Jasper Barenberg: Etwa 12.000 Liter, so viel Wasser dringt Tag für Tag in das frühere Salzbergwerk Asse in Niedersachsen ein - in einen Ort, in dem immerhin 126.000 Fässer mit schwach und mittel radioaktiv belasteten Abfällen lagern. Darüber wurde heute im Bundestag debattiert, darüber wird vielmehr weiterhin diskutiert im Bundestag.
Am Telefon begrüße ich den SPD-Politiker Wolfgang Jüttner aus Niedersachsen, ehemaliger Umweltminister des Landes, heute Abgeordneter im Landtag von Hannover. Schönen guten Tag, Herr Jüttner.
Wolfgang Jüttner: Guten Tag, Herr Barenberg.
Barenberg: Wir haben gerade mit der Korrespondentin zunächst über die Debatte rund um die Asse gesprochen. Wie schwierig ist die Situation dort, wie schnell muss dort etwas geschehen in Ihren Augen?
Jüttner: Ja, die Politik ist sehr unter Zeitdruck, weil die Standsicherheit nur noch auf wenige Jahre fest garantiert wird, und das bei einer Atomanlage, wo ja beim Thema Langzeitsicherheit immer über eine Million Jahre diskutiert wird. Also da zeigt sich, wie skurril die ganze Debatte inzwischen ist und was von Zusagen auch von relevanten Wissenschaftlern zu halten ist. Die Politik ist sich einig, das soll herausgeholt werden, die 126.000 Fässer. Aber klar ist, es muss relativ zügig gehen. Und es gibt einige Randbedingungen, die eingehalten werden müssen: Erstens vollständige Transparenz, weil die Öffentlichkeit in der Region natürlich angefasst ist, weil sie Jahrzehnte wirklich auch falsch informiert worden ist - ich formuliere es mal wohlwollend. Und zum Zweiten sind alle Beteiligten der Meinung und alle Verantwortlichen, dass die Sicherheitsstandards nicht reduziert werden dürfen. Gleichwohl muss das Verfahren beschleunigt werden. Ob man dafür ein extra Gesetz schafft oder die Gefahrenabwehrregelungen aus dem Atomrecht nimmt oder andere rechtliche Bestimmungen, ist eigentlich zweitrangig, weil auch hier im Landtag die Meinung ist, Zügigkeit ist jetzt dringlich geboten, weil ansonsten das Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
Barenberg: Habe ich das richtig verstanden, die Sicherheitsstandards sollen die gleichen sein, und doch soll das Verfahren beschleunigt werden? Wie kann das überhaupt zusammengehen?
Jüttner: Das ist mit Sicherheit möglich, weil das Atomrecht natürlich angelegt ist, eine Anlage zu genehmigen. Und hier ist, wenn man so will, das Kind in den Brunnen gefallen und es geht darum, das Atomrecht so schöpferisch anzuwenden, dass der Sicherheitsstandard da ist, aber nicht Dinge von Qualität, von Sauberkeit, die unter Sicherheitsgesichtspunkten nicht relevant sind, da zum Tragen kommen. Das ist ja auch das Vorhaben von SPD und Grünen im Bundestag mit ihren Anträgen, dass man an bestimmten Stellen ohne Qualitätsreduzierung zur Beschleunigung kommt. Fachleute werden das im Einzelnen deutlich machen und wir haben auch einige Beispiele erlebt in den letzten Monaten, wie unter Hinweis auf Sicherheitsstandards die Möglichkeit gar nicht gegeben war, dort Fachfirmen zu finden, die solche Dinge auch erledigen konnten. Also ich denke schon, da gibt es Spielraum zur Beschleunigung.
Barenberg: Lassen Sie uns zum zweiten Punkt kommen, der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven atomaren Abfall. Der Bundesumweltminister will das im Konsens zwischen Bund und Ländern auf den Weg bringen, ein völlig neues Verfahren, transparent, mit Bürgerbeteiligung und der offenen Frage, welcher Standort es am Ende dann werden soll. Wie viel Zutrauen haben Sie in diese Pläne der Bundesregierung?
Jüttner: Vergleichsweise wenig. Er ist nun nicht der erste, der das versucht. Seine Vorgänger haben sich daran die Zähne ausgebissen - vor allem deshalb, weil insbesondere die süddeutschen Länder überhaupt nicht bereit waren, da mitzumachen. Ich erinnere an den AK End, AK Endlagerung, der Anfang des letzten Jahrzehnts unterwegs war und schon solide Vorarbeiten geleistet hatte. Eigentlich kann man an vieles davon anknüpfen. Augenscheinlich ist die Bereitschaft aller Bundesländer, hier mitzuwirken, jetzt deutlich gestiegen, also von daher sind die Ausgangschancen jetzt sicher besser. Aber aus Sicht des Landes Niedersachsen muss ich schon sagen, wir wollen jetzt gar nicht aus politischen Gründen den Standort Gorleben unberücksichtigt wissen, aber schon aus sachlich-fachlichen Gründen, weil die Voraussetzungen für den Standort, die notwendig sind, in Gorleben schon widerlegt sind. Von daher ist die Position mindestens der SPD in Niedersachsen, aber auch bundesweit - so haben wir im Dezember beschlossen -, dass zu der weißen Karte gehört, dass Gorleben auf der nicht mehr drauf ist. Das ist erkennbar noch einer der großen Streitpunkte, wo die anderen Länder glauben, Niedersachsen sei hier noch in der Bringschuld. Das sehen wir nicht.
Barenberg: Und da will sich Norbert Röttgen, der Umweltminister, ja auch noch nicht festlegen. Nun heißt es immer, es gibt bisher keinen definitiven wissenschaftlichen Beweis, dass Gorleben ungeeignet ist als Standort für ein Endlager. Sie sehen das anders?
Jüttner: Wir sehen das anders. Wir wissen, dass aus politischen Gründen im Energiekonsens die Eignungshöffigkeit offen gehalten worden ist 2001, aber wir haben hier inzwischen Jahrzehnte Erfahrung mit wissenschaftlichen Kenntnissen über die Problemlagen in Gorleben und übrigens auch den Umgang mit kritischen Wissenschaftlern, die vor Jahrzehnten wirklich auch abgemahnt und ausgegrenzt worden sind. Von daher ist der Kenntnisstand zu dem potenziellen Standort Gorleben hier eben deutlich besser als auf Bundesebene.
Barenberg: Zum Schluss vielleicht noch, Herr Jüttner: Es soll ein neues Bundesinstitut für die Endlagerung geben, in Konkurrenz gewissermaßen zu dem existierenden Bundesamt für Strahlenschutz. Ist das eine Entmachtung aus Ihrer Sicht?
Jüttner: Ja da teile ich das, was eben aus Berlin gesagt worden ist. Das ist der dritte Schritt vor dem ersten und es ist erkennbar ein taktischer Versuch, das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter hier zu unterlaufen. Das ist wirklich nicht das, was wir brauchen.
Barenberg: Der SPD-Politiker und frühere Umweltminister Niedersachsens, Wolfgang Jüttner. Danke für das Gespräch, Herr Jüttner.
Jüttner: Bitte schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon begrüße ich den SPD-Politiker Wolfgang Jüttner aus Niedersachsen, ehemaliger Umweltminister des Landes, heute Abgeordneter im Landtag von Hannover. Schönen guten Tag, Herr Jüttner.
Wolfgang Jüttner: Guten Tag, Herr Barenberg.
Barenberg: Wir haben gerade mit der Korrespondentin zunächst über die Debatte rund um die Asse gesprochen. Wie schwierig ist die Situation dort, wie schnell muss dort etwas geschehen in Ihren Augen?
Jüttner: Ja, die Politik ist sehr unter Zeitdruck, weil die Standsicherheit nur noch auf wenige Jahre fest garantiert wird, und das bei einer Atomanlage, wo ja beim Thema Langzeitsicherheit immer über eine Million Jahre diskutiert wird. Also da zeigt sich, wie skurril die ganze Debatte inzwischen ist und was von Zusagen auch von relevanten Wissenschaftlern zu halten ist. Die Politik ist sich einig, das soll herausgeholt werden, die 126.000 Fässer. Aber klar ist, es muss relativ zügig gehen. Und es gibt einige Randbedingungen, die eingehalten werden müssen: Erstens vollständige Transparenz, weil die Öffentlichkeit in der Region natürlich angefasst ist, weil sie Jahrzehnte wirklich auch falsch informiert worden ist - ich formuliere es mal wohlwollend. Und zum Zweiten sind alle Beteiligten der Meinung und alle Verantwortlichen, dass die Sicherheitsstandards nicht reduziert werden dürfen. Gleichwohl muss das Verfahren beschleunigt werden. Ob man dafür ein extra Gesetz schafft oder die Gefahrenabwehrregelungen aus dem Atomrecht nimmt oder andere rechtliche Bestimmungen, ist eigentlich zweitrangig, weil auch hier im Landtag die Meinung ist, Zügigkeit ist jetzt dringlich geboten, weil ansonsten das Ziel nicht mehr erreicht werden kann.
Barenberg: Habe ich das richtig verstanden, die Sicherheitsstandards sollen die gleichen sein, und doch soll das Verfahren beschleunigt werden? Wie kann das überhaupt zusammengehen?
Jüttner: Das ist mit Sicherheit möglich, weil das Atomrecht natürlich angelegt ist, eine Anlage zu genehmigen. Und hier ist, wenn man so will, das Kind in den Brunnen gefallen und es geht darum, das Atomrecht so schöpferisch anzuwenden, dass der Sicherheitsstandard da ist, aber nicht Dinge von Qualität, von Sauberkeit, die unter Sicherheitsgesichtspunkten nicht relevant sind, da zum Tragen kommen. Das ist ja auch das Vorhaben von SPD und Grünen im Bundestag mit ihren Anträgen, dass man an bestimmten Stellen ohne Qualitätsreduzierung zur Beschleunigung kommt. Fachleute werden das im Einzelnen deutlich machen und wir haben auch einige Beispiele erlebt in den letzten Monaten, wie unter Hinweis auf Sicherheitsstandards die Möglichkeit gar nicht gegeben war, dort Fachfirmen zu finden, die solche Dinge auch erledigen konnten. Also ich denke schon, da gibt es Spielraum zur Beschleunigung.
Barenberg: Lassen Sie uns zum zweiten Punkt kommen, der Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven atomaren Abfall. Der Bundesumweltminister will das im Konsens zwischen Bund und Ländern auf den Weg bringen, ein völlig neues Verfahren, transparent, mit Bürgerbeteiligung und der offenen Frage, welcher Standort es am Ende dann werden soll. Wie viel Zutrauen haben Sie in diese Pläne der Bundesregierung?
Jüttner: Vergleichsweise wenig. Er ist nun nicht der erste, der das versucht. Seine Vorgänger haben sich daran die Zähne ausgebissen - vor allem deshalb, weil insbesondere die süddeutschen Länder überhaupt nicht bereit waren, da mitzumachen. Ich erinnere an den AK End, AK Endlagerung, der Anfang des letzten Jahrzehnts unterwegs war und schon solide Vorarbeiten geleistet hatte. Eigentlich kann man an vieles davon anknüpfen. Augenscheinlich ist die Bereitschaft aller Bundesländer, hier mitzuwirken, jetzt deutlich gestiegen, also von daher sind die Ausgangschancen jetzt sicher besser. Aber aus Sicht des Landes Niedersachsen muss ich schon sagen, wir wollen jetzt gar nicht aus politischen Gründen den Standort Gorleben unberücksichtigt wissen, aber schon aus sachlich-fachlichen Gründen, weil die Voraussetzungen für den Standort, die notwendig sind, in Gorleben schon widerlegt sind. Von daher ist die Position mindestens der SPD in Niedersachsen, aber auch bundesweit - so haben wir im Dezember beschlossen -, dass zu der weißen Karte gehört, dass Gorleben auf der nicht mehr drauf ist. Das ist erkennbar noch einer der großen Streitpunkte, wo die anderen Länder glauben, Niedersachsen sei hier noch in der Bringschuld. Das sehen wir nicht.
Barenberg: Und da will sich Norbert Röttgen, der Umweltminister, ja auch noch nicht festlegen. Nun heißt es immer, es gibt bisher keinen definitiven wissenschaftlichen Beweis, dass Gorleben ungeeignet ist als Standort für ein Endlager. Sie sehen das anders?
Jüttner: Wir sehen das anders. Wir wissen, dass aus politischen Gründen im Energiekonsens die Eignungshöffigkeit offen gehalten worden ist 2001, aber wir haben hier inzwischen Jahrzehnte Erfahrung mit wissenschaftlichen Kenntnissen über die Problemlagen in Gorleben und übrigens auch den Umgang mit kritischen Wissenschaftlern, die vor Jahrzehnten wirklich auch abgemahnt und ausgegrenzt worden sind. Von daher ist der Kenntnisstand zu dem potenziellen Standort Gorleben hier eben deutlich besser als auf Bundesebene.
Barenberg: Zum Schluss vielleicht noch, Herr Jüttner: Es soll ein neues Bundesinstitut für die Endlagerung geben, in Konkurrenz gewissermaßen zu dem existierenden Bundesamt für Strahlenschutz. Ist das eine Entmachtung aus Ihrer Sicht?
Jüttner: Ja da teile ich das, was eben aus Berlin gesagt worden ist. Das ist der dritte Schritt vor dem ersten und es ist erkennbar ein taktischer Versuch, das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter hier zu unterlaufen. Das ist wirklich nicht das, was wir brauchen.
Barenberg: Der SPD-Politiker und frühere Umweltminister Niedersachsens, Wolfgang Jüttner. Danke für das Gespräch, Herr Jüttner.
Jüttner: Bitte schön!
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