Endlich ist der kleine Junge am Ziel. Tagelang ist er in seiner braunen Mönchskutte durch die sonnendurchglühte mediterrane Landschaft geirrt, bis hin zur Kirche des heiligen Antonius. Denn der, so die fromme strenge Großmutter, habe ihm das Leben gerettet und er schulde ihm diese Wallfahrt. In seinem Debüt "Sa Grascia", "Der Glaube", setzt der junge Italiener Bonifacio Angius eine alte Familiengeschichte in ausdrucksstarke Bilder um, lässt Raum und Zeit auf den ländlichen Straßen seiner Heimat Sardinien verschwimmen. So wie in "Sa Grascia" ziehen sich die Kindheit und die Suche nach der eigenen Identität als Leitmotiv durch viele der insgesamt 28 Filme im Internationalen Wettbewerb und den Internationalen Entdeckungen. Dabei geht es dem Programmgestaltern aber um eine möglichst große Vielfalt menschlicher Lebensentwürfe, sagt Festivaldirektor Michael Koetz:
"Manche Filme antworten ja wirklich direkt auf die Möglichkeiten, wie man leben sollte, oder nicht leben sollte, auf jeden Fall geben sie ein Beispiel, das den Menschen dann mehr bedeutet, als sich nur eineinhalb Stunden zu unterhalten im Kino. Wir versuchen ja, bei dem Festival anders zu sein, als das Kino und das normale Fernsehprogramm und die Zeit ein bisschen zum Anhalten zu bringen, ein bisschen die Menschen nachdenken zu lassen über sich und ihr Leben, über ihr eigenes, das kann das Kino ja, aber auch mit Intensität, dass man das Gefühl hat, damit könnte man sich jetzt wirklich mal eine Weile befassen."
Dabei sind die Filme völlig unterschiedlich, vom Familienmelodram bis zur fast experimentellen Komödie, erzählen ihre Geschichten in der Einsamkeit estnischer Wälder oder in der hektischen Metropole Tokio. Ihre Geschichten lassen sich nur äußerst selten in fünf Zeilen zusammenfassen. Sie beschreiben Risse innerhalb der Gesellschaft, unerwartete Konflikte, aber auch unmögliche Freundschaften zwischen scheinbar unvereinbaren Gegensätzen. So erzählt der schwedische Film "Viel Glück und pass gut auf dich auf" die ungewöhnliche Beziehung eines todkranken Witwers und einer störrischen 15-Jährigen. Er lebt inmitten von Modelllandschaften und geschnitzten Holzfiguren; sie versucht über Graffiti und schüchterne erste Schreibversuche ihren Platz in der Welt zu definieren. Für den 36-jährigen Regisseur Jens Sjögren ist sein Film in erster Linie ein Plädoyer für mehr Toleranz, mehr Vielfalt und weniger gesellschaftliche Anpassung:
"Es gibt Menschen die wollen der ganzen Welt zeigen, dass sie gesellschaftliche Normen überwinden. Ich finde das auch bewundernswert und wir wollten im Film viele solche Charaktere mit ihren Schrullen zeigen. Vielleicht beschreibe ich im Film eine Gesellschaft, wie ich sie gerne hätte und weniger, wie sie in Wirklichkeit ist. Aber es ist eine Hoffnung."
Andere, ebenso persönliche Geschichten, weisen mit weniger sympathischen Protagonisten auf die Narben der Geschichte hin: So zeigt der chilenische Film "Carne de Perro", "Hundefleisch", den Alltag eines vereinsamten, desorientierten Mensches: Alejandro, ein ehemaliger Folterer, hat nach dem Ende der Militärdiktatur die Orientierung verloren. Seine Frau und seine Tochter haben ihn verlassen, jetzt kann er nur noch den Hund zu Tode quälen. All das erzählt der Film unspektakulär, leise und fast kalt, aber mit der Kamera immer ganz nah am Protagonisten und schafft so ein überzeugendes Porträt eines autoritären Charakters. Wenn Alejandro am Ende des Films ganz in einer christlich evangelikalen Sekte aufgeht, hat das für den 29-jährigen chilenischen Regisseurs Fernando Guzzoni weder mit Reue noch mit Erlösung zu tun.
"Er kehrt wieder zum Militär zurück, nur jetzt als Kämpfer für den Glauben. Er ist ein sehr engstirniger Mensch, der ohne die Strukturen von Befehl und Gehorsam nicht leben kann. Diese Struktur hatte er in der chilenischen Armee, jetzt findet er sie in der religiösen Gemeinschaft. Er wird wieder zum Handlanger, so wie früher für die Militärdiktatur, aber jetzt eben für die Religion, was damals der Leutnant war, ist heute der Pfarrer. Wirklich wichtig sind für ihn nur Ordnung und Hierarchie."
"Manche Filme antworten ja wirklich direkt auf die Möglichkeiten, wie man leben sollte, oder nicht leben sollte, auf jeden Fall geben sie ein Beispiel, das den Menschen dann mehr bedeutet, als sich nur eineinhalb Stunden zu unterhalten im Kino. Wir versuchen ja, bei dem Festival anders zu sein, als das Kino und das normale Fernsehprogramm und die Zeit ein bisschen zum Anhalten zu bringen, ein bisschen die Menschen nachdenken zu lassen über sich und ihr Leben, über ihr eigenes, das kann das Kino ja, aber auch mit Intensität, dass man das Gefühl hat, damit könnte man sich jetzt wirklich mal eine Weile befassen."
Dabei sind die Filme völlig unterschiedlich, vom Familienmelodram bis zur fast experimentellen Komödie, erzählen ihre Geschichten in der Einsamkeit estnischer Wälder oder in der hektischen Metropole Tokio. Ihre Geschichten lassen sich nur äußerst selten in fünf Zeilen zusammenfassen. Sie beschreiben Risse innerhalb der Gesellschaft, unerwartete Konflikte, aber auch unmögliche Freundschaften zwischen scheinbar unvereinbaren Gegensätzen. So erzählt der schwedische Film "Viel Glück und pass gut auf dich auf" die ungewöhnliche Beziehung eines todkranken Witwers und einer störrischen 15-Jährigen. Er lebt inmitten von Modelllandschaften und geschnitzten Holzfiguren; sie versucht über Graffiti und schüchterne erste Schreibversuche ihren Platz in der Welt zu definieren. Für den 36-jährigen Regisseur Jens Sjögren ist sein Film in erster Linie ein Plädoyer für mehr Toleranz, mehr Vielfalt und weniger gesellschaftliche Anpassung:
"Es gibt Menschen die wollen der ganzen Welt zeigen, dass sie gesellschaftliche Normen überwinden. Ich finde das auch bewundernswert und wir wollten im Film viele solche Charaktere mit ihren Schrullen zeigen. Vielleicht beschreibe ich im Film eine Gesellschaft, wie ich sie gerne hätte und weniger, wie sie in Wirklichkeit ist. Aber es ist eine Hoffnung."
Andere, ebenso persönliche Geschichten, weisen mit weniger sympathischen Protagonisten auf die Narben der Geschichte hin: So zeigt der chilenische Film "Carne de Perro", "Hundefleisch", den Alltag eines vereinsamten, desorientierten Mensches: Alejandro, ein ehemaliger Folterer, hat nach dem Ende der Militärdiktatur die Orientierung verloren. Seine Frau und seine Tochter haben ihn verlassen, jetzt kann er nur noch den Hund zu Tode quälen. All das erzählt der Film unspektakulär, leise und fast kalt, aber mit der Kamera immer ganz nah am Protagonisten und schafft so ein überzeugendes Porträt eines autoritären Charakters. Wenn Alejandro am Ende des Films ganz in einer christlich evangelikalen Sekte aufgeht, hat das für den 29-jährigen chilenischen Regisseurs Fernando Guzzoni weder mit Reue noch mit Erlösung zu tun.
"Er kehrt wieder zum Militär zurück, nur jetzt als Kämpfer für den Glauben. Er ist ein sehr engstirniger Mensch, der ohne die Strukturen von Befehl und Gehorsam nicht leben kann. Diese Struktur hatte er in der chilenischen Armee, jetzt findet er sie in der religiösen Gemeinschaft. Er wird wieder zum Handlanger, so wie früher für die Militärdiktatur, aber jetzt eben für die Religion, was damals der Leutnant war, ist heute der Pfarrer. Wirklich wichtig sind für ihn nur Ordnung und Hierarchie."