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Jüdisches Fest
Die Party am Grab des Rabbi

Zum Fest Lag BaOmer verwandelt sich ein kleines Dorf im Norden Israels zur Partymeile. Erinnert wird an den Rabbiner Shimon Bar Yochai, der Lehren der Kabbala formulierte. Ausnahmsweise spielen an diesem Tag die Unterschiede zwischen Ultraorthodoxen und Reformern keine Rolle.

Von Benjamin Hammer |
Am jüdischen Fest Lag Ba Omer strömen Menschen in Richtung des Grabes des Rabbiners Shimon Bar Yochai am Berg Meron im Norden Israels. Rund 750 000 Menschen kamen am 22. und 23. Mai 2019 in den Ort, um ausgelassen zu feiern.
Zum jüdischen Fest Lag BaOmer verwandelt sich ein Dorf am Fuße des Berg Meron im Norden Israels zur Partymeile. (Deutschlandradio/Benjamin Hammer)
Mehrere Polizeisperren musste der Bus schon passieren. Nur mit einer Sondergenehmigung durfte eine Gruppe von Journalisten an den Fuß des Meron-Berges fahren. Die Vertreterin der israelischen Pressebehörde, die die Journalisten begleitet, wirkt etwas angespannt.
"Ich habe es Euch schon gesagt: Es wird der Wahnsinn", ruft sie Frau in das Mikrofon. "Wahnsinnig viele Leute. Eine halbe Million. Manche sagen, es werden sogar noch mehr. Also: Lasst uns eng beieinander bleiben. Wir schaffen das."
Juden aus der ganzen Welt sind gekommen um hier, im äußersten Norden Isr aels, das Fest Lag BaOmer zu feiern. Die Ansagen, welche Busse für die Rückfahrt bereitstehen, schallen auch auf Jiddisch aus den Lautsprechern. Die meisten Besucher sind ultra-orthodoxe Juden. Wenig später wird es eng. Sehr eng. Das kleine Dorf am Meron-Berg hat sich in eine jüdische Partymeile verwandelt.
"Meine Gebete werden noch deutlicher erhört"
Ein Mann bläst ins Schofar-Horn. Freiwillige verteilen Wasser. Die Menschen strömen in Richtung des Grabes des Rabbiners Shimon Bar Yochai. Der wurde der Tradition zufolge an Lag BaOmer geboren. An jenem Tag soll er außerdem geheiratet haben und gestorben sein. An Lag Ba Omer feiern die Juden den Rabbiner, der im zweiten Jahrhundert nach Christus lebte. Kurz vor dessen Tod soll Shimon Bar Yochai noch wichtige Lehren der Kaballa aufgeschrieben haben, einer mystischen Lehre.
"Ich fühle mich wie auf der Hochzeit von Rabbi Shimon", sagt eine ultra-orthodoxe Frau, die ein schwarzes Kopftuch trägt. "Heute an Lag BaOmer werden meine Gebete noch deutlicher erhört. Und ich sehe Erlösung und Wunder. Egal, wie schlecht es Dir geht im Leben. Wenn Du zu Rabbi Schimon kommst, kann das eigentlich nur gut für Dich sein."
Die Frau heißt Matana. Sie ist Mitte dreißig und lebt ganz in der Nähe: In der für Juden so wichtigen Stadt Safed. Elf Kinder hat Matana. Sie sitzt neben ihrem jüngsten Kind. Das Baby trägt ein gelbes Armband.
Sie erzählt: "Da steht meine Telefonnummer drauf. Damit meine Kinder nicht verloren gehen. Wenn sie jemand findet, kann man mich anrufen."
Fest wird auf der ganzen Welt gefeiert
Denn am Grab des Rabbiners Shimon sind mittlerweile so viele Menschen, dass man sich sehr schnell aus den Augen verlieren kann. Die Stimmung wird ausgelassener. Männer tanzen in Kreisen. Die wichtigsten Rabbiner des Landes zünden Feuer an. An Lag BaOmer feiern die Juden nicht nur den Rabbiner Shimon. Am gleichen Tag endete der Tradition zufolge eine Seuche. Die soll bis dahin 24.000 Juden getötet haben. Deshalb wird an Lag BaOmer aus Trauer ausgelassene Freude.
Das Fest wird auf der ganzen Welt gefeiert. Das Grab des Rabbiners ist aber so etwas wie das Epizentrum. Etwa 750.000 Gläubige kommen innerhalb von 24 Stunden hierhin. Es ist die wohl größte jüdische Party der Welt. Auch Yitzhak Vaknin ist gekommen. Er ist Israels Minister für religiöse Dienste.
"Es ist eine große Sache", sagt er. "Mehr als eine halbe Million Menschen. In so kurzer Zeit. Auf so kleinem Raum. Das ist ein Wunder. Es kann nur wegen Rabbi Schimon geschehen, dem Gerechten. Das geht über den Verstand hinaus."
Verstand brauchen Israels Politiker jedoch bei einem recht irdischen Problem: Das Judentum ist gespalten. Vor allem zwischen Ultra-Orthodoxen und Anhängern des Reform-Judentums gibt es Spannungen. Regelmäßig gibt es Streit über die Frage, wer wie an der Klagemauer in Jerusalem beten darf. An Lag BaOmer tritt der Konflikt für 24 Stunden in den Hintergrund. Zwar sind die meisten Juden, die an den Meron-Berg gekommen sind, Ultra-Orthodoxe. Doch auch Reform-Juden und sogar säkulare Israelis sind gekommen.
Tagespolitik holt den Minister ein
"Schau mal", sagte der Minister, "das hier zeigt dir, wie sehr wir das Volk Israel vereinen können. Man sieht hier alle Facetten der Gesellschaft. Säkulare, nationale, Ultra-Orthodoxe. Für mich ist die Gastfreundschaft der Menschen, das schönste, was ich hier sehe. Überall verteilen die Menschen Essen und Wasser. Du siehst hier die Einheit des ganzen Volkes Israel. Und nicht die Differenzen. Das kann nur einer schaffen: Rabbi Shimon Bar Yochai."
Der Minister gehört der ultra-orthodoxen Schas-Partei an. Wochenlang, erzählt er, habe er den Feiertag im Norden von Israel vorbereitet. In den nächsten Wochen dürfte den Minister aber wieder die Tagespolitik einholen. Israel ringt um eine neue Regierung, an der auch die Schas-Partei beteiligt werden soll. Im Moment stocken die Gespräche. Ein Grund: Die ultra-orthodoxen Parteien können sich nicht auf eine gemeinsame Linie mit säkularen Parteien einigen. Von der Einheit an Lag Ba Omer ist im politischen Jerusalem also nicht viel zu spüren.