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Junge Flüchtlinge an Schulen
Die Last liegt auf den Hauptschulen

Laut einer Aufstellung der Bundesländer kamen bis Ende November rund 58.000 minderjährige Flüchtlinge nach Deutschland. Die Mehrheit von ihnen unterliegt der Schulpflicht. In sogenannten Übergangsklassen lernen sie die Grundlagen deutscher Bildung. Für die einheimischen Schüler ist das kein Problem, aber Kritik gibt es von anderer Seite.

Von Susanne Lettenbauer |
    Schüler lernen in einem Klassenzimmer an einer Hauptschule in Arnsberg (Sauerland).
    Schüler in einem Klassenzimmer (dpa / picture alliance / Julian Stratenschulte)
    "Das ist doch ein ganz normaler Mensch, der kann sich zwar nicht so artikulieren wie wir oder so reden wie wir, aber der ist ja da, um das zu lernen, also es gibt also keinen Grund, den anders zu behandeln."
    Große Pause heute Vormittag in der Mittelschule Herrsching am Ammersee. Eine Gruppe von 15-jährigen Jugendlichen steht im Flur, albert rum. Bei der Frage nach Flüchtlingen in ihrer Klasse kommen erst ein paar flapsige Bemerkungen, dann werden sie ernst: "Ja, das sind ganz normale Menschen wie wir, genauso halt, ich habe da kein Problem mit." - "Ich habe da kein Problem mit, solange sie mich nicht beim Lernen stören." - "Also man kann sich ja engagieren für die, zum Beispiel Hausaufgaben machen, Sprachkurse, dass man sie halt mit einbringt."
    Kontakt eher weniger, Helfen gern, wenn es nötig ist, freundliches Interesse an den Flüchtlingsmitschülern, solange sie nicht stören. Integration scheint hier kein großes Problem zu sein. Die Schüler an der Volksschule Herrsching akzeptieren ihre Mitschüler offenbar unvoreingenommen. Die Herkunft ist ihnen relativ egal. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Forsa-Umfrage des Deutschen Stifterverbandes, die heute vorgestellt wurde. Fast 90 Prozent aller Befragten berichten von einem guten oder sehr guten Verhältnis zwischen Schülern mit deutschen und ausländischen Wurzeln. Nur das Lehrpersonal sei überfordert.
    Nichts geht ohne die ehrenamtlichen Helfer
    Er versuche, die einheimischen Schüler bei der Integration der Neulinge einzubinden, aber nicht verpflichtend, sagt Herrschings Volksschulleiter Florian Thurmair: "Wir binden die Schüler schon ein. Jedes Flüchtlingskind hat hier einen Paten an der Schule, die aber nicht soviel Arbeit leisten, das ist mehr so ein niederschwelliges Angebot, dass man sie in die Pause begleitet, oder insbesondere wenn ich Kinder habe, die dieselbe Sprache sprechen, dass ich die Kinder in diese Klassen geben und ihnen Paten zuteile, der sich mit ihnen verständigen kann."
    Ohne die zahlreichen ehrenamtlichen Helfer wäre er definitiv nicht in der Lage, die Schüler angemessen zu fördern, betont Thurmair, der in Kürze sein 40-jähriges Berufsjubiläum feiert. Der Sprachunterricht, die soziale Integration erfolge fast ausschließlich durch ehrenamtliche Helferkreise. Zusätzliche Deutschlehrkräfte - Fehlanzeige. Zwei Stunden hätten die Flüchtlinge der Regelklassen extra Deutschunterricht, die übrige Zeit lernen sie bei einer pensionierten Lehrerin außerhalb der Schulzeit. Doch eines wurmt den Volksschulleiter besonders: Die gesamte Integrationsarbeit werde den Volksschulen überlassen, 537 Übergangsklassen in Bayern - alle an Volksschulen. Realschulen und Gymnasien müssten überhaupt keine minderjährigen Flüchtlinge aufnehmen und unterrichten. Das sei ein Unding, kritisiert Thurmair scharf.
    "Wir werden leider nicht informiert"
    28 Kinder und Jugendliche aus Afghanistan, Syrien und Nigeria hat Thurmair in seinen Regelklassen, an der Grundschule sind elf Schüler in einer speziellen Übergangsklasse. Jeden Tag könnte ein neues Kind morgens bei ihm im Büro stehen. "Wir werden leider gar nicht informiert, sondern die Kinder stehen dann im Sekretariat in der Früh, dann füllen wir den Anmeldebogen aus, dann überlege ich schnell, welche Klasse würde passen, sowohl von den Schülern, wie auch von den Sprachen, ob die passen und dann gehe ich zu der Klasse und übergebe es der Lehrerin, hier haben sie ein neues Kind und die Lehrkräfte kümmern sich dann darum."
    Natürlich fehlt auch an der Volksschule Herrsching Lehrpersonal. Er könne sofort drei neue Lehrer einstellen, sagt Schulleiter Thurmair. Platz wäre vorhanden. Vom Kultusministerium wurde ihm eine Vollzeitstelle genehmigt, das sei positiv, auch vom Schulamt Starnberg erhält er Rückendeckung. Nur in den Regelklassen sei jetzt der übliche Förderunterricht für einheimische Schüler weggefallen, weil die Lehrerin Flüchtlinge betreut. Die scharfe Kritik des Deutschen Stifterverbandes an der Lehrerknappheit kann er so nicht nachvollziehen. Der Freistaat engagiere sich, im kommenden Jahr sei eine Verdreifachung der Übergangsklassen geplant. Nur sei die Zahl der ankommenden Flüchtlinge ja nicht absehbar.