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Jüdische Unternehmerin im 18. Jahrhundert
Karoline Kaulla - Souverän in der Männerwelt

Erfolgreiche Geschäftsfrau in einer Zeit, in der keine Geschäftsfrauen vorgesehen waren: Karoline Kaulla war "Hofjüdin" im 18. Jahrhundert, betrieb ein Handels- und Kredithaus, wusste Grenzen, die ihr gesetzt waren, zu umgehen. Neben ihrem geschäftlichen Erfolg war Madame Kaulla, wie sie später genannt wurde, auch eine fromme Wohltäterin.

Von Gisela Keuerleber |
    Ende des 18. Jahrhunderts war sie eine der reichsten Frauen Europas. Die Chefin des angesehen Handels- und Kredithauses agierte global, half den Krieg gegen Napoleon zu finanzieren und stellte Kapital zur Gründung der Württembergischen Hofbank bereit. Soweit das Geschäftliche. Das religiöse Leben in ihrem schwäbischen Heimatort Hechingen hat die fromme Jüdin ebenfalls maßgeblich geprägt:
    Sie finanzierte ein traditionelles jüdisches Lehrhaus und sie unterstützte äußerst großzügig arme Familien, jüdische wie christliche. Als Kind wurde sie Chaile oder Kaule genannt, daraus wurde später Madame Kaulla. Die Historikerin Rotraud Ries leitet das Johanna-Stahl-Zentrum für jüdische Geschichte und Kultur in Würzburg.
    "Sie ist schon als junge Frau bekannt geworden und hat Kontakt gehabt, weil sie mit verschiedenen Höfen zusammen gearbeitet hat, und hat da ihren Vornamen für die Unterschrift benutzt und man weiß von ihrem Grabstein, dass sie den Vornamen Kaul bzw. Kaulle trug und dann hat sie unterschrieben, Kaulle Bat Raphael , also Kaulle, die Tochter des Raphael."
    Mit zunehmendem Erfolg der geschäftstüchtigen Kaulle wurde ihr Name zum Firmennamen. Geboren wurde Kaulla 1739 in Buchau in Oberschwaben. Früh half sie im elterlichen Geschäft. Der Vater trieb für den Hof der Fürsten von Hohenzollern-Hechingen Handel. Elf Jahre ist Chaile, dann erst wird ihr Bruder geboren. Weil die Familie in dem begabten Mädchen etliche Jahre die Nachfolge gesehen hat, bekam sie eine gute Bildung. Gute Voraussetzungen für ihre spätere Karriere.
    "Das hat natürlich zu tun mit persönlichen Bedingungen, dass sie großes Talent hatte, dass sie gut aussah, das war sicher nicht schädlich, dass sie ein gewinnendes Wesen hatte, gut umgehen konnte mit ihren diversen sicher anspruchsvollen Kunden. Und dann hatte sie den Vorteil, dass sie ins Geschäft ihres Vaters reingekommen ist."
    Als Kaulle mit 18 Jahren verheiratet wird – mit dem angesehenen Pferdehändler Akiba Salomon Auerbach – zieht sie sich keineswegs in die Küche und an den Herd zurück, sondern arbeitet weiter im Geschäft des Vaters und übernimmt auch noch die Geschäfte ihres Mannes. Denn der widmet sich – wie in streng orthodoxen Familien oft üblich – seinen religiösen Studien. Das Geld verdient weitgehend die Frau.
    Deren richtige Karriere beginnt mit dem Tod des Vaters. Madame Kaulla beliefert den Hof mit Pferden, Juwelen, Silber. Zu Warenlieferungen kommen bald auch Kredite – und nach wenigen Jahren hat sie eine Stellung, die unter dem Titel "Hofjuden" zusammengefasst wird.
    "Ein Hofjude oder eine Hofjüdin ist ein Kaufmann bzw. Kauffrau, die in einem engen Verhältnis steht, in einem Dienstverhältnis oder Arbeitsverhältnis zu einem fürstlichen Herrschaftszentrum. Das ist überwiegend angesiedelt im Bereich der Luxuswaren, Ausstattung von Schlössern, zum Teil aber auch die Besorgung Krediten und dann am Ende 18. Jahrhunderts sind Hofjuden hoch gekommen als Heereslieferanten. Es sind Bereiche gewesen, die von christlichen Kaufleuten nicht bedient werden konnten, zumindest nicht in dieser Flexibilität, weil sie nicht so risikofreudig waren, weil sie nicht über eine so gute Vernetzung verfügten."
    Außerdem sorgte die katholische Kirche viele Jahrhunderte mit ihrem Kredit-und Zins-Verbot dafür, dass christliche Kaufleute weder Geld leihen noch verleihen konnten. Geldgeschäfte und Handel, das waren die Wirtschaftszweige, die für Juden offen waren. Die meisten anderen Berufe hingegen verschlossen. Jüdische Händler und Bankiers konnten im Dienste der luxusliebenden Fürsten viel Geld verdienen, das bedeutete aber auch eine große Abhängigkeit von ihren Auftraggebern. Sie waren es auch, die dafür sorgten, dass sie einen Schutzbrief erhielten. Denn die meisten Bürgerrechte blieben Juden vorenthalten.
    "Die Schutzjuden, die ein wirtschaftliches Auskommen hatten, die haben da halbwegs stabile Verhältnisse vorgefunden, während andere, die keine Schutzbriefe hatten, die als Betteljuden über Land zogen. Die hatten erschwerte Bedingungen. Aber für solche Familien wie die Kaullas, waren die Möglichkeiten ganz gut."
    Madame Kaulla nahm eine Sonderstellung in jener Zeit ein. Die meisten damals wirtschaftlich erfolgreichen Frauen waren an den Geschäften ihrer Männer beteiligt oder führten als Witwen deren Geschäfte einige Jahre weiter. Ein Geschäft über einen so langen Zeitraum zu führen und auch im internationalen Stil – das war außergewöhnlich. 'Kaulla und Companie' nennt sie nun ihr Unternehmen, dessen rasante Expansion auch durch die politischen Ereignisse beschleunigt wird.
    Ab dem Jahr 1792 befindet sich Napoleon mit einem Großteil der europäischen Herrscher im Krieg. Über die Kontakte zum württembergischen Herzog erhält Madame Kaulla Zugang zum Kaiserlichen Hof in Wien. Bald beliefert sie die Österreicher mit Sätteln, Munition und Proviant. Vor allem aber mit Geld.
    So wie alle Handelshäuser in jener Zeit nutzte sie die Gunst der Stunde. Riskierte allerdings auch nicht wenig. Pferdelieferungen begleitete Madame Kaulla oft selbst.
    Während ihrer oft langen Reisen hielt sich die Geschäftsfrau streng an ihre religiösen Regeln, denn sie war eine fromme Frau. Die Historikerin Rotraud Ries:
    "In jüngeren Jahren, hat sie ja viele Reisen selber getätigt, viele Handelsreisen und da hat sie immer einen Rabbiner dabei gehabt und einen Schächter, um auch unterwegs ein religionsgesetzliches Leben zu führen und vielleicht auch ihre Kinder unterrichten zu lassen, das ist ein wichtiges Indiz dafür."
    Kaulla und Companie expandierte immer mehr zum globalisierten Kredit-und Handelshaus, auch Lieferungen für Erzherzog Karl in den Niederlanden sind nun in den Bestellbüchern zu finden. Die fromme Geschäftsfrau Kaulla verstand ihren Reichtum als Verpflichtung: Sie richtete ein Heim für umherziehende arme Juden ein, so genannte Betteljuden. Außerdem gründete und finanzierte sie ein jüdisches Lehrhaus, sowie eine Bibliothek.
    "Da kann man sehen, dass sie eher auf einer informellen Ebene wichtige Dinge getan hat, dass sie Fürsprache geleistet hat für die jüdische Gemeinde vor Ort, dass sie dafür gesorgt hat, dass der Friedhof geschützt wird, dass sie ein Studierhaus eingerichtet hat, das sind alles Dinge, die man als Frau machen kann, aber die Ämter, in der jüdischen Gemeinde, die können Frauen eben nicht wahrnehmen. Das heißt, sie kann kein Vorsteher sein, sie die kann keine anderen Ämter innehaben, da konnte eigentlich ihre Bedeutung auf dieser Schiene keinen Ausdruck finden."