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Julia Klöckner zum Waldgipfel
"Der Waldumbau ist eine Generationenaufgabe"

Brände, Sturm und Insektenbefall gefährdeten den Wald massiv - insofern seien akute Nothilfemaßnahmen erforderlich, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) im Dlf. Langfristig müsse ein Waldumbau erfolgen, um den "Klimaschützer Wald" zu retten. Doch das brauche Zeit.

Julia Klöcker im Gespräch mit Stefan Heinlein |
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) besucht ein Waldgebiet in Brandenburg (Treuenbritzen)
Für den Erhalt der Wälder zu sorgen, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Dlf (dpa / picture alliance / Carsten Koall)
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) begrüßte im Dlf, dass der Wald nun die Aufmerksamkeit erhalte, die er brauche. Das Thema habe lange Zeit auch medial gesehen "keine Konjunktur" gehabt. Doch nun stehe es zu Recht wieder im Fokus. Grundsätzlich könne man schon sagen, dass der deutsche Wald auf einem guten Weg und im Vergleich zu vor zehn Jahren viel durchmischter, viel standortangepasster sei. Dennoch stünden noch große Aufgaben bevor. Nach dem Krieg habe man mit schnell wachsenden Bäumen versucht aufzuforsten und Monokultur betrieben. "Ein Waldumbau ist eine Generationenaufgabe, die bekommen Sie nicht von heute auf morgen hin."
Zudem gebe es Stressfaktoren, die unseren Wald massiv gefährdeten. "Wir haben die Sturmschäden gehabt, wir haben Schadholz in den Wäldern, wir haben lang anhaltende Dürren gehabt, wir haben den Insektenbefall, wir haben den Borkenkäfer - das alles zusammengenommen hat zum Beispiel dazu geführt - auch die Waldbrände -, dass wir im vergangenen Jahr eine Fläche von 110.000 Hektar Wald an Freifläche jetzt haben, also Wald verloren haben. Das ist mehr, als das Land Berlin zum Beispiel von seiner Fläche her macht. "Insofern sei nun zunächst Nothilfe gefragt. Die Wälder müssten geräumt und von Schadholz befreit werden, man müsse für Lagerstätten sorgen, Transporte organisieren - und für all das Geld bereitstellen.
Doch vor allem müsse auch langfristig ein Plan zum Erhalt der Wälder gefasst werden. Deshalb habe sie auch eine neue Bundeswaldinventur in Auftrag gegeben, so Klöckner. Die Rettung der Wälder sei eine sehr wichtige Aufgabe: "Jeder Baum, der eingeht, da verlieren wir einen Mitkämpfer im Klimaschutz. Denn der Wald ist nicht nur Erholungsgebiet oder auch Heimat für Artenreichtum für Tiere, für Flora und Fauna, sondern der Wald ist Kohlenstoffspeicher, ist Klimaschützer, reinigt das Wasser, die Böden sind wichtig."

Hier das Interview in voller Länge:
Stefan Heinlein: Die Deutschen und ihr Wald, von jeher eine besondere Beziehung. Lange war er dunkel und gefährlich, dann romantisiert in Volksliedern und Gedichten, heute ein naturnaher Rückzugsraum für stressgeplagte Großstädter, wichtig für Klima und Umwelt. Ein Drittel des Bundesgebietes ist bewaldet, fast zwölf Millionen Hektar, doch dem deutschen Wald geht es so schlecht wie schon lange nicht mehr. Stürme, Borkenkäfer, aber vor allem die anhaltende Dürre sorgen für ein Sterben ganzer Waldflächen. Umweltschutzorganisationen schlagen Alarm und warnen vor einem Waldsterben 2.0. Auch die Politik scheint aufgewacht, heute in Sachsen ein Waldgipfel der zuständigen Länderressortchefs von CDU und CSU. Bastian Brandau berichtet.
Soweit unser Korrespondent Bastian Brandau und am Telefon nun Bundesministerin Julia Klöckner, zuständig für Landwirtschaft und Ernährung, CDU. Guten Morgen, Frau Klöckner!
Julia Klöckner: Guten Morgen, Herr Heinlein!
Heinlein: Frau Klöckner, Frage zunächst zum Verständnis: Warum ist das CDU-Parteibuch für Minister heute die Voraussetzung für die Teilnahme am Waldgipfel in Sachsen?
Klöckner: Ich selbst bin geladen worden als Bundeslandwirtschafts- und auch Bundeswaldministerin. Insofern werde ich da teilnehmen. Ich selbst werde im August noch einladen zu einem Verbändegespräch und dann im September zu einem nationalen Waldgipfel. Das Parteibuch spielt da keine Rolle, aber es ist auch nicht verkehrt, wenn eine Partei, eine Volkspartei wie wir Christdemokraten und auch die CSU, sich auch selbst positionieren. Ich bin sehr dankbar, dass Parteien sich Gedanken nicht nur über die Frage machen, ob es CO2-Bepreisung gibt oder nicht, sondern dass der Wald auch wirklich die Aufmerksamkeit erhält, die er auch braucht.
Heinlein: Ist denn das schwierige Thema Wald, das Waldsterben 2.0, tatsächlich ein Thema für parteipolitische Profilierung?
Klöckner: Es ist ein Thema, dass Parteien sich überhaupt Gedanken darüber machen. Wir in der Union haben schon immer im nicht nur Waldprogramm, sondern auch in Papieren, die die nächsten Schritte beschreiben, was wir uns als Aufgabe geben, dem Wald einen Fokus gegeben. Es ist ganz wichtig, dass wir konzeptionell vorangehen, dass man weiß, was man selber will und das dann zum Beispiel auch in einer Koalition miteinzubringen.
"Die Richtung stimmt, aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen"
Heinlein: Frau Klöckner, in der Vorbereitung auf das Interview habe ich ein wenig gestöbert auf der Internetseite Ihres Ministeriums und zum Zustand des Waldes heißt es dort: "Der Wald in Deutschland ist in einem guten Zustand, die Bewirtschaftung der Wälder in Deutschland ist nachhaltig und weltweit vorbildlich." Frau Klöckner, beschreibt das noch den aktuellen Zustand unserer Wälder im Jahr 2019?
Klöckner: Also es beschreibt einen grundsätzlichen Zustand laut Bundeswaldinventur, die alle zehn Jahre gemacht wird. Es ist tatsächlich so, dass unser Wald im Vergleich zu vor zehn Jahren heute viel durchmischter ist, viel standortangepasster ist, aber wir sind noch lange nicht fertig. Wenn wir wissen, dass nach dem Krieg mit schnellaufwachsenden Bäumen versucht wurde aufzuforsten, Monokultur dort eine Rolle spielte, und ein Waldumbau ist eine Generationenaufgabe, die bekommen Sie nicht von heute auf morgen hin.
Also die Richtung stimmt, nur jetzt haben wir Stressfaktoren, die unseren Wald so massiv gefährden, dass ich auch Alarm geschlagen habe. Das heißt, wir haben die Sturmschäden gehabt, wir haben Schadholz, also Kalamitätsholz in den Wäldern, wir haben langanhaltende Dürren gehabt, wir haben den Insektenbefall, wir haben den Borkenkäfer. Das alles zusammengenommen hat zum Beispiel dazu geführt, auch die Waldbrände, dass wir im vergangenen Jahr eine Fläche von 110.000 Hektar Wald an Freifläche jetzt haben, das heißt verloren haben, das ist mehr als das Land Berlin zum Beispiel von seiner Fläche her macht. Insofern, die Richtung stimmt, aber wir dürfen uns darauf nicht ausruhen. Ich habe jetzt auch eine neue Bundeswaldinventur in Auftrag gegeben.
"Der Wald ist Klimaschützer"
Heinlein: Frau Klöckner, manche Fachleute sprechen ja bereits von einer Jahrhundertkatastrophe für den Wald durch Dürre, durch die Schädlinge, BUND, die Naturschutzorganisation spricht von einem Waldsterben 2.0. Ist das eine zutreffendere Beschreibung für den Zustand unseres Waldes oder ist das Panikmache?
Klöckner: Ach, von Panikmache würde ich jetzt nicht sprechen, weil man dann demjenigen, der sich damit beschäftigt, etwas unterstellt. Also wir müssen uns vorstellen, dass wir zum Beispiel nur durch den Brand im vergangenen Jahr über 3.300 Fußballfelder verloren haben. Das ist jetzt nur der Brand gewesen. Jeder Baum, der nicht wieder aufgeforstet wird, jeder Baum, der verlorengeht, der eingeht, da verlieren wir einen Mitkämpfer im Klimaschutz, denn der Wald ist nicht nur Erholungsgebiet oder auch Heimat für Artenreichtum, für Tiere, für Fauna und Flora, sondern der Wald ist am Ende Kohlenstoffspeicher, ist Klimaschützer, reinigt das Wasser, die Böden sind wichtig.
Also das ist dramatisch, was wir haben. In den 80er-Jahren haben wir über das Waldsterben geredet. Er ist zum Glück nicht gestorben. Jetzt stirbt er in Teilen ab und wir haben viel zu wenig in der Öffentlichkeit, auch medial, geredet. Ich bin sehr dankbar auch über die Fachexpertise in meinem eigenen Ministerium. Wir sind das Bundeswaldministerium und wir forschen massiv seit Jahren, geben viel, viel Geld dafür aus, dass wir auch beratend zur Seite stehen, aber jetzt vor allen Dingen auch mit Geldern zur Verfügung stehen, um räumen zu können die Wälder und dann aber auch standortangepasst wieder aufforsten zu können.
Thema Wald bekam lange wenig Aufmerksamkeit
Heinlein: Wir reden ja auch heute Morgen über das Thema Wald, Frau Klöckner. Sie haben gerade auch wieder ein großes Wiederaufforstungsprogramm angekündigt. Es sollen künftig gesunde, klimastabile und naturnahe Mischwälder entstehen. Frau Ministerin, warum kommen Sie erst jetzt auf diese Idee? Die Nachricht vom Klimawandel und den Folgen der Dürre, die gibt es ja schon länger.
Klöckner: Na ja, das muss ja nicht an mir liegen, wenn Sie von der Idee vorher noch nichts gehört haben. Das Ganze ist schon sehr, sehr lange ein Thema, denn wir bauen den Wald kontinuierlich zusammen mit den Ländern auch um, und das ist nachweislich so. Es hatte keine Konjunktur, muss man ganz offen sagen, wenn wir über den Wald gesprochen haben. Wir haben die Bundeswaldtage und ich habe jetzt auch nicht immer Vertreter Ihres Hauses bei uns gesehen, als wir darüber gesprochen haben. Also das ist so, dass mediale Aufmerksamkeit dann geballt kommt, aber wir arbeiten schon sehr, sehr lange daran. Das heißt, wir forschen auch, welche heimischen Laubbäume, zum Beispiel auch seltene, zum Beispiel Edellaubbäume, wie etwa Linde- und Ahornarten oder Wildobst, die Wildkirsche oder auch Nutzbäume, die wir wieder einbeziehen können, aber wir prüfen auch, welche eingeführten Baumarten auch gut in unser Ökosystem passen und vielleicht sogar besser mit der großen Dürre zurechtkommen wie zum Beispiel die Douglasie oder die Roteiche.
"Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe"
Heinlein: Nun warnen aber die Waldbesitzer – und die sind ja zuständig für Wiederaufforstung unter anderem – bereits vor ideologischen Blockaden beim Thema Mischwald. Werden Sie denn Ihr naturnahes Aufforstungsprogramm auch gegen den Widerstand der Waldbesitzer durchsetzen oder spielt das Thema Profit auch eine Rolle in diesem Zusammenhang?
Klöckner: Erst mal ist ja Profit nichts Unanständiges. Also es ist ja bei uns in Deutschland häufig so, einerseits –
Heinlein: Kann es denn beides geben, Profit und naturnahes Wiederaufforsten?
Klöckner: – es sei denn, man ist ein öffentlich-rechtlicher Sender, aber natürlich müssen Sie auch Einnahmen generieren, und vor allen Dingen eine aktive Waldbewirtschaftung führt ja am Ende auch dazu, dass wir Holz nutzen können, dass auf Dauer CO2 bindet. Allein in Möbelstücken, in Saunen mit Holz, das hat Konjunktur. Das geschieht nicht von selbst. Natürlich spielt es auch eine Rolle, dass es sich rechnet, aber die Forstleute, die ich kenne, die Waldbesitzer, die sind diejenigen, die nicht in Quartalen denken, sondern in Generationen. Der Begriff Nachhaltigkeit kommt aus der Forstwirtschaft, deshalb sollten wir keinem vorwerfen, dass er auch Profit macht, aber diejenigen, die heute Geld in die Hand nehmen, auch die Waldbesitzer, die im vergangenen Jahr, die in diesem Jahr Geld in die Hand für neue Setzlinge genommen haben, die verdorrt sind, die haben viel, viel Geld verloren. Ich weiß nicht, welche sonstigen privaten Institutionen das sonst so machen würden. Das, was sie heute in die Hand nehmen an Geld, davon ernten sie heute nichts, sondern das ist eine Generationenfrage und am Ende ist jeder Baum, der heute nicht gepflanzt wird, ist das ein Schaden für unsere Enkel und Urenkel. Deshalb ist das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, aber es gibt auch ein paar Richtlinien und Maßstäbe, und deshalb lade ich auch zu einem Fachgespräch mit Verbänden, mit Holzindustrie, aber auch mit den Umweltverbänden im August ein, um zu besprechen, was ist standortangepasst, wo ist eine aktive Waldbewirtschaftung, gerade das, was unserem Wald hilft, und wo müssen wir den Wald sich selbst auch ein bisschen mehr überlassen.
"Wir müssen alles Wissen zusammenbündeln"
Heinlein: Frau Klöckner, geht es Ihnen denn jetzt aktuell um ein Nothilfeprogramm, also diese Million die Sie versprochen haben für unseren Wald, oder braucht es ein langfristiges Umsteuern der Wald- und Forstwirtschaft?
Klöckner: Sie sprechen da was genau Punktuelles an. Es ist nämlich beides, was wir jetzt sehr schnell brauchen. Es ist schon was, ja, doch, Nothilfe kann man es nennen. Wir müssen die Wälder räumen. Sie können nichts aufforsten, wenn das Kalamitäten-, also das Schadholz in den Wäldern liegt, dann können Sie gar nicht aufforsten. Vor allen Dingen, wir haben dort in ganz, ganz vielen Teilen den Borkenkäfer, der auch überspringt auf gesundes Holz. Also Schadholz muss raus. Wir müssen für Lagerstätten auch sorgen. Wir haben auch Nasslagerung, also Berieselung, dass auch Holz konserviert werden kann, weil auch viele Sägewerke voll sind. Die Abnahme läuft gerade nicht. Wir organisieren auch Transporte, auch das ist jetzt eine logistische Frage, also auch eine Nothilfe in der Tat. Langfristig, weil wir von Nachhaltigkeit sprechen, weil wir vom Klimaschutz für [unverständliches Wort, Anm. d. Red.] sprechen, aber auch von der – der Wald ist ja ein Multitalent –, müssen wir heute das so anlegen, im Übrigen auch mit dem Wissen zum Beispiel der Feuerwehr aus den Waldbränden, die mir gestern auch in Sachsen, wo ich gewesen bin und mir auch Brandwald angeschaut habe, die mir gesagt haben, welche Schneisen man zum Beispiel auch braucht, sollte es zu Waldbränden kommen, man auch Übergriffe, schnelles Übergreifen auch verhindern kann. Dieses Wissen müssen wir alles zusammenbündeln, und das ist dann auch eine Langfristwirkung.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.