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Jugendliche Flüchtlinge
Oft wohnungslos mit 18 Jahren

Minderjährige Flüchtlinge ohne Angehörige in Deutschland stehen unter besonderem Schutz. Sie werden in Wohnungen untergebracht und von Sozialpädagogen betreut. Doch mit dem 18. Geburtstag - oder sehr bald danach - endet diese Jugendhilfe. Dann stehen die jungen Leute oft ohne Wohnung da.

Von Sven Kästner |
    Ein Bewohner einer Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge steht am 14.11.2016 in Dresden (Sachsen) am Eingang eines Aufenthaltsraums. Am gleichen Tag besuchte Sachsens Sozialministerin die Einrichtung in der Sächsischen Landeshauptstadt.
    Minderjährige Flüchtlinge ohne Familie haben per Gesetz Anspruch darauf, bis zum 18. Lebensjahr in einer vom Jugendamt finanzierten Wohngemeinschaft der Jugendhilfe zu leben. (picture-alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
    Das Beratungs- und Betreuungszentrum BBZ im Berliner Stadtteil Moabit. Hier werden jugendliche Flüchtlinge unterstützt - bei ihrem Asylverfahren, bei wichtigen Ämtergängen oder der Schulanmeldung.
    Mohammed aus Gambia kam vor einem Jahr ohne seine Eltern in Deutschland an. Damals war er 17, deshalb lebte er zunächst in der sogenannten Clearingstelle des Berliner Senats. Das ist die erste Anlaufstelle für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Von dort aus kommen die Unter-18-Jährigen in Jugendhilfe-Einrichtungen. Doch in Mohammeds Fall kam es dazu nicht mehr.
    Zu seinem 18. Geburtstag sei er mit all seinen Papieren auf die Straße gesetzt worden, erzählt er. Auf sich allein gestellt, begannen Wochen der Ungewissheit, die Mohammed in verschiedenen Massenunterkünften für Geflüchtete verbrachte. Dort musste er mit mehreren fremden Männern das Zimmer teilen:
    Weil er nachts nicht schlafen konnte und die Ruhe zum Lernen fehlte, konnte Mohammed nicht mehr zum Deutschunterricht gehen. Den hatte er schon in der Clearingstelle begonnen.
    Minderjährige Flüchtlinge ohne Familie haben per Gesetz Anspruch darauf, in einer vom Jugendamt finanzierten Wohngemeinschaft der Jugendhilfe zu leben. Dort werden sie von Sozialpädagogen betreut. Nach ihrem 18. Geburtstag aber müssen viele Flüchtlinge diese Wohnungen verlassen. Normalerweise kümmern sich die bisherigen Betreuer noch um ein neues Obdach.
    "Wenn das nicht passiert, landet diese Person erst mal in der Notunterkunft oder in der Erstaufnahmeeinrichtung. Oder in der Obdachlosenunterkunft."
    Jungen Migranten finden keine Unterkunft
    Daniel Jasch vom Beratungszentrum BBZ kennt aus seinem Arbeitsalltag viele solcher Fälle. Laut einer Studie des Bundesfachverbandes unbegleitete minderjährige Flüchtlinge landet in Berlin nach dem Ende der Jugendhilfe jeder zweite Migrant in Gemeinschaftsunterkünften oder gar in der Obdachlosigkeit.
    Ähnlich sieht es in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen und Bayern aus. In Brandenburg finden sogar 80 Prozent dieser Flüchtlinge keine eigene Unterkunft. Für die jungen Leute, die meist noch zur Schule gehen oder eine Ausbildung begonnen haben, ist das ein harter Bruch:
    "Wenn man sich vorstellt, in einem Mehrbettzimmer mit zehn anderen Personen: Man ist auch auf einmal viel mehr Gewalt und auch einer ganz anderen Lebenssituation ausgesetzt. Unter diesen Unterbringungssituationen fragt man sich auch, wie ein Lernerfolg gewährleistet werden soll, wenn man gar keine Privatsphäre hat."
    Komplizierte Zuständigkeit der Behörden
    Als eine Ursache sehen Fachleute die komplizierte Zuständigkeit der Behörden. Flüchtlinge müssen eine Wohnung je nach Aufenthaltsstatus in unterschiedlichen Ämtern beantragen: bürokratische Vorgaben, die die Betroffenen meist nicht verstehen. Offiziell will der rot-rot-grüne Berliner Senat Hilfen für junge Volljährige großzügig gewähren. Die kommunalen Jugendämter aber hätten gar nicht genug Personal für die Bearbeitung, klagt Jasch.
    "Wir haben einfach das Problem, dass unsere Verwaltungen kaputt gespart worden sind. Und deswegen haben wir auch immer wieder Schließzeiten bei Jugendämtern – und dass einfach mal zwei bis drei Wochen niemand zu den Sprechzeiten dort ist."
    Die Probleme sind auch anderswo in der Berliner Flüchtlingsarbeit bekannt. Franz-Georg von Busse, ein pensionierter Manager, unterstützt ehrenamtlich sechs Jugendliche aus Syrien und dem Irak.
    "Ich hab bloß einen, bei dem das nahtlos weiterging, bei dem sich das Jugendamt – auch als er gerade 18 wurde – noch gekümmert hat. Und dem das Bezirksamt dann eine Wohnung verschafft hat, nahtlos, ohne dass er obdachlos geworden wäre."
    Wohnungssuche ohne Bescheid zur Kostenübernahme
    Selbst Jugendliche, deren Asylanspruch bereits anerkannt ist, sind vom Zuständigkeitsdschungel betroffen. In diesem Fall übernimmt – ähnlich wie bei Hartz-IV-Empfängern - eigentlich das Jobcenter die Miete. Beim Berliner "Kinder- und Jugendhilfe-Verbund" ist Mareike Rüggeberg für die Arbeit mit Geflüchteten zuständig. Sie erlebt immer wieder, dass sich die Jobcenter die Verantwortung gegenseitig zuschieben.
    "Das Jobcenter ist zuständig in dem Bezirk, in dem die Wohnung ist. Wenn gesucht wird, gibt es noch keine Wohnung, sprich: Es gibt kein Jobcenter."
    Bei der Wohnungssuche stehen die jungen Flüchtlinge deshalb ohne einen Bescheid zur Kostenübernahme da. Bei Vermietern haben sie deshalb kaum Chancen, zumal auf dem überlaufenen Berliner Wohnungsmarkt. Daniel Jasch vom Beratungszentrum BBZ warnt vor fatalen Folgen.
    "Natürlich ist das alles ein Hindernis zur Integration hier in unsere Gesellschaft. Wir müssten eigentlich jetzt die Mittel und die Chance in die Hand nehmen, diese jungen Menschen bestmöglich zu unterstützen, damit wir nicht wie in den neunziger Jahren mit den Folgeproblemen konfrontiert sind."