Aufarbeitungskommission legt Studie vor
Jugendämter hätten Fälle von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen verhindern können

Jugendämter in Deutschland hätten Fälle von sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen verhindern können, wenn die Mitarbeiter die Signale von Betroffenen oder andere Hinweise beachtet hätten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die die Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs in Berlin vorgestellt hat.

    "Jugendamt" ist am 14.09.2017 auf einem Schild in Dresden (Sachsen) zu lesen.
    Jugendamt (picture-alliance / dpa / Arno Burgi)
    Laut der Studie gelang es den Jugendamtsmitarbeitern zudem in mehreren Fällen nicht, Vertrauen zu Betroffenen aufzubauen, weil etwa ein geschützter Rahmen für Gespräche oder weil Zeit dafür fehlten. Auch war für viele Betroffene das Jugendamt zunächst mit Angst verbunden, etwa weil Täter eine Drohkulisse aufbauten und Kinder warnten, sie kämen ins Heim, wenn sie sich an die Behörden wendeten.
    Als Folge der Defizite müssten die Ämter künftig stärker sensibilisiert werden, hieß es. Die Beschäftigten bräuchten etwa eine bessere Ausbildung, sagte das Gremiumsmitglied, die Soziologin Barbara Kavemann. Zudem müsse die Arbeit von Jugendämtern etwa in Sozialen Medien besser sichtbar werden, damit Kinder und Jugendliche einfacher auf sie aufmerksam würden. Wenn das nicht gelinge, seien Betroffene zum Teil jahrelang der gewaltvollen Situation ausgesetzt mit weitreichenden Folgen für ihr Leben. Sie forderte zudem ein Recht der Betroffenen auf Akteneinsicht.

    Hintergrund Missbrauchskomplex Lügde

    Der Wissenschaftler Thomas Meysen plädierte als Co-Autor der Studie dafür, dass Jugendämter Kinder und Jugendliche beim Schutzhandeln und in den Hilfeverläufen stärker einbeziehen müssten. Der Geheimhaltungsdruck, unter dem von sexueller Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche stünden, sei regelmäßig besonders hoch. Wenn sich Kinder und Jugendliche selbst an Jugendämter oder an andere Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe wendeten, bräuchten Fachkräfte ein Bewusstsein, dass es in diesen Momenten nichts Wichtigeres gebe, als sich ihnen anzunehmen und ihnen Angebote zu machen.
    Hintergrund der zweijährigen Studie "Sexueller Kindesmissbrauch und die Arbeit der Jugendämter" ist unter anderem der Missbrauchskomplex in Lügde, der 2019 publik wurde. In dem Ort in Nordrhein-Westfalen hatten jahrelang Männer auf einem Campingplatz Kinder brutal vergewaltigt. Die beauftragten Wissenschaftler untersuchten nach eigenen Angaben 69 Fälle von Kindern, die Opfer von Missbrauch geworden sind und deren Familien in Kontakt zu Jugendämtern gestanden hatten. Sie werteten dazu systematisch vertrauliche Anhörungen und schriftliche Berichte aus.
    Diese Nachricht wurde am 12.12.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.