Das Eiserne Tor an der Donau gilt heute als einer der imposantesten Taldurchbrüche Europas. Die Grenzregion am Fluss zwischen Serbien und Rumänien war aber auch schon vor rund 9.000 Jahren eine attraktive Gegend für Menschen. Archäologen haben dort an mehreren Stellen Siedlungsreste entdeckt, die zu frühen Jäger- und Sammlergemeinschaften gehörten. Auch Hinterlassenschaften von frühen Bauern aus der Zeit vor 8.200 Jahren wurden dort ausgegraben. Unklar war bislang, wie dieser Wechsel der unterschiedlichen Lebensweisen vonstattenging. Um das zu klären, hat Marija Edinborough vom University College London mehrere Skelette von Jägern und Sammlern untersucht:
"Ich war für die Analyse der Knochen und Zähne zuständig. Eigentlich ging es darum, irgendwelche Krankheiten wie Abszesse oder Karies zu finden. Die Zähne sind auch sehr wichtig, weil wir hier Hinweise auf die damaligen Ernährungsgewohnheiten finden können."
"Den Einzug der Jungsteinzeit in der Balkanregion überdenken"
Bei den Skeletten von Erwachsenen konnte die Anthropologin zwar kaum krankhafte Veränderungen in den Kiefern entdecken, aber bei der Untersuchung des Zahnsteins wurde Marija Edinborough stutzig. Denn dort entdeckte sie Mikrofossilien, die zu zahlreichen Stärkekörnern gehörten. Pflanzliche Nahrung bleibt dort wie in einem Archiv enthalten. Anhand der Stärkezusammensetzung etwa können die Forscher feststellen, welche Pflanzen diese Menschen gegessen haben. Weitere Untersuchungen mit Kollegen aus London und York im Labor zeigten, dass es sich hier um die Reste von Weizensorten wie Einkorn (Triticum monococcum) oder Emmer beziehungsweise Zweikorn handelt, zudem entdeckten sie Hinweise auf Gerste (Hordeum distichon).
"Wir sahen also, dass diese Menschen schon domestizierte Pflanzen gegessen hatten, obwohl es damals dort noch gar keine Getreidefelder gab. Damit müssen wir den Einzug der Jungsteinzeit in der Balkanregion und später weiter in Europa überdenken."
"Wir vermuten, dass es lange Zeit schon Handelsbeziehungen gab"
Datierungen der Ausgrabungsstätten ergaben, dass die untersuchten Jäger und Sammler schon vor 8.600 Jahren regelmäßig domestizierte Pflanzen gegessen hatten. Doch die ältesten Nachweise von einer Landwirtschaft dort gibt es erst 400 Jahre später. Für die serbische Anthropologin ist diese Entdeckung jedoch kein Widerspruch, sondern nur der Beleg einer Theorie:
"Es gab also nicht den plötzlichen Umbruch und von jetzt auf gleich waren alle Bauern, die Getreide angebaut haben. Wir vermuten, dass es lange Zeit schon Handelsbeziehungen gab und die Jäger und Sammler gar nicht die Notwendigkeit sahen, selber diese Pflanzen anzubauen. Das ist eine große Entdeckung, aber keine Überraschung. Wir hatten ja schon vermutet, dass es früh Kontakte zwischen den beiden Gruppen gegeben haben muss, aber Vermutungen sind das eine – jetzt haben wir aber den eindeutigen Beweis geliefert."
Die jungsteinzeitliche Revolution war also ein eher langsamer Umwälzungsprozess und kein Umbruch binnen kurzer Zeit. Langfristig hat sich einfach nur die effektivere Lebensweise durchgesetzt – sowohl am Eisernen Tor als auch später in ganz Europa.