fertig, die Matzen, also die ungesäuerten Brote, die Juden an Pessach essen und dabei an den Auszug aus der Sklaverei in Ägypten erinnern.
    "Es geht darum, andere zu erreichen"
    Die jungen Religiösen, die das Matze-Backen für Besucher organisieren, sind Lubawitscher - Anhänger von Chabad, einer strengreligiösen Strömung innerhalb des Judentums. Anders als andere Ultraorthodoxe, leben sie nicht abgeschottet, erklärt Israel Aschkenasi, der sich um die Chabad-Aktivitäten in ganz Israel kümmert:
    "Es geht darum, andere zu erreichen, andere Juden, aber auch Nicht-Juden. Wir glauben, dass wir Göttlichkeit in die Welt bringen können. Das ist die Philosophie von Chabad. Wir glauben nicht nur, dass Gott die Welt erschaffen hat, sondern auch, dass Gott in allem steckt."
    Die Lubawitscher gehen auf die Menschen zu. Man sieht sie freitags in der Nähe von Märkten und Einkaufszentren im ganzen Land, wo sie kleine Klapptische aufstellen und Männer ansprechen, doch auch mal die Gebetsriemen anzulegen und ein Gebet zu sprechen.
    "Wenn du einen Orthodoxen auf der Straße siehst, der dich anlächelt, ist es wahrscheinlich ein Lubawitscher",beschreibt Israel Aschkenasi die Offenheit von Chabad.
    Ein Studierzimmer im Chabad-Haus in Kfar Chabad - mit Thora und Büchern. (Foto: Lissy Kaufmann)
    Von den Studierzimmern tragen die Lubawitscher ihren Glauben hinaus in die Welt (Lissy Kaufmann)
    Der Mann, der diese Philosophie geprägt hat, war Rabbi Menachem Mendel Schneerson. Ein Bild von ihm hängt hier, in Kfar Chabad, in nahezu jedem Haus. Überall in Israel ist sein Konterfei auf Plakaten zu sehen: Ein älterer Mann, mit bauschigem, weißen Bart und schwarzem Hut. Er rief seine Anhänger dazu auf, überall in der Welt aktiv zu sein. Vor allem an Feiertagen, wie jetzt zu Pessach, ziehen die Chabad-Häuser Gäste an.
    "Heutzutage finden zigtausende Juden, egal, wo auf der Welt sie sich befinden, bei Chabad ein Zuhause. Vor allem jetzt für das Pessach-Seder, das Festmahl, dieses Symbol für Familie und Zusammenhalt. Man sagt: 'Wohin man auch geht in der Welt, findet man zwei Dinge: Coca-Cola und Chabad.' Vor allem jetzt an Pessach. Wohin man auch geht, kein Jude soll ohne Pessach-Seder dastehen. Überall auf der Welt wird er eine Chabad-Familie finden, die ihre Türen öffnet und ihn zum Pessachfest einlädt",
    erklärt Rabbi Zev Slavin, der heute durch das Gebäude mit roten Backsteinen in Kfar Chabad führt. Das sieht haargenau so aus, wie das Original in New York. In jenem Haus befand sich einst das Büro von Rabbi Schneerson, der 1994 starb. Er hatte keine Nachfahren.
    Von New York bis Kathmandu
    Doch seine Botschaft bleibt. Heute ist das New Yorker Original Sitz der internationalen Chabad-Bewegung, die Gesandte in alle Welt schickt. Über 4000 Familien leben in dutzenden Ländern. Auch an eher ungewöhnlichen Orten findet man Chabad, wie in Kathmandu in Nepal, wo eines der größten Pessach-Festmahle mit über 1500 Gästen stattfindet. Meni Schneerson hat ein halbes Jahr lang dort gelebt:
    "Eine Gemeinde gibt es in Nepal nicht, aber viele, viele Reisende aus Israel und Juden aus anderen Ländern, die das Chabad-Haus brauchen - zum einen als praktische Hilfe in einem fremden Land, um sich dort zurechtzufinden, zum anderen wegen spiritueller Begleitung. Und auch für alle jene, die koscher essen, als Anlaufstelle, um koscheres Essen zu bekommen."
    Ein rotes Backsteingebäude in Kfar Chabad - es ist baugleich mit dem Original von Rabbi Schneerson in New York. (Foto: Lissy Kaufmann)
    Das rote Backsteingebäude in Kfar Chabad gleicht dem Original in New York (Lissy Kaufmann)
    Fast missionarisch wirkt die Arbeit von Chabad und ist daher nicht ganz unumstritten. Doch sie wollen aus weniger Religiösen keine Orthodoxen machen, sagen sie, ihnen aber zumindest die Thora und die Gebote näher bringen.
    Die weltweite Arbeit ist möglich, weil Chabad, anders als andere Ultraorthodoxe, der modernen Welt offen gegenübersteht, erklärt Israel Aschkenasi:
    "Wir praktizieren das Judentum extrem orthodox, geradezu fanatisch. Aber wir sind offen. Rabbi Schneerson war der Erste, der neue Technologien genutzt hat. Als andere Orthodoxe noch fragten: 'Wie kann man nur einen Fernseher haben?' Da hatte der Rabbi bereits Satellitenschüsseln aufgestellt. Seine Botschaft war: Alles ist göttlich, du musst nur wissen, wie du es nutzt, um das in die Welt zu bringen."
    Orthodoxe jüdische Männer backen in der Matzebäckerei in Kfar Chabad die Pessach-Brote
    Koscher in unter 18 Minuten - die Matzebäckerei von Kfar Chabad (Lissy Kaufmann)
    Aber natürlich setzen die Lubawitscher auch auf Tradition: An Pessach werden in Kfar Chabad in einer Bäckerei die ungesäuerten Matzen von Hand gebacken. Besucher können den über 50 Männern hinter Plexiglasscheiben zusehen. Rabbi Menachem Gluckowski leitet die Bäckerei:
    "Ich backe hier mit ein paar Jungs aus allen Teilen des Landes. Wir verarbeiten heute circa 450 Kilogramm von diesem speziellen, handgemahlenen Mehl."
    Maximal 18 Minuten darf der Backprozess dauern, sonst sind die Matzen nicht mehr koscher. Drinnen schuften die Lubawitscher nach den strengen Kaschrut-Regeln, draußen drücken sich Besucher die Nasen an der Scheibe platt. Zugänglich und offen, auch und vor allem an Pessach - Rabbi Menachem Mendel Schneerson hätte bei diesem Anblick sicher seine Freude gehabt.