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Jüdisches Museum Frankfurt
Neueröffnung mit Storytelling

Das Museum in Frankfurt ist das älteste jüdische Museum Deutschlands. Mit einem neuen Gebäudeensemble wird das üppige Ausstellungsangebot noch einmal entscheidend bereichert. „Das Jüdische Frankfurt“ – so der Titel der neuen Dauerausstellung – hat eine lange Geschichte.

Von Ludger Fittkau |
17.09.2020, Hessen, Frankfurt/Main: Die aus zwei Bäumen bestehende Skulptur "Untitled" von Ariel Schlesinger bestimmt den Innenhof des Neuen Jüdischen Museum in Frankfurt. In jahrelangen Umbauarbeiten wurde der historische Bau um einen Neubau erweitert, der ab dem 21. Oktober für Besucher zugänglich sein soll.
Das Jüdische Museum Frankfurt nach dem Umbau (Boris Roessler/dpa )
"Es ist uns ganz wichtig, dass wir ein Museum sind, was Geschichte in Geschichten erzählt. Und wenn wir Geschichten erzählen, dann erzählen wir sie immer aus der heutigen Perspektive und senden diese heutige Perspektive in die Zeit der Geschichte hinein. Wir sind also, im Fachjargon würde das heißen: ein Storytelling-Museum. Wir sind ein Museum, was persönliche Geschichten erzählt und eine Multiperspektivität auf Geschichte wirft, und zwar aus einer jüdischen Perspektive."
Sagt Mirjam Wenzel, Leiterin des Jüdischen Museums Frankfurt. Dazu gehört der Nationalsozialismus – aber nicht nur. Auch die Pluralisierung jüdischer Traditionen in Europa nimmt einen großen Raum im neuen Gebäudeensemble ein. Dazu gehört die innerjüdische Konfliktgeschichte um Thora und Moderne - in einem Mediencafé so aufbereitet, dass auch Jugendliche die Konflikte verstehen.
Offen über Tabuthemen sprechen
Was sagen Rabbiner und eine Rabbinerin etwa zur Frage, wie jüdische Tradition und der Umgang mit Homosexualität zusammenpassen? Die Antworten dazu können beim Kaffee mit dem Tablet-PC aufgerufen werden.
"Ich freue mich sehr, dass ich in meinem Umfeld auch Freunde habe, die schwul sind. Und die kommen dann zu mir, wenn sie Fragen haben und diskutieren das auch mit mir. Und sagen mir auch: Es ist schön, wenn wir offen darüber reden können! Weil in vielen Bereichen unserer Gesellschaft ist das immer noch ein Tabuthema. In weiten Teilen des Judentums trifft es auch zu."
Die neue Dauerausstellung im Jüdischen Museum bietet nicht nur für Jugendliche sondern auch für Kinder überzeugende Materialien und Medien zu Geschichte wie Gegenwart jüdischen Lebens.
"Bildungsauftrag in diese Gesellschaft hineinstrahlen"
Ebenso wie eine lichtdurchflutete Bibliothek, die auch ohne Eintrittsgeld zugänglich sein wird. Museumsdirektorin Mirjam Wenzel:
"Eine andere Zielgruppe ist die der Nicht-Museums-Besucherinnen und Besucher. Wir haben in den letzten Jahren sehr viel dafür getan, um hinauszugehen und Menschen zu erreichen, die nicht vom Elternhaus her, vor allen Dingen Jugendliche, in diesem Museum landden würden und haben Programme entwickelt, die genau sie ansprechen wollen. Dahinter stand in der in der Zielgruppen-Entwicklung und Zielgruppen-Spezifik immer das Bild einer türkischstämmigen Familie aus Offenbach - um das zuzuspitzen. Aber eben die wollen wir gewinnen für unser Haus, weil wir der festen Überzeugung sind, dass mit ihr auch unser Auftrag, unseren Bildungsauftrag in diese Gesellschaft hinein zu strahlen verbunden ist."
Das auch architektonisch gelungene neue Gebäudeensemble und die sorgsame Gestaltung der umfangreichen Dauerausstellung bieten in der Tat eine gute Chance, neue Zielgruppen zu erreichen. Hilfreich ist dafür auch die zentrale Lage des Museumskomplexes am nördlichen Mainufer. Hier treffen nicht nur Kulturinteressierte zusammen, sondern die gesamte Stadtgesellschaft. Und auch Offenbach ist nicht weit weg. Ein Museum, das die Türen weit öffnen will, ist hier am richtigen Ort.