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Junges Gemüse sucht neuen Acker

Zehn Jahre ist es her, seit in den USA erstmals gentechnisch veränderte Soja kommerziell angebaut wurde. Inzwischen hat die Grüne Gentechnik rund fünf Prozent der Ackerfläche der Welt erobert. Auch in Deutschland haben einige wenige Landwirte eine erste Ernte von insektenfestem Mais eingefahren - begleitet von starken Protesten.

Von Volkart Wildermuth |
    Am Rande des Naturparks Märkische Schweiz in Brandenburg liegt das kleine Dorf Hohenstein. Kaum ist man da, ist man auch schon durch. Kneipe, Laden, Kirche entlang der Straße, die Seitenwege märkischer Sand. Nicht gerade der Ort für eine Revolution. Doch 2005 hat hier der Bauer Jörg Piprek als einer der Ersten in Deutschland Genpflanzen kommerziell angebaut. BT-Mais, einen Mais der mit einem Bakteriengen vor den Raupen des Maiszünzlers geschützt ist.

    " Wir haben ja neben dem BT-Mais noch ganz normalen Mais angebaut und da sieht man es eigentlich am deutlichsten, wenn man das im Feld - das ist wirklich sehenswert, wenn man sich das anschaut. Der BT-Mais ist vollkommen grün und gar nicht befallen und dementsprechend unbeschädigt und daneben dann eine Pflanze weiter, der ganz konventionell angebaute Mais ist dann vom Zünsler befallen. Und eigentlich ist es sehr eindrucksvoll und wir haben natürlich auch den Ertrag verglichen und das war auch ganz klar und ganz eindeutig ein großer Unterschied. "

    Jörg Piprek ist ein Neuzugang im Dorf. Seine Landfarm Hohenstein besteht aus ein paar Lagerhallen und jeder Menge schwerer Maschinen. Ganz anders sieht es beim Nachbarn aus. Der Ewaldhof ist ein Bauernhof wie aus dem Bilderbuch. Fachwerk, ein Garten mit bunten Blumen und Gemüse, Stallungen. Seit Generationen bewirtschaftet hier Familie Ewald die Felder, inzwischen streng nach den Kriterien des Biolandbaus, und deshalb ist man über den neuen Nachbarn nicht so recht froh.

    " Wir haben unseren Betrieb ökologisch dem Naturpark und der Landschaft angepasst und jetzt kommt der Piprek und macht diesen neuen modernen Kram, wo keiner genau weiß und wir haben einfach Existenzängste, und es ist schon schwer, diese Ernte wieder an den Hut zu kriegen und zum anderen, wie gesagt, dass dieses eigentliche Flair, das wir aufgebaut haben, wir dadurch verlieren können, eben wie Urlaub auf dem Bauernhof und dergleichen. Die Leute kommen mit Erwartungen hierher, ökologischer Betrieb, Naturpark und mit einem Mal stehen da Gen-Maisfelder drin. "

    Die grüne Gentechnik ist in Deutschland angekommen - aber angenommen wird sie deshalb noch lange nicht.

    Genetisch veränderter Mais mag in Deutschland neu sein, weltweit betrachtet hat er sich in vielen Ländern durchgesetzt. Zehn Jahre ist es her, das 1996 die ersten Sojabohnen der Firma Monsanto auf den Feldern der USA geerntet wurden, ohne größere Proteste im übrigen. Die grüne Gentechnik hat also Geburtstag, Zeit Bilanz zu ziehen.

    Halt, bei den Produkten der Gentechnik für den Acker ist nichts unumstritten. Selbst der Geburtstag nicht. Die Geschichte beginnt gar nicht mit den Sojabohnen sondern mit der Antimatschtomate. Die wurde schon zwei Jahre früher angebaut und vermarktet, nur leider traf FlavrSavr, die angeblich stoßfeste Tomate, nicht den Geschmack der Kunden. Ihr Hersteller ging Pleite, das innovative Produkt hatte noch ein kurzes Nachleben als Dosenpüree bevor es endgültig verschwand.

    Ein Fehlstart, zugegeben. Erfolg auf dem Acker hatten die Gentechniker erst, als sie sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden besannen, und das sind nicht die Verbraucher sondern die Bauern, die ja das GM-Saatgut, das genetisch manipulierte Saatgut, kaufen. Davon gibt es zwei Varianten: Bt-Sorten sind Pflanzen mit eingebautem Insektenschutz. Dagegen vertragen die herbizidresistenten Sorten spezielle Unkrautvernichtungsmittel. Der Vorteil: der Bauer sprüht nicht mehr vorsorglich, sondern nur wenn die Unkräuter tatsächlich zum Problem werden. In beiden Fällen kommt weniger Chemie auf den Acker. Gut für den Geldbeutel und gut für die Umwelt.

    Behaupten die Werbebroschüren der Unternehmen, und damit konnten sie offenbar viele Soja-, Mais-, Raps- und Baumwollbauern überzeugen.

    Die Wachstumsraten sind Jahr für Jahr zweistellig. 2004 haben 8,5 Millionen Bauern GM-Saatgut angepflanzt, 90 Prozent davon waren Kleinbauern in der dritten Welt. Die großen Flächen liegen aber in den USA, Kanada, Brasilien und Argentinien.

    Robert Fraley, Chef der Entwicklungsabteilung von Monsanto:

    " Diesen Innovationsschub verdanken wir der Anwendung von zwei Genen in einigen Nutzpflanzen. Inzwischen können wir tatsächlich Hunderttausende von Genen untersuchen und sie in praktisch jede Pflanze hinein bekommen. "

    " Für mich ist es wie in den Sechzigern in der Computerindustrie. Es gab die Transistorradios, aber wer hätte all unsere Handys und Computer vorhergesehen und all die Auswirkungen, die sie auf Kommunikation und Unterhaltung haben. Genau da stehen wir heute mit der Agrobiotechnologie. Es gibt viele Möglichkeiten und wir werden viel Nutzen und Gewinn erzielen, für die Unternehmen genauso wie für die Konsumenten. "

    Die Manager der Genfirmen sind zufrieden, ihre Geschäfte laufen.

    Man kann die Bilanz der ersten zehn Jahre aber auch ganz anders interpretieren.

    Selbst in den USA lehnt die größte Gruppe der Landwirte, die Weizenfarmer, die Gentechnik nach wie vor ab. Und wenn die gentechnisch veränderten Pflanzen auf rund fünf Prozent der weltweiten Ackerfläche angebaut werden, dann heißt das eben auch, dass auf 95% der Flächen traditionelle Sorten gedeihen und die ernähren die Weltbevölkerung. Gemessen an den Versprechungen ist die Grüne Gentechnik in ihrer ersten Dekade noch nicht weit gekommen. Zudem kommt es immer wieder zu Pannen, nicht zugelassene Pflanzen werden angebaut, Futtermais findet sich in Fastfood-Produkten

    Christoph Potthof, Experte für die Grüne Gentechnik vom kritischen Verein Gen-Ethisches-Netzwerk:

    " Also, wenn ich nur zehn Sekunden Zeit hätte, würde ich sagen, dass Gentechnologie nicht kontrollierbar ist gesellschaftlich und deshalb mit erheblichen Problemen verbunden ist und wenn ich ein bisschen mehr Zeit hätte, würde ich sagen, dass ich erhebliche Zweifel habe an ihrer Sicherheit, sei es in Bezug auf die Umwelt, sei es in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit. "

    " Die ganze Welt ist sich einig, auch die USA und die Verfechter der Gentechnologie, dass es eine Regulierung in irgendeiner Art geben muss. Auch wenn die USA praktisch bei ihrer Regulierung von Deregulierung spricht bei bestimmten Pflanzen, akzeptiert sie, dass die Pflanzen in irgendeiner Weise anders sind als traditionell gezüchtete Pflanzen. "

    In Hohenstein hat Jörg Piprek den "MON 810"-Mais korrekt beim Bundesamt für Verbraucherschutz angemeldet. Sich vorher im Dorf abzusprechen hielt er nicht für nötig, schließlich ist der Mais zugelassen. Die Reaktionen einiger seiner Nachbarn haben ihn überrascht, aber nicht aus der Ruhe gebracht.

    " Dorfstreit, so würde ich es nicht sagen. Es gab Diskussionen, es gibt auch hier einige, das waren zum großen Teil dann eben Nicht-Landwirte, so habe ich den Eindruck, aus ideologischen Gründen. / Wir haben einen ökologisch wirtschaftenden Landwirtschaftsbetrieb und dazu halten wir Abstand, obwohl er ja noch gar keinen Mais anbaut und versuchen da auch gar nicht auf Konfrontation zu gehen und ansonsten mit den anderen Mais anbauenden Nachbarbetrieben habe ich keine Probleme. Wir sprechen uns hier ein bisschen ab und da gibt es keine Probleme. "

    Das sieht Biobäuerin Kirsten Ewald etwas anders. In Hohenstein gab es erregte Diskussionen, viele haben sich gegen den GM-Mais ausgesprochen, der Pfarrer hat untersagt, dass er auf Ländern der Kirche angepflanzt wird. Es gab Protestbriefe an die Ministerien und Unterschriftensammlungen. Letztlich mussten sich die Gegner aber damit abfinden, dass der Anbau von gentechnisch verändertem Mais in Deutschland amtlich erlaubt ist. Kirsten Ewald:

    " Wir sind jetzt zufrieden, dass wir mit ihm diese kleine Regelung gefunden haben, aber dieses Problem bleibt trotzdem im Dorf bestehen und ich denke mal, je mehr die Leute sich damit beschäftigen desto intensiver werden sie auch dagegen angehen. Also leicht machen wir es ihm nicht, sagen wir mal so. Ich hoffe, es bleibt die Minderheit. Gut, wenn man die Argumente der Bauern hört und wir hören dann so diese Worte, mein Gott, das ist doch wie so ein TÜV. Wenn wir ein Auto kaufen, gehen wir auch davon aus, das hat einen TÜV und das ist dementsprechend in Ordnung und so gehen wir mit dem Gen-Mais auch um und da finden wir einfach keine Argumente mehr. "

    In Deutschland und Europa sind es vor allem drei Bereiche, die beim Thema grüne Gentechnik Sorgen bereiten: Erstens, die Sicherheit der Nahrungsmittel aus GM-Pflanzen. Zweitens die Auswirkungen des Anbaus auf die Umwelt und Drittens die Frage, ob es in Zukunft überhaupt noch die Möglichkeit geben wird, sich für gentechnikfreie Nahrungsmittel zu entscheiden.

    Zum Thema Sicherheit ist erst einmal festzuhalten, dass inzwischen seit zehn Jahren gentechnisch veränderte Nahrungs- und Futtermittel im Einsatz sind ohne dass es bislang Probleme aufgetreten sind.

    Sicher, es gab keine Welle von Vergiftungen, aber das ist kein Freibrief für GM-Essen. Das meint auch Christoph Potthof

    " Also ich stelle mir das nicht so vor, dass Leute akut toxisch sterben, so darf man sich das nicht vorstellen, auch bei den Versuchstieren, die bestimmte Auffälligkeiten hatten, sind das zum Teil natürlich extreme Dosen an bestimmtem Futter, was die bekommen haben usw. Man muss sich das vorstellen, dass es ein längerer Prozess ist. "

    Genetisch veränderte Nahrungsmittel könnten eher subtile Effekte haben, die aber auf lange Sicht doch relevant sind. Das ist nicht ungewöhnlich. Viele Schadstoffe beeinträchtigen die Gesundheit erst über viele Jahre und werden dennoch streng reguliert. Deshalb ist eine Sicherheitsüberprüfung so wichtig. Dabei sorgen gelegentlich selbst gut verstandene Gene für Überraschungen. So wollten australische Forscher ein Gen aus einer Bohne in eine Erbse übertragen. Bohnen und Erbsen stehen ja schon lange auf dem Speisezettel und sind gut verträglich. Trotzdem erhöhte das Bohnengen in der Erbse das Allergierisiko bei Mäusen. Christoph Potthof:

    " Da geht es mir gar nicht um die konkrete Entscheidung, sondern um das spezifisch gentechnische Moment, weil das war der Schritt wie das Protein sozusagen in die andere Pflanze gekommen ist. Tatsächlich ist es aber mal wieder ein Hinweis, dass das nicht einfach so ein Modellbaukasten ist, der einfach so jedes Protein akzeptiert oder dass das dann auch zu unverträglichen Lebensmitteln führt. "

    So einfach und klar vorherzusagen, wie immer behauptet, sind die Auswirkungen einer genetischen Manipulation eben nicht.

    Aber die australischen Forscher haben die Entwicklung der Erbse mit dem Bohnengen gestoppt. Auch andere problematische Projekte sind eingestellt worden, lange bevor sie den Teller erreichen konnten. Die Sicherheitsvorkehrungen funktionieren also. Klaus Amman, bis vor kurzem Direkter des Botanischen Gartens Bern und Mitglied einer Arbeitsgruppe der European Science Foundation zur grünen Gentechnik:


    " Es ist so, dass schlicht und einfach diese Gentech-Nahrungsmittel die sichereren sind als die normalen Nahrungsmittel. Weil man genau gewusst hat, was getestet werden soll und die ganz wenigen raren Fälle, wo man gesehen hat, das sind Allergene oder sonstige Probleme, die hat man eben dann eliminieren können. "

    " Bei der normalen Nahrung, Einführung der Kiwi, berühmtestes Beispiel, hat es ja tödliche Allergiefälle gegeben. Das hat niemanden einen Dreck gekümmert, wenn das durch eine Gentech-Pflanze passiert wäre - ein tödlicher Fall - die ganze Welt wäre Kopf gestanden. Aber es war ja nur die Kiwi. "

    Es gibt inzwischen sogar ein klar belegtes Gebiet, auf dem die GM-Pflanzen besser abschneiden als ihre natürlichen Vorbilder. Bt-Mais ist deutlich weniger mit krebserregenden Pilzgiften belastet. Was den Effekt der grünen Gentechnik auf die Umwelt betrifft existiert eine umfangreiche Sicherheitsforschung, unter anderem auch auf den Feldern von Jörg Piprek:

    " Beim BT-Mais, das hat mich echt beeindruckt, ist der Einfluss auf die Insekten ganz klar genauso wie bei der Nullvariante, also alle Insekten, die da so rumrennen und rumlaufen, werden überhaupt nicht beeinträchtigt und können da frei leben. Dagegen bei der chemischen Insektizidvariante ist es nach der Spritzung eigentlich erstmal totaler Ausfall. Es ist alles weg, was da so rumläuft und der Erfolg gegen den Zünsler ist nicht so wie beim BT. Es ist schwer, mit einem chemischen Präparat den Zünsler wirklich zu bekommen. Und von daher finde ich, das ist eine ganz tolle Variante, weil der Einfluss auf die Insektenwelt eben im Prinzip gar nicht da ist. "

    Trotzdem bleibt die Gefahr der Auskreuzung, der Vermischung der GM-Pflanzen mit natürlichen Verwandten. In Deutschland ist vor allem der Raps ein Problem, der hier, anders als der Mais, reichlich Kreuzungspartner findet. Wenn einmal ein GM-Raps zugelassen wird, ist es praktisch nicht zu vermeiden, dass er sich etwa mit dem Ackersenf vermischt.

    Das machen aber auch die heute schon angepflanzten konventionellen Sorten. Die Mischlinge können sich aber nur in der Nähe der Felder und an Wegrändern halten. In einer naturbelassenen Umgebung haben sie keine Chance gegen die Konkurrenz der Wildpflanzen. Wenn sich die künstlichen Gene in einigen wenigen Pflanzen halten können, ist damit noch lange nicht das Ökosystem gefährdet.

    Hierzulande mag das unproblematisch sein. Anders sieht es in den Gebieten aus, in denen die Nutzpflanzen entstanden sind und wo deshalb der größte Reichtum an genetischer Vielfalt existiert. In Mexiko etwa sind vor fünf Jahren künstliche Gene in alten Mais-Sorten aufgetaucht. Christoph Potthof:

    " Bei diesen traditionellen Maissorten ist es schon auch so, dass man dann auch bei Züchtern so ein Schlucken wahrnimmt, wo sie denken, jetzt also diese Landsorten und das liegt daran, dass diese Landsorten extrem wichtig sind für die Züchtung in der Zukunft und greift auch bei moderner Züchtung auf traditionelle Sorten zurück und man weiß nicht, inwieweit eben tatsächlich eine konkrete Gefährdung durch dieses Einkreuzen letztendlich entsteht. "

    Der Fall ist umstritten. Vorsorglich hat die Regierung Mexikos eine Aufklärungskampagne gestartet. Offenbar mit Erfolg, die Bauern pflanzen aus den USA importierten Futtermais nicht mehr aus. Inzwischen sind in den Landsorten keine GM-Spuren mehr nachweisbar.

    Über das Risiko der Auskreuzung kann man sicher geteilter Meinung sein. Ein Problem bleibt dennoch, und das ist der UMGANG mit den genetisch veränderten Pflanzen. In den USA werden mal Samen falsch deklariert, dann verkauft eine Firma über Jahre hinweg eine nicht zugelassene Sorte, ohne es selbst zu merken, ein Unternehmen vergisst, seine Versuchsfelder wie vorgeschrieben von Rückständen zu reinigen und, und, und. Bei einer so laxen Sicherheitskultur ist Koexistenz, das geregelte Nebeneinander von konventioneller Landwirtschaft und grüner Gentechnik kaum vorstellbar. Es ist praktisch unvermeidlich, dass der Konsument zumindest ab und zu genetisch veränderte Nahrungsmittel auf dem Teller hat, ob er nun will oder nicht.

    Das mag in Ausnahmefällen so sein, generell gelten in der EU und damit auch in Deutschland aber klare Regeln. Bauern, die GM-Mais anbauen, halten Sicherheitsabstände zu den Feldern ihrer Nachbarn ein. Wenn es doch zu Verunreinigungen kommt, müssen sie den Schaden bezahlen. Den Verbraucher betrifft die Gentechnik sowieso kaum. Der Mais wird im Stall verfüttert und landet nicht auf dem Teller. Nahrungsmittel mit der Kennzeichnung "genetisch modifiziert" finden sich kaum in den Supermärkten.

    Als der BT-Mais vergangenes Jahr auf Bauer Pipreks Feld grün und hoch wuchs, bekam Hohenstein ungewohnten Besuch. Hunderte Menschen aus ganz Deutschland folgten dem Aufruf der Initiative "Gendreck weg", wollten das GM-Feld zertrampeln. Der Aufmarsch überraschte die Hohensteiner, dass sich Leute von außerhalb in die Auseinandersetzung im Dorf einmischen würden, hatte niemand erwartet, auch nicht Jörg Piprek:

    " Das war letztes Jahr so für mich ein bisschen eigenartig oder unverständlich. Ich habe nicht damit gerechnet, dass hier so eine - das war ja auch von außen so eine Gruppe, die sich organisiert hat und die diese Veranstaltung organisiert haben, um diese so genannte "Feldbefreiung" durchzuführen und das ist eine Sache, die ich überhaupt nicht verstehen kann. Das ist der vollkommen falsche Punkt und wenn sie hier Felder zerstören wollen, dann sind wir da ja auch recht wehrlos dagegen. Wenn ich ein Problem mit dem BT-Mais habe, dann müsste ich mich an die Zulassungsstellen wenden, aber hier Felder zu zerstören und solch ein Aktivismus, das ist für mich keine Form unter zivilisierten Menschen, wie man mit solchen Problemen umgeht. "

    Unter den staunenden Augen der Dorfbewohner wurde routiniert das Ritual des Protests abgespult. Auf der einen Seite die Demonstranten, die versuchten irgendwie querfeldein auf das umstrittene Feld zu gelangen. Ihnen gegenüber dreihundert Polizisten, komplett mit Pferden, Hunden und Hubschrauber. Dazwischen die Medienvertreter auf der Suche nach den schönsten Bildern. Am Ende waren alle zufrieden. Die einen, weil kaum eine Maisstängel geknickt wurde, die anderen, weil der Kampf gegen die Grüne Gentechnik mal wieder Schlagzeilen machte. In diesem Jahr ist es in Hohenstein ruhig geblieben. Aber in einigen anderen Dörfern wurde genetisch veränderter Mais zerstört.

    Die zögerliche Haltung Europas ist eher die Ausnahme. Viele Länder, vor allem auch in der dritten Welt, begreifen die grüne Gentechnik nicht als Risiko, sondern als Chance. Ismail abdelHamid vom Agrarforschungszentrum in Kairo:

    " In Ägypten haben wir nicht diese Ängste wie in Europa. Sie macht Europa zu einer isolierten Insel. Ihr denkt, dass diese Technologie Monster erzeugt, davor haben wir in Ägypten keine Angst.

    Wir arbeiten an unseren eigenen Nutzpflanzen, mit unseren eigenen Händen, mit unseren eigenen Forschern und wir haben Erfolg. Feldversuche zeigen, dass diese Pflanzen zum Beispiel vor Viren geschützt sind, und dass sie im Vergleich zu den konventionellen Sorten höhere Erträge und eine bessere Qualität bieten. Man muss an den nationalen Problemen arbeiten, dann hat man auch Erfolg. "

    Am Institut von Ismail abedelHamid wird mit Mais, Melonen, Tomaten und Kartoffeln experimentiert, er arbeitet mit Forschern aus anderen Entwicklungsländern genauso zusammen, wie mit westlichen Großkonzernen und zwar auf Augenhöhe. Wertvolle Gene werden gemeinsam patentiert, die Vermarktung aufgeteilt. Allerdings gibt es in Ägypten noch keine Erfahrung mit dem kommerziellen Anbau. Dagegen wird in Südafrika, Indien und vor allem in China gentechnisch veränderte Baumwolle auf großen Flächen angebaut.

    " Viele Kleinbauern pflanzen Insekten resistente Baumwolle an, "

    so Yufa Peng von der Chinesischen Akademie für Agrarwissenschaften in Beijing.

    " Das Einkommen der chinesischen Kleinbauern steigt dadurch deutlich an, zusätzlich verbessert sich auch ihre Lebensqualität und Gesundheit, weil sie weniger chemische Insektenvernichtungsmittel versprühen. "

    Zugegeben, die BT-Baumwolle war in China einige Jahre ein Erfolg. Aber 2004 wurden dann Wanzen zum Problem und gegen die ist die BT-Technologie machtlos. Die Bauern mussten wieder teure Chemie spritzen. Vielleicht war das nur ein schlechtes Jahr, vielleicht zeigt sich hier aber, dass die BT-Sorten eben keine dauerhafte Lösung der Probleme darstellen. Auch in Indien hat die grüne Gentechnik nicht immer gehalten, was die bunten Prospekte versprachen. In manchen Regionen waren die GM-Sorten nicht an die lokalen Bedingungen angepasst, es kam zu Fehlernten, viele Bauern standen vor dem Ruin.

    Die Bilanz der grünen Gentechnik in der dritten Welt ist vorerst gemischt. Sie bewirkt keine Wunder, hat aber zumindest in China über mehrere Jahre das Los von Millionen Kleinbauern erleichtert. In vielen Ländern der dritten Welt wird aktiv an GM-Sorten für die lokalen Bedingungen gearbeitet.

    Es gibt viele Projekte, aber wenig Produkte. Die virusresistente Cassava, der salztolerante Reis, sie alle wachsen in den Laboren, nicht auf den Feldern. In den meisten Entwicklungsländern fehlt es an der nötigen Infrastruktur, um etwa hochwertiges Saatgut verteilen zu können, auch die gesetzlichen Regelungen sind nur in wenigen Ländern vorhanden. Rundolf Bunzel, Experte für Welternährung beim Evangelischen Entwicklungsdienst:

    " Das Hauptproblem für die Gentechnik ist nicht die Technik an sich, sondern ist die Regulierung dieser Technik. Ich meine, auch wir lassen uns auf diese Technik nur ein unter sehr restriktiven Bedingungen.

    Die Entwicklungsländer können diesen riesigen gesetzlichen Apparat kaum erfüllen und haben auch nicht die Kontrollmöglichkeiten, um dann entsprechend auch vor Ort auf dem flachen Lande das durchzusetzen wie z.B. Abstandsregelungen oder auch die Rückverfolgbarkeit. Das ist gar nicht machbar und deswegen kommt die Gentechnik und die Regulierung nicht richtig in die meisten Länder Afrikas, z.B. wo ja das Versprechen am höchsten ist, weil dort der Hunger am größten und angeblich soll ja die Gentechnik den Hunger beseitigen können. "

    Letztlich geht die Gentechnik so an den Bedürfnissen der meisten Bauern in der dritten Welt vorbei. Und Konzerne wie Monsanto können mit ihren überlegenen Mitteln die Bauern einfach über den Tisch ziehen.

    Gerade weil die Forschung aber zunehmend in den Entwicklungsländern selbst stattfindet, könnte sich das in der zweiten Dekade der grünen Gentechnik ändern.

    Zurück ins Brandenburgische Hohenstein. Jörg Piprek sitzt selbstbewusst am Schreibtisch und schreibt auf: Kosten fürs Saatgut, Einsparungen an Pestiziden, vielleicht höhere Erträge. Dann wird ein Strich gezogen und wenn unten ein Plus herauskommt, kauft er BT-Mais oder eben nicht.

    " Immer diese viel heraufbeschworene Abhängigkeit. Es ist etwas teurer, das ist schon klar, so wie neue Sorten oder neue Technologien eben teurer sind. Das ist der Punkt, den wir merken, aber ansonsten ist es eine ganz normale Geschichte. Ich habe auch keine Problem damit, eine Lizenz zu bezahlen oder genauso für gutes Saatgut oder Hybrid-Roggen, was wir auch selbst nicht vermehren können, dafür etwas mehr zu bezahlen, denn mir ist ganz klar, die Pflanzenzüchtung kostet ja auch Geld und diese neuen Sorten in allen Bereichen bringen uns ja auch immense Vorteile und das ist in der Tierzucht genauso wie in der Pflanzenzucht und ich finde es nur legitim, wenn man dafür auch seinen Obolus bezahlt. "

    Dabei bleibt er ganz vorsichtiger Bauer. Die Landfarm Hohenstein bewirtschaftet 580 Hektar, auf 100 wird Mais angebaut, nur auf knapp einem Drittel davon stehen auch wirklich genetisch veränderte Sorten. Jörg Piprek will erst einmal prüfen, ob sie wirklich halten, was die Prospekte versprechen. Im letzten Jahr war er zufrieden, in diesem Jahr baut er BT-Mais von zwei Herstellern an, um zu sehen, wer die Nase vorn hat, aber um ganz auf die Gentechnik zu setzen ist es selbst in den Augen von Befürworten wie Jörg Piprek noch zu früh.

    Die erste Dekade der grünen Gentechnik war geprägt von zwei Genen und vier Pflanzensorten. Die zweite Generation der GM-Sorten soll widerstandsfähiger sein oder einen gesundheitlichen Mehrwert bieten. Bei Monsanto ist Robert Fraley besonders stolz auf einen Mais, der Dürreperioden unbeschadet übersteht.

    " Wir haben mehrere Gene identifiziert, die einen dramatischen Einfluss auf die Auswirkungen von Trockenheit haben. Diese Gene haben wir in Mais, Soja und Baumwolle eingebaut und dann mit Feldversuchen begonnen. Besonders beim Mais sind die Versuche weit fortgeschritten und die Effekte sind dramatisch. In einem sehr trockenen Jahr konnten wir mit unserem Mais mit dem Dürregen 10, 15, 20 Prozent mehr Ertrag erzielen. Das ist sehr viel für die Bauern und wird den Gewinn und den Ertrag verbessern. "

    Noch steht der Dürre-Mais nur auf Versuchsflächen. Dasselbe gilt für Impfkartoffeln und Medikamenten-Tabak. Andere Vertreter der zweiten Generation befinden sich schon im kommerziellen Anbau. So gibt es Sojabohnen, bei deren Verarbeitung weniger schädliche Fettsäuren entstehen. Daraus hergestellte Produkte sollen an das Gesundheitsbewusstsein der Verbraucher appellieren. Damit hoffen Monsanto und Co auch den Geschmack der skeptischen Europäer zu treffen. Gentech-Kritiker Christoph Potthof:

    " Ich bezweifle es, dass die kritische Öffentlichkeit dadurch, also durch diese neuen Pflanzen für die Gentechnik gewonnen wird.

    Interessant finde ich das Beispiel, das sie ansprechen mit dem veränderten Fettsäuremuster, was die erste Pflanze ist, die gentechnisch verändert ist mit einem positiven Gesundheitseffekt in den USA. Die gesundheitliche positive Komponente dieser Pflanze ist konventionell gezüchtet und tatsächlich die gentechnische Veränderung ist irgendeine agronomische Eigenschaft - ich glaube Herbizidresistenz. Ich finde es amüsant, dass die Industrie letztlich ihr erstes gesundes Produkt, das sie so groß ankündigt, konventionell züchtet. "

    Auch die zweite Generation der GM-Pflanzen überzeugt nicht unbedingt. Die Werbung mag manchmal suggerieren, dass sich die Sünden bei Tisch mit einem extra gesunden Joghurt auffangen lassen. Ein wirklich gesunder Speisezettel muss aber vor allem vielseitig sein. Ob die Fettzusammensetzung der Salatsauce genetisch optimiert ist, spielt dagegen nur eine Nebenrolle. Und was die Superpflanzen betrifft, die Dürre und versalzte Böden überstehen, das Versprechen hat man schon einmal gehört, ohne dass bislang ein Mensch weniger an Hunger gestorben wäre.

    Letztlich entscheiden die Bauern, ob sie die neuen Sorten auch anpflanzen wollen. Wenn das Angebot der Gentechnologen stimmt, werden die genetisch veränderten Pflanzen in noch einmal zehn Jahren auf vielen Äckern rund um den Globus zu finden sein. Vielleicht gewöhnen sich sogar die kritischen Deutschen im Laufe der Zeit an Gen-Mais und Co.

    Kirsten Ewald:
    " Für mich oder für uns oder für die meisten ist das einfach eine unausgegorene Zukunft. Viele sagen, na ja, müssen wir mal gucken, wie sich das entwickelt und das ist ja vielleicht auch eine finanzielle Sache, das ist ein sehr materiell-finanziell orientierter Landwirt, aber andererseits sagen wir immer, wer wirklich eine gesunde Landwirtschaft betreibt, stehen wir auf dem Standpunkt, dass er die Landwirtschaft missbraucht, den Boden missbraucht, die Natur missbraucht und so denken, glaub ich, viele. "

    Jörg Piprek
    " Ja, aber wir müssen ja auch sehen, dass wir unsere Erträge verbessern, dass wir Probleme lösen, die wir hier haben, denn es wird ja hier nicht leichter. Die Kosten, dies muss ich hier nicht erzählen, die Preisschere wird immer enger und so müssen wir auch nach neuen Technologien und neuen Lösungswegen suchen. Ich bin davon überzeugt, wenn man das nicht macht, dann bleibt man irgendwo stehen "