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Jugendliche mit Migrationshintergrund
Geringere Chancen auf Ausbildungsplatz

Junge Migranten finden schlechter einen Ausbildungsplatz als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Das hat das Bundesinstitut für Berufsbildung herausgefunden. An fehlendem Einsatz liegt es nicht, sagt Mona Granato vom BIBB im DLF: Auch bei ähnlichen Voraussetzungen seien ihre Chancen geringer.

Mona Granato im Gespräch mit Michael Böddeker |
    Die Medizinisch-technische Assistentin Betül Caliscan bei ihrer Arbeit in einem Krankenhaus.
    Ein Migrationshintergrund kann die Suche nach einem Ausbildungsplatz erschweren. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Michael Böddeker: Gerade ist eine neue Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung, kurz BIBB, erschienen. Befragt wurden dafür Jugendliche, die auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz waren. Das Ergebnis: Jugendliche mit Migrationshintergrund haben bei der Suche nach einer Stelle deutlich weniger Erfolg, und das liegt nicht allein daran, dass sie im Schnitt schlechtere Schulabschlüsse haben. Denn sogar, wenn sie eine Studienberechtigung haben, haben sie weniger Erfolg bei der Suche. Mehr darüber weiß Mona Granato vom BIBB. Wie kommt es denn, dass die Jugendlichen so schlechte Chancen haben?
    Mona Granato: Was wir auf jeden Fall sehen in unserer Studie, ist, dass die Jugendlichen sehr bemüht sind, einen Ausbildungsplatz zu finden, dass sie ähnliche Voraussetzungen haben wie die Jugendlichen ohne Migrationshintergrund, und dass sie dennoch geringere Chancen haben bei der Einbindung. Und was wir auch sehen in unseren Studien, dass sich daran in den letzten Jahren trotz eines sich entspannenden Ausbildungsmarkt nichts verändert hat für die Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Das heißt, Jugendliche mit Migrationshintergrund münden mit den gleichen Voraussetzungen seltener in eine duale Ausbildung ein als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Das heißt, ein junger Mann mit einem Hauptschulabschluss mit und ohne Migrationshintergrund hat unterschiedliche Chancen, auch wenn er aus dem gleichen sozialen Milieu kommt und eben ähnliche Voraussetzungen hat, sich für den gleichen Beruf bewirbt und in der gleichen Region lebt. Dennoch wird er seltener einen Ausbildungsplatz finden als diejenigen ohne Migrationshintergrund.
    Böddeker: Also es gibt da offensichtlich dieser Studie zufolge eine gewisse Ungerechtigkeit, eine Ungleichheit. Haben Sie irgendeine Vorstellung, wie es dazu kommt?
    Granato: Wir haben bisher von all den Faktoren, die wir untersucht haben, von allen Merkmalen noch nichts gefunden, wo wir sagen könnten, ja, aus dem und dem Grund finden die Jugendlichen mit Migrationshintergrund seltener einen Ausbildungsplatz als andere. Also auch, wenn sie sich für die gleichen Berufe bewerben. Oft wurde früher gesagt, ja, die Bildungsorientierung spielt eine Rolle, sie suchen andere Berufe. Aber auch wenn man das gleichsetzt, sie bewerben sich für die gleichen Berufe gleich intensiv, und sie haben die gleichen Voraussetzungen, dann finden sie seltener einen Ausbildungsplatz. Umgekehrt betrachtet, haben wir einige Punkte herausgefunden, wo wir sagen können, das gibt doch Anlass zur Hoffnung. Wenn Jugendliche mit Migrationshintergrund eine Einstiegsqualifizierung durchlaufen zum Beispiel, oder eben auch Praktika gemacht haben, längere Praktika, Einstiegspraktika bei den Betrieben, sodass die Betriebe und die Jugendlichen eine Chance haben, sich gegenseitig kennenzulernen, dann haben Jugendliche mit Migrationshintergrund deutlich bessere Chancen, auch einen Ausbildungsplatz zu finden und in diesen Betrieb dann auch einzumünden.
    Böddeker: Das heißt, das wäre auch eine Möglichkeit, wie man die Situation verbessern könnte, in dem man Praktika stärkt für Jugendliche mit Migrationshintergrund?
    Granato: Ja, indem sie an Schülerpraktika intensiv teilnehmen, aber auch eben an freiwilligen Praktika zum Beispiel in den Ferien. Wenn diese genutzt werden und wenn Betriebe bereit sind, Jugendliche mit Migrationshintergrund aufzunehmen, dann kann das förderlich wirken auf die Einmündung in Ausbildung.
    "Seltener teilgenommen an Vorstellungsgesprächen"
    Böddeker: Die Ursachen sind noch etwas unklar, haben Sie ja eben schon gesagt. Trotzdem muss es ja irgendwo eine Hürde geben, an der es scheitert. Ist das schon das Bewerbungsschreiben, oder werden die Jugendlichen weniger eingeladen, oder scheitert es dann im Vorstellungsgespräch? Wo ist da der Punkt, wo es nicht mehr weitergeht?
    Granato: Genaue Informationen liegen nur zu einem sehr geringen Anteil vor. Wir können auf jeden Fall sehen, dass sie seltener teilgenommen haben an Vorstellungsgesprächen. Sie werden einfach seltener, deutlich seltener eingeladen zu Vorstellungsgesprächen. Zum Beispiel wird von den Bewerbern und Bewerberinnen mit Migrationshintergrund knapp die Hälfte eingeladen, an Vorstellungsgesprächen teilzunehmen, und bei denjenigen ohne Migrationshintergrund sind es 62 Prozent. Sie haben auch etwas seltener an Einstellungstests teilgenommen. Das heißt, auch da werden sie seltener zu eingeladen.
    Böddeker: Das heißt, wenn es schon da scheitert, kann es auch einfach daran liegen, dass derjenige einen Namen hat, der eben nicht deutsch klingt?
    Granato: Ob es generell daran liegt, können wir nicht sagen. Wir haben Hinweise darauf, dass es bei zwei Berufen so ist, dass Bewerber mit einem türkischen Namen seltener eingeladen werden als Bewerber mit einem deutsch klingenden Namen, wenn sie die gleichen Voraussetzungen haben. Aber generell können wir das nicht feststellen. Hier liegt Forschungsbedarf vor.
    Böddeker: Kernpunkt der Analyse ist ja, dass es schon auf dem Weg zur Ausbildungsstelle Schwierigkeiten gibt. Haben Sie denn Ideen, wie man dieses Grundproblem lösen könnte?
    Granato: Eine Möglichkeit ist eben, stärker zu fördern, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund mehr Praktika oder Probetage oder Probearbeit in einem Ausbildungsbetrieb machen. Das ist ein Weg, um Jugendliche mit Migrationshintergrund noch stärker in Ausbildung zu bringen. Und natürlich auch für Betriebe, bei ihnen stärker anzusetzen, das Potenzial zu nutzen, das bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund liegt.
    Anonyme Bewerbung
    Böddeker: Was ja auch diskutiert wird, ist die anonyme Bewerbung, also eine Bewerbung, bei der nicht direkt offensichtlich ist, ob derjenige einen Migrationshintergrund möglicherweise hat. Könnte das auch helfen?
    Granato: Das hilft zum Teil, gerade bei größeren Betrieben, die ja ein größeres Portfolio haben und auch die Möglichkeiten haben, das zu nutzen. Zumindest werden die Jugendlichen dann zu Einstellungstests und Vorstellungsgesprächen eingeladen. Ob sie dann die nächste Hürde nehmen, und inwieweit es dabei hilft, darüber kann man noch nichts sagen.
    Böddeker: Sagt Mona Granato vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Wir haben über eine neue Studie gesprochen, laut der Jugendliche mit Migrationshintergrund bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle benachteiligt werden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.