Sabine Andresen ist Pädagogikprofessorin an der Goethe-Universität Frankfurt und mit ihrem Forschungsbereich an der Studie "JuCo 2" beteiligt. In der Erhebung der Universitäten Hildesheim und Frankfurt wurden mehr als 7.000 Jungendliche und junge Erwachsene dazu befragt, wie sie die Coronakrise erleben.
"Das Grundgefühl lässt sich zum einen mit einer doch großen Zustimmung der Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu den Infektionsschutzmaßnahmen beschreiben", sagte Andresen und betonte die große Bereitschaft dieser Altersgruppe, hier auch einen Beitrag zu leisten.
"Zum anderen müssen wir aber auch sehen, dass viele Jugendliche und junge Erwachsene in den letzten Monaten auch ein sehr pessimistisches Gefühl entwickelt haben", erläuterte sie. Beispiele seien Angst vor der Zukunft oder der Eindruck des Nichtgehört- und -gesehnwerdens.
Ein Bereich, in dem die Erfahrungen der Jugendlichen mehr für die Planung weiterer Maßnahmen mit einbezogen werden könnten, sei die Art und Weise, wie Jugendliche zu Hause lernen und was sie aus ihrer Sicht für verbesserungswürdig halten, sagte die Pädagogikprofessorin.
Auch Jugendliche vermissen echte Kontakte
Vor allem derzeit machten Jugendliche die Erfahrung, dass sie keinesfalls nur über soziale Medien kommunizieren wollen, sondern darauf angewiesen sind, auch physisch in einem Raum zusammen zu sein, erklärte Andresen.
Es sei falsch, die derzeitigen Jugendlichen bereits jetzt als "Generation Corona" zu stigmatisieren – "weil damit ja in der öffentlichen Diskussion einhergeht: Die Jugendlichen haben erhebliche Nachteile bezogen auf ihre Abschlüsse, bezogen auf die Übergänge, vor denen sie stehen." Umso mehr seien gerade jetzt größere Anstrengungen wichtig, damit keine "Generation Corona" mit all den negativen Implikationen entstehe. Es müsse nun alles dafür getan werden, damit Jugendliche das, was sie sich vornehmen und wünschen, auch erreichen könnten.
Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Faktenlage
Für junge Menschen sei die Diskussion über ihr Verhalten in einer häufig pauschalisierenden Weise belastend, sagte Andresen. "Alle diejenigen, die mit dem Brechen von Coronaregeln in Verbindung gebracht wurden, waren Jugendliche und junge Erwachsene." Dabei habe die Studie sehr deutlich zeigen können, dass mehr als 60 Prozent der Befragten den Infektionsschutzmaßnahmen zustimmen.
Zudem wisse man durch die Erhebung, dass Jugendliche selbst große Ängste davor haben, sich anzustecken oder ihre Familienangehörigen zu gefährden. Andresen: "Diese sorgsamen Maßnahmen, die Jugendliche selbst bereit sind zu treffen, werden häufig nicht anerkannt und sie werden auch nicht gesehen." Dies sei ein sehr problematisches Signal unserer Gesellschaft an Jugendliche und junge Erwachsene.
Größeres Bildungsgefälle als Folge der Krise
Eine Diskussion, die dringend intensiver geführt werden müsse, sei über das mögliche weitere auseinandergehen des Bildungsniveaus, erläuterte die Erziehungswissenschaftlerin – abhängig von den unterschiedlichen Voraussetzungen und Gegebenheiten der Jugendlichen zu Hause. "Durch Corona zeigen sich die Schwächen der Infrastruktur, die auch schon vor der Pandemie deutlich waren", sagte Andresen. Zum einen sei das das Defizit bei der Digitalisierung, aber auch die Defizite bei der Beteiligung.
Vermutlich am stärksten benachteiligt seien jene Jugendliche, die zu Hause wenig eigene Rückzugsmöglichkeiten hätten. "Wenn ich zu Hause keinen ruhigen Platz zum arbeiten habe oder auch keinen ruhigen Platz, um einfach mal in Ruhe den Gedanken nachgehen zu können oder abzuhängen: Das erhöht den Stress, das erhöht die Belastung und das schränkt ganz erheblich die Lern- und Bildungsmöglichkeiten ein." Über diesen Befund dürfe nicht hinweggesehen werden, so Andresen.
Laut der Pädagogikprofessorin berichten die Jugendlichen in der Studie, dass sie stets – "komme was da wolle, funktionieren sollen. Und jetzt sollen sie eben so funktionieren, dass sie sich auf jeden Fall den Unterrichtsstoff aneignen – auch zu Hause, auch über ihre digitalen Geräte. Sie wissen aber genau, dass es auch ständig – und in vielen Familien ist das ja auch so – einen Konflikt oder Auseinandersetzungen darüber gibt, wie lange sie vor dem Computer sitzen."