Archiv

Júniús Meyvant: "Floating Harmonies"
Retro-Funk aus Island

Isländische Musiker wie Björk, Sigur Rós oder Ólafur Arnalds erzeugen mit ihrer Musik schnell Bilder von gewaltigen Naturkulissen und mystischen Fabelwesen. Júniús Meyvant zeigt, dass es auch anders geht. Er lässt sich vor allem von der US-amerikanischen Popmusik der 50er- bis 70er-Jahre inspirieren.

Von Andreas Zimmer |
    Der Vulkan Eyjafjallajokull (Island).
    Júniús Meyvant liebt die Landschaft und die Dunkelheit in Island. (imago)
    Über Sinn oder Unsinn von Künstlernamen lässt sich trefflich streiten. Bei Júníus Meyvant ist zumindest klar, dass im Zeitalter der Suchmaschinen eine Verwechslung ausgeschlossen ist. Nachteil: Die Aussprache bleibt für uns beim Lesen erst einmal unklar. Genau so wie der bürgerliche Name des langmähnigen Künstlers mit rotem Vollbart.
    Mein Geburtsname ist schwierig auszusprechen und vor allem schwer zu merken, glaube ich. Also hab ich mir einen coolen, guten Namen ausgedacht und diese beiden fand ich schon immer gut. Außerdem hatte ich mir überlegt, dass der neue Name sowohl in Island als auch in anderen Ländern funktionieren könnte.
    In Deutschland nur Insidern bekannt
    Tatsächlich lässt sich im kleinen Island mit seinen circa 330.000 Einwohnern von Musik allein nicht leben. Insofern ist der internationale Denkansatz von Júníus Meyvant fast zwingend. Wobei er bisher hier in Deutschland nur ausgesprochenen Insidern bekannt sein dürfte. In seiner nordischen Heimat hat er hingegen schon deutlich auf sich aufmerksam gemacht. Dadurch begibt er sich in eine Konkurrenzsituation mit bereits etablierten isländischen Künstlern.
    "Es herrscht ein großer Wettbewerb zwischen den Bands. Und Musiker und Gruppen wie Sigur Ros haben etwas Neues in die Musik gebracht. Natürlich auch Björk. Aber ich höre nicht so viel isländische Musik. Eher Musik der 1950er- bis 1970er-Jahre aus den USA."
    Damit grenzt sich Júníus Meyvant von anderen isländischen Bands ab, deren Musik oft schwermütig, melancholisch oder elegisch klingt. Meyvant mischt ganz bodenständig Funk, Soul, Gospel mit Singer/Songwriter-Folk. Streicher, Hörner, Harfen, viel Keyboards, eine Menge Effekte, alte analoge sowie moderne elektronische. Aber niemals überladen, immer mit dem richtigen Fingerspitzengefühl.
    "Ich würde mich eher als Musik-Architekt bezeichnen denn als Arbeitspferd an der Gitarre. Ich weiß genau, wie alles klingen soll. Das ist wie bei einem Bild: Der Farbton, wird es dunkel oder hell? Und um was geht’s da eigentlich. Ich würde sagen, malen und Musik machen ist das Gleiche."
    Großteil des Albums selbst arrangiert
    Das Debütalbum von Júníus Meyvant heißt "Floating Harmonies" - genau wie seine Begleitband. Allerdings, schränkt er ein, habe er ca 90 Prozent des Albums selbst arrangiert und eingespielt. Obwohl überhaupt er erst relativ spät die Musik für sich entdeckt hat. Mithilfe einer abgenutzten Gitarre in seinem Elternhaus.
    "Die Musik hat mich erst mit 21 gepackt. Aber vielleicht ist es ganz gut, ein Spätzünder zu sein, ich glaube nämlich nicht, dass es Teenagern gut tut, so viel Erfolg zu haben, bevor sie wissen, wer sie wirklich sind und was sie wirklich wollen."
    Mit 33 Jahren weiß Júníus nun auch endlich, was er will und kann und lässt sich von seinem Weg auch nicht mehr abbringen. Obwohl er schon öfter gehört hat, er sei nicht mehr jung genug für ein Debütalbum. Er verweist dann süffisant auf Musiker wie den US-amerikanischen Soul-Crooner Charles Bradley, der erst mit 53 seine erste CD veröffentlicht hat. Und auf die Leidenschaft, die noch lodern muss.
    "Die Leute neigen dazu mir zu erzählen, ich sei zu alt für dies und für das. Aber wenn du älter wirst, betrachtest du manches auch entspannter. Aber es hängt auch ab von dem Feuer in dir und von den Menschen um dich rum. Und ganz wichtig: Gib nicht auf. Nie."
    Platte für Fans des Retro-Funk
    Oft hört man von deutschen Musikern, die zur Kreativerfahrung nach Island reisen, von gewaltigen Naturerlebnissen, die sich hörbar in der Musik niederschlagen. Und von Kälte und langen Dunkelphasen. Das alles gilt nicht für Júníus Meyvant‘s Debütalbum "Floating Harmonies". Ganz im Gegenteil: Es nimmt den Hörer in den Arm, kuschelt sich an und hält ihn warm. Und hebt sich durch seine filigranen Arrangements und dem richtigen Gespür für Brüche von der Masse ab. Besonders Freunden des Retro-Funk dürfte die Platte gefallen. Da könnte es sogar außerhalb Islands mit der Musikerkarriere klappen. Auch wenn Meyvant dann wohl - tourbedingt – ab und zu auf seine geliebten arktischen Nächte verzichten müsste.
    Im Winter ist es hier echt sehr dunkel. Aber ich liebe die Dunkelheit in Island. Außerdem: Mit meiner hellen Haut flüchte ich immer vor der Sonne. Übrigens: Wenn ich sehr dunkle Musik höre, dann schreibe ich immer recht fröhliche Songs. Und andersrum.