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Jungbrunnen im Stock

Entomologie. - Im Alter lässt das Gedächtnis nach – das geht Menschen so, aber der Verlust kognitiver Fähigkeiten ist aber auch im Tierreich eine häufige Alterserscheinung. Jetzt haben Forscher der Arizona State University gezeigt, dass dieser Prozess keine Einbahnstraße ist – zumindest bei Bienen.

Von Joachim Budde |
    Honigsammeln ist die letzte Aufgabe in der Karriere einer Bienenarbeiterin. Nach dem Schlüpfen übernimmt sie zunächst Arbeiten im Stock, pflegt die Brut oder baut Waben. Nach drei Wochen geht sie in den Außendienst. Die Suche nach Pollen und Nektar ist sehr anstrengend für die Insekten. Bienen verbrennen förmlich, wenn sie fliegen, sagt Professor Gro Amdam von der School of Life Sciences an der Arizona State University im US-amerikanischen Tempe.

    "It’s the foragers that age, there is a kind of the final life stage of a bee."

    Erst die Sammelbienen alterten, es ist die letzte Phase ihres Lebens. Das zeigt sich auch bei den kognitiven Fähigkeiten der Bienen. Um zu prüfen, wie es um ihre Hirnleistung bestellt ist, testeten die Biologen die Lernfähigkeit der Bienen. Sie bliesen den Insekten einen bis dahin fremden Duft ins Gesicht und gaben ihnen direkt danach Zucker, sagt Amdam.

    "Beim ersten Mal reagiert die Biene nicht auf den Duft, aber sie bekommt Zucker. Eine schlaue Biene lernt den Zusammenhang sofort: Bereits beim nächsten Mal streckt sie ihre Zunge heraus, weil sie wieder Zucker saugen will. Mit anderen Bienen kann man das fünf, sechs Mal probieren, aber sie können diese Verbindung nicht herstellen."

    Die jungen Ammenbienen schnitten gut ab bei dem Test, die alten Sammelbienen schlecht. Sie waren senil geworden. Amdam und ihre Kollegen haben diesen Prozess umkehren können.

    "Wir haben die Sammelbienen getäuscht, damit sie wieder Aufgaben im Stock übernahmen. Wir haben all ihre jüngeren Schwestern gestohlen. Als die Sammelbienen in den Stock zurückkehrten, waren dort nur noch die Königin und die Larven. Einige von ihnen mussten also wieder als Ammen anfangen, weil sonst niemand die Arbeit gemacht hätte."

    Kurz nachdem sie die Arbeit im Stock wieder aufgenommen hatten, waren die Ex-Sammelbienen genauso schlecht wie zuvor – wie erwartet. Amdam:

    "Nach knapp zwei Wochen testeten wir die Bienen erneut. Die Hälfte der neu rekrutierten Ammen lernte wieder so schnell wie junge Bienen. Ihre Hirnleistung war also vollkommen wiederhergestellt."

    Amdam und ihre Kollegen haben die Gehirne der normalen Sammelbienen und der Rückkehrerinnen verglichen.

    "Wir haben bei einer Handvoll Proteine Unterschiede gefunden. Besonders interessant fanden wir, dass in den Hirnen der erholten Bienen der Spiegel solcher Proteine höher lag, die Zellen helfen, besser zu funktionieren. Ähnlich funktionierende Proteine gibt es auch im Menschen."

    Die Forscher fanden Antioxidantien und Chaperon-Proteine, die frisch gebildeten Proteinen dabei helfen, sich korrekt zu falten. Diese Proteine bremsen Alterungsprozesse. In der Humanmedizin ist man schon länger auf der Suche nach Medikamenten, die so etwas können. Amdam:

    "Obwohl wir die Bedeutung dieser Proteine kennen, wird es noch lange dauern, ehe es solche Medikamente geben wird. Wir konnten aber zeigen, dass bei Bienen schon eine Änderung des Umgangs die Bildung der hilfreichen Proteine auslöst. Statt also auf Medikamente zu warten, kann jeder Mensch sein soziales Leben ändern. Klar, niemand kann auf einen Schlag 20 neue Freundschaften schließen, aber jeder kann anfangen, an seinen Sozialkontakten zu arbeiten, denn das kann eine positive Kraft sein, wenn wir altern."

    Es gibt zahlreiche Studien von Alternsforschern, die zeigen, dass viele Sozialkontakte sich positiv auf die Leistungsfähigkeit von alten Menschen auswirken. Ob aber die Sozialkontakte das Hirn stimulieren oder umgängliche Menschen von Natur aus mit einem Gehirn ausgestattet sind, das weniger schnell altert, das ist noch nicht völlig geklärt. Gro Amdam:

    "Das lässt sich nur beweisen, wenn man die Gehirne von Menschen untersucht, und das geht nicht ohne weiteres. Wenn man aber weiß, nach welchen Proteinen man suchen muss, ist es vielleicht doch ethisch möglich."

    Und dabei können die zurückgekehrten Ammenbienen helfen.