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Jüdisches Kindermuseum
Die Arche Noah in Berlin

„ANOHA“ heißt die neue Kinderwelt des Jüdischen Museums Berlin, eine Arche Noah aus Holz. Sie sollte - wie die neue Dauerausstellung - eigentlich im Mai eröffnet werden. Das steht in Frage. Aber trotz der coronabedingten Schließung des Museums wird an den Ausstellungen weiter gearbeitet.

Von Anna Marie Goretzki |
Tierskulpturen bevölkern die Arche Noah im Kinderteil des Jüdischen Museums in Berlin
Tierskulpturen bevölkern die Arche Noah im Kinderteil des Jüdischen Museums in Berlin (Deutschlandradio / Anna Marie Goretzki)
Spielerisch wärmen sich rund ein Dutzend Kinder auf dem Fromet-und-Moses-Mendelssohn-Platz auf. "A-NO-HA" rufen sie in den spätwinterlichen Himmel über Berlin. Sie haben sich gemeinsam für dieses Kunstwort aus "Arche" und "Noah" entschieden. Anoha - so soll sie heißen: die derzeit neu entstehende Kinderwelt des Jüdischen Museums Berlin. Einmal monatlich kommen diese Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren aus verschiedenen Berliner Schulen zusammen. Sie bilden den sogenannten "Kinderbeirat". Sie ko-kuratieren und lassen ihre Wünsche und Ideen in das Museum einfließen.
"Wir haben aus Sachen, die wir nicht mehr brauchen, Zukunftstiere gebaut, und die sind jetzt auch schon in der Ausstellung."
"Eine Geschichte, die monotheistische Religionen verbindet"
Um Tiere geht es viel in dem Kindermuseum ANOHA, das Mitte Mai eröffnet. Ane Kleine-Engel, Leiterin der Kinderwelt des Jüdischen Museums, trägt eine Kette um ihren Hals - mit einer kleinen silbrigen Arche Noah als Anhänger. Die Baustelle mit der hölzernen Arche ist nicht weit. Es riecht intensiv nach Holz. Aber die Museumsfrau möchte den Rundgang nicht bei der Arche Noah beginnen, sondern in einem Vorraum der großen Museumshalle.
"Die Arche-Noah-Geschichte, wie sie hier dargestellt ist, kennen wir zum ersten Mal aus der Tora in der jüdischen Überlieferung, wo sie auf jeden Fall in dieser Art, wie sie hier dargestellt wird, erzählt wird. Die Arche Noah ist natürlich eine sehr bekannte Geschichte, die viele Bilder auch produzieren kann, die seit vielen Generationen Menschen dazu bringt, Interpretationen zu haben; und sie ist eine Geschichte, die natürlich die großen monotheistischen Religionen verbindet: Sowohl das Judentum als auch Christentum als auch Islam erzählen sich diese Geschichte. Und das möchten wir gerne auch verbinden in diesem Haus."
Die Kinder können ihre eigenen Boote bauen
Ane Kleine-Engel wünscht sich, dass sich die Besucher über die Bedeutungen der Arche Noah austauschen. Das ist eine große Herausforderung. Denn es sind kleine Besucher, an die sich das Museum vorrangig richtet. Kinder zwischen drei und zehn Jahren. Deshalb wird kein typisches Museum mit all seinen Verbotenen und Benimmregeln gebaut, sondern die Kinder sollen an einer Geschichte teilnehmen.
Sie beginnt - natürlich - mit der großen Flut im sogenannten "Regenraum". Bild und Ton sollen deutlich machen: Es hört einfach nicht auf zu regnen. Noch ist der Regen nicht zu hören, dafür Baumaschinen. Ane Kleine-Engel weist mit dem Arm in den nächsten Raum.
"Wir besuchen ja die Geschichte. Wir haben jetzt erlebt, es regnet, es ist alles überflutet. Jetzt müssen wir etwas tun. Und das ist hier möglich. Das ist eine große Werkbank, für die großen und die kleinen Kinder, die dann hier anfangen können ‚ich baue vielleicht ein Schiff, weil ich auch die Flut überstehen will‘. Ich kann auch Stelzen bauen und übers Wasser laufen oder eine Taucherglocke entwickeln, damit auch meine Katze nicht ertrinkt."
An der Wasserteststrecke, einem mehrere Meter langen Bachlauf aus Stahl, können die Kinder ihre selbst gebauten Wassergefährte ausprobieren.
"Ja, es wird mal nass werden… Wir haben jetzt den Regen erlebt, die Flut, ein Schiff gebaut. Dieses Schiff sehen wir jetzt auch, das, was Noah gebaut hat, sehen wir jetzt zum ersten Mal ganz groß vor uns erscheinen…"
Ein spielerischer Ansatz
Der hölzerne, sieben Meter hohe Rumpf einer Arche steht mitten im Raum einer ehemaligen Blumengroßmarkthalle. Im Inneren des Schiffes sitzen, hängen, stehen, lümmeln lebensgroße Tierskulpturen herum. Spätestens jetzt können die Besucher wirklich in die Geschichte von Noah eintauchen, der sich, seine Familie und die Landtiere vor der Flut rettet.
Künstler haben die rund 150 ausgestellten Tierskulpturen aus recycelten Materialien hergestellt. Die Kinder dürfen und sollen die Kunstobjekte aber anfassen. Sie sollen verstehen durch "Be-greifen". Das Museum als Spielplatz.
"Und wir sehen jetzt hier auch noch eine Eigenart der Tiere: nicht nur sind sie schön, können bestaunt werden oder herumgetragen werden, oder hineingeschoben werden, zum Beispiel hier der große Elefant, man kann hineingehen in den Kopf und mit den Ohren wackeln oder da drüber liegt auch die größte Schlange der Welt, die Anaconda. Eine große Kletterschlange, in die die mutigen Kinder hineinkrabbeln dürfen, wenn sie möchten."
"Den nehme ich nicht mit an Bord"
Was so unterhaltsam daherkommt, hat aber auch eine ernste Ebene:
"Wir haben auch das Thema Prävention von Ausgrenzung, Machtverhältnisse. Die Vielfalt. Diese ganzen Lebewesen, sie sind alle unterschiedlich. Was macht sie denn unterschiedlich? Dazu muss man sie auch mal anfassen dürfen, berühren dürfen. Zum Beispiel der Nacktmull, wenn wir da hingehen, ist jetzt wahrscheinlich für die wenigsten Kinder ein Lieblingstier. Er sieht nicht wirklich aus wie ein Sympathieträger. Und dadurch hier seinen Platz bekommen hat, dass man sagen kann, fass ihn doch trotzdem einfach an, und damit in Kontakt zu kommen: und dann kann man wieder eine Empathie aufbauen, auch zu etwas, wo man im ersten Moment gesagt hätte ‚ach, den nehme ich gar nicht mit an Bord‘. Nein, er gehört hierher."
Inklusion, Klimawandel, Artensterben, Antisemitismus. Auch das sind Themen, die die Kinderwelt ANOHA vermitteln kann - für jede Altersgruppe auf anderem Wege. Ane Kleine-Engel steht vor einer Höhle mit Wänden aus alten Kaffeesäcken. Ein Fuchs versteckt sich darin.
"Es gibt Tiere, die brauchen es dunkel. Und auch, wenn du es vielleicht nicht magst, musst du ihnen ermöglichen, so zu leben. Wir müssen nicht alle gleich behandelt werden, um glücklich zu sein. Und da können die Kinder gerade an dieser Station sehr viel erleben."
Auch das Verlassen des Schiffes ist ein Erlebnis. Unterschiedlich hohe Baumstümpfe symbolisieren den Berg Ararat, auf dem Noahs Arche nach der Sintflut gestrandet sein soll. Der Rumpf lässt sich kletternd, krabbelnd, kriechend oder einfach laufend verlassen. Die Geschichte der Arche Noah verspricht in diesem Museum für Kinder zum Abenteuer zu werden.