"Motion" – Bewegung heißt das Projekt, das in der Stendaler Arbeitsagentur stattfindet. Erst mal sitzen die Teilnehmer recht still im Stuhlkreis. Acht Männer und Frauen, die meisten um die 30 Jahre, ein paar ältere und jüngere sind dabei. Alle zwei Wochen treffen sie sich nun in den kommenden drei Monaten. In dieser Zeit sollen sie eine Arbeit finden. Er suche seit Mai, erzählt Christian, der lieber nur seinen Vornamen nennen möchte.
"Ich hab eine Ausbildung zum Maschinenanlagenführer gemacht, wurde nach der Ausbildung nicht übernommen. Der Beruf an sich ist ganz okay, aber ich will ihn nicht mehr machen, weil ich lieber was mit Menschen machen will."
Mit 16 habe er einfach noch nicht gewusst, was ihm liegt. Nach einigen Zwischenjobs bei einer Fastfood-Kette und Zeitarbeitsfirmen sucht er jetzt eine neue Ausbildung.
"Krankenpfleger oder so was in der Richtung. Noch ist man jung, da kann man noch eine neue Ausbildung machen."
Bessere Chancen für Arbeitssuchende
Ulrike Freyer leitet das "Motion"-Projekt. Sie wird dem 21-Jährigen passende Angebote schicken, einen Termin mit der Berufsberatung machen und beim nächsten Treffen in zwei Wochen wieder nachfragen:
"Dann geht es immer darum, sich auszutauschen, was habe ich die letzten zwei Wochen zwischen zwei Terminen gemacht, um in Arbeit zu kommen. Habe ich Bewerbungen geschrieben, auch irgendwo mal Klinken geputzt, um was zu finden? Und wir machen immer ein Bewerbungstraining: Was läuft beim Vorstellungsgespräch ab? Wie lese ich Stellenangebote richtig, um die Zwischeninformationen herauszufiltern?"
Nach drei Monaten haben mehr als 80 Prozent der Teilnehmer wieder Arbeit. "Vermittlungsquote" heißt das bei der Arbeitsagentur. "Motion" steigert die Chancen für Arbeitssuchende um 30 Prozent.
Es gibt diverse Projekte, staatlich gefördert, aber auch Unternehmen engagieren sich zunehmend.
In Sachsen-Anhalt sind diese Hilfen besonders nötig. Denn die Jugendarbeitslosigkeit liegt deutlich über dem Bundesschnitt. 2015 waren rund 9 Prozent aller 15- bis 25-Jährigen in Sachsen-Anhalt ohne Job – bundesweit ist die Quote bei 5,3 Prozent. Kay Senius, Chef der Regionalagentur Sachsen-Anhalt/Thüringen, betont, dass Jugendarbeitslosigkeit nicht das größte Problem auf dem Arbeitsmarkt sei. Aber wenn Jugendliche arbeitslos sind, dann stecke meist ein echtes Problem dahinter:
Viele Jugendliche haben keine Ausbildung
"Wenn wir das näher analysieren, stellen wir fest, dass ungefähr 60 Prozent unserer jüngeren Arbeitslosen keine Ausbildung haben. Die Ausbildung ist aber der Garant für eine gute und ununterbrochene Berufsbiografie."
Insgesamt sinkt die Jugendarbeitslosigkeit aber deutlich:
"In Sachsen-Anhalt heißt das in den letzten fünf Jahren einen Rückgang um 45 Prozent. Dahinter stecken mehrere Ursachen, nicht nur bessere Chancen am Arbeits- und Ausbildungsmarkt sondern insbesondere auch die demografische Entwicklung. In Sachsen-Anhalt sind es im Vergleich zu 2010 28 Prozent weniger Auszubildende, die wir gegenwärtig haben."
Damit liegt das Problem auf dem deutschen Arbeitsmarkt ganz anders als bspw. in Südeuropa. Während es dort zu viele Jugendliche für zu wenige Arbeitsplätze gibt, ist es hier andersherum. Auch in Sachsen-Anhalt sind tausende Lehrstellen frei. Es sind auch tausende Jugendliche auf der Suche – aber oft passen Bewerber und Ausbildungsplatz nicht zusammen.
Fehlende Motivation
Passend machen, das ist auch das Ziel von "Motion". Manchmal sei das schwierig, sagt Projektleiterin Ulrike Freyer:
"Ich beobachte vor allem eine fehlende Motivation. Es geht vielen so, dass sie zuhause wohnen, nicht wirklich den Druck haben, vielleicht auch ein bisschen verzweifelt sind, weil sie nicht gleich nach der Ausbildung übernommen worden. Manche wissen auch nicht, wie sie es anstellen sollen. Und dann ist es gut, wenn die Älteren in der Runde sagen: 'Pass mal auf, so und so läuft es. Ich habe auch mal so angefangen und irgendwann lief es dann besser.'"
Dass sich die Teilnehmer austauschen, spielt eine wichtige Rolle im "Motion"-Projekt. Irgendjemand hat immer von freien Jobs gehört oder einen ganz anderen Tipp. Das erhofft sich auch ein ausgebildeter Autoverkäufer in der Runde, nach mehreren wechselnden Jobs.
"Jetzt stehe ich halt ein bisschen vor der Frage, bleibe ich weiter bei dem Bereich oder fange ich bei meinen Hobbys an. Ich mache sehr viel mit Computern, ob ich das wieder zu meinem Beruf mache… Ausbildung würde ich ungern noch mal machen, dann wäre ich 28, wenn ich fertig ausgebildet bin. Irgendwann will man ja auch mal fest im Leben stehen."
Dafür hat einer in der Runde auch gleich schon die erste Idee: Ahnung von Technik und vom Verkaufen – wie wäre es mit Gutachter oder Sachverständiger? Dem 25-Jährigen macht das Hoffnung für die kommenden Wochen, mal ein paar andere Denkanstöße zu bekommen. Denn Arbeit gibt es ja genug, er muss nur die richtige finden.