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Jüdisches Leben in China
Volksrepublik und Davidstern

Die Juden von Kaifeng müssen ihren Glauben verstecken. Die chinesische Regierung hat Angst vor dem Erstarken aller nicht staatlich anerkannten religiösen Gruppen. Eine jüdische Chinesin trotzt den Schikanen. Sie sagt: Den Davidstern zu zeigen, ist nicht unrecht.

Von Sascha Storfner |
Die Chinesische Jüdin Guo Yan (rechts) nennt sich Esther. In der Altstadt von Kaifeng redet sie mit den Nachbarinnen ihres kleinen Museums zum Jüdischen Leben
Die chinesische Jüdin Guo Yan (rechts) nennt sich Esther. In der Altstadt von Kaifeng redet sie mit den Nachbarinnen ihres kleinen Museums zum jüdischen Leben (Deutschlandradio / Sascha Storfner)
Guoyan, die sich Esther nennt, trägt eine Mütze bestickt mit einem blauen Davidstern aus Glitzerperlen. An ihrer Schulter baumelt ein Täschchen, bedruckt mit hebräischer Schrift. Jüdische Accessoires zu einer Zeit, in der die Regierung in Kaifeng ein besonderes Augenmerk auf Juden hat. Kein Zweifel: Esther, die 37jährige chinesische Jüdin, ist unerschrocken.
"Viele hier denken, diese Mütze sei aus einem japanischen Manga, sie kennen Juden überhaupt nicht. Noch nicht mal die Leute, die hier im früheren jüdischen Viertel wohnen, kennen sie. Ich tue nichts Unrechtes: den Davidstern zu zeigen ist nicht unrecht. Nur die Ausübung der Religion, den Schabat öffentlich zu begehen, das ist nicht legal."
Als sollten jüdische Spuren verwischt werden
Esther gehört zu den Nachfahren der persischen Juden, die vor 1000 Jahren über die Seidenstraße von Indien aus hierher kamen und am Kaiserhof gut angesehen waren. Sie betreibt dort, wo ihre Familie seit der Song-Dynastie lebte, ein kleines privates Museum mit alten Fotos vom jüdischen Leben.
"Hier draußen hing ein Schild als Werbung für mein Museum. Aber das hat die Regierung vor kurzer Zeit abreißen lassen. Auch die Davidsterne, die daneben hingen. Und sogar am Fenster hat sich jemand zu schaffen gemacht, wer, das weiß ich nicht. Ich habe keine Angst, das ist alles privat hier, deshalb können sie es mir nicht verbieten."
Es ist gerade so, als sollten auch die letzten Spuren der Juden von Kaifeng verwischt werden. Dort, wo einst die Synagoge stand und mehrfach vom Hochwasser des Gelben Flusses weggeschwemmt wurde, zuletzt 1854, steht jetzt ein Krankenhaus für chinesische Medizin.
In dessen Hof zeigt Esther die Stelle, an der sich vor ein paar Jahren noch der Brunnen der Synagoge befand. Er wurde zugeschüttet, geblieben ist nur staubige Erde. In den Gassen, die noch die Namen Nördliche und Südliche Thora-Straße tragen, deutet Esther auf alte Feigenbäume, die von Juden gepflanzt worden sein sollen. Dann steigt sie hinauf, in den Wohnblock, wo sie mit ihrem Mann wohnt. Eine israelische Flagge und viele jüdische Souvenirs hängen an der Wand: Täschchen mit Psalmen auf Hebräisch, dazu Ohrringe mit Davidstern.
"Dies hat alles meine Mutter gemacht. Ich habe ihr Fotos gegeben und sie hat es nachgestickt. Früher haben das viele Touristen gekauft, aber jetzt gibt es hier keine Touristen mehr."
Kein Visum für jüdische Reisegruppen
Gruppen gläubiger Juden aus Israel und den USA hat Esther früher empfangen und sie in die jüdische Geschichte ihrer Stadt eingeführt, aber seit ein paar Jahren wird ihnen das Gruppenvisum verweigert, nur noch Individual-Touristen kommen nach Kaifeng.
Stolz zeigt Esther das 80 Zentimeter hohe Holzmodell der alten Synagoge von Kaifeng. Die Architektur gleicht der eines chinesischen Tempels. Esthers Vater hat das Modell in zweijähriger Arbeit angefertigt. Es darf nicht öffentlich ausgestellt werden. Daneben: der Thora-Schrein der Familie.
"Diese Tora hat ein Tourist mir gegeben, wir können sie aber nicht lesen. Daneben in dem Heft hat meine Tante das Alte Testament mit der Hand abgeschrieben."
Guo Yan (Esther) zeigt eine Zeichnung der ehemaligen Synagoge, die in der Altstadt von Kaifeng lag
Guo Yan (Esther) zeigt eine Zeichnung der ehemaligen Synagoge, die in der Altstadt von Kaifeng lag (Deutschlandradio / Sascha Storfner)
Das abgegriffene Heft dient ihnen als Schrift, wenn sie sich zum Schabbat versammeln. Sie dürfen das nur in der Familie tun, jegliche Versammlung von mehr als sieben Personen ist der chinesischen Führung suspekt.
"Wenn du genug Geld hast, kannst du nach Israel gehen. Die Organisation Shavai Israel hilft uns - auch finanziell. Dann kann man konvertieren. Denn die israelische Regierung erkennt uns nicht als Juden an."
"Vom Geistlich-spirituellen her hat mir China nichts zu bieten"
Wie viele Juden, die seit Jahrhunderten eine verschwindende Minderheit in ihrem Kulturkreis bilden, ist die Abstammung nicht mehr eindeutig nachvollziehbar. Doch in Israel zum Judentum zu konvertieren, wie es einige aus Kaifeng gemacht haben, das ist für Esther keine Option.
"Ich bin der chinesischen Regierung näher als der israelischen. Vom Volk her bin ich Chinesin. Aber in China gibt es keine religiöse und kulturelle Tradition. Vom Geistlich-spirituellen her gesehen habe ich keine Wahl, ich muss auf das Judentum zurückgreifen. China hat mir da nichts zu bieten."
Sie will in Kaifeng bleiben und abwarten, bis sich das Klima wieder bessert für die kleine chinesisch-jüdische Gemeinde. Wer weiß, wann.