"Die Entscheidung, meine Beschäftigung zu beenden, wurde nicht von der Universität Hongkong getroffen, sondern von einer Autorität, die jenseits der Universität steht. Dies markiert das Ende akademischer Freiheit in Hongkong."
Die Worte von Benny Tai sind deutlich. Gesprochen hat er sie am Dienstag, wenige Stunden nachdem es Gewissheit über das gab, was er schon befürchtet hatte: an der Hongkong University, der profiliertesten Hochschule des bis vor kurzem autonomen Stadtstaats, würde der bekannte Aktivist und Jurist seine Professur verlieren.
Läge dies an seinen Leistungen als Rechtsexperte, hätte er kein Problem damit, sagt Tai. Aber hier gehe es nicht um einen Einzelfall, und schon gar nicht um Kompetenz. Denn der Senat der Uni, eine Vereinigung der akademischen Mitarbeiter, hatte zuvor empfohlen, Tai nicht zu entlassen. Doch der Rat, das höchste Uni-Gremium, das von Hongkongs pekingfreundlicher Regierungschefin Carrie Lam angeführt wird, entschied am Dienstag anders. Benny Tai wird "Fehlverhalten" vorgeworfen. Er hat sich ab 2014 politisch organisiert – gegen die weitreichenden Gesetze, die Chinas Regierung seit Jahren über Hongkong verhängen wollte.
"Akademische Angestellte in Bildungseinrichtungen haben damit nicht mehr die Freiheit, öffentlich kontroverse Äußerungen zu machen, wenn es um politisch oder sozial umstrittene Themen geht. Akademische Einrichtungen in Hongkong können ihre Mitglieder nicht mehr vor Einmischung von innen und außen schützen."
2014 war Tai einer der Anführer der Proteste in Hongkong
In liberalen Hongkonger Medien dominiert das Thema seither die Schlagzeilen. Benny Tai ist nicht irgendwer. Als im Herbst 2014 zweieinhalb Monate lang mehrere Straßen Hongkongs lahmgelegt wurden, gehörte der seit 1991 an der Uni lehrende Tai zu den Anführern der Proteste. Gemeinsam mit Studierenden und anderen Professoren lehnte er sich gegen den Versuch aus Peking auf, die Hongkonger Demokratie zu schwächen.
Seit 1997 gehört Hongkong, das vorher britische Kolonie gewesen war, wieder zu China. Ein Vertrag sichert dem Stadtstaat eigentlich Autonomie zu, inklusive liberalen Rechten wie Meinungs- und Bildungsfreiheit. Doch mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz, das Chinas Nationaler Volkskongress letzten Monat beschlossen hat, ist dies vorbei. Kritik an Chinas Ein-Parteien-System und allem, was dies repräsentiert, ist nun illegal und kann mit langen Gefängnisstrafen geahndet werden.
Benny Tai ist das erste prominente Opfer dieser neuen Regeln. Und an der Uni Hongkong ist man alarmiert. So zum Beispiel Edy Jeh, Sprecherin der Studierendenschaft und BWL-Studentin im zweiten Studienjahr:
"Als Studentin mache ich mir Sorgen, dass diese Entscheidung das Ansehen der Uni Hongkong extrem schädigt. Sie wurde von Laien getroffen, und sie haben politisch entschieden."
"Und man kann natürlich davon ausgehen, dass das neue Nationale Sicherheitsgesetz bei der Entscheidung eine Rolle spielt. Denn das Gesetz zielt ganz klar auch auf Studenten und Universitäten ab."
Proteste gingen immer wieder vom Hochschulsektor aus
Denn über die letzten Jahre, als mehrmals Millionen auf die Straße gingen, um gegen den zunehmenden Druck aus Festlandchina zu protestieren, ging die Initiative immer wieder vom Hochschulsektor aus. Dass dort die Freiheit nun Vergangenheit ist, sei aber nicht der Fall – behauptet die Uni Hongkong selbst. Auf eine Anfrage schrieb eine Sprecherin am Mittwoch per E-Mail:
"Die Universität Hongkong ist verpflichtet, die akademische Freiheit beizubehalten und zu schützen. Die Universität respektiert die Freiheit der Universitätsmitglieder, ihre Sichtweisen zu äußern; allerdings glauben wir, dass Freiheit auch mit Verantwortung kommt und innerhalb des rechtlichen Rahmens ausgeübt werden sollte."
In anderen Worten: Freiheit gebe es zwar, aber sie sei nicht unbegrenzt. An der Uni Hongkong spürt man das auch schon.
"Wir haben Anfragen an die Universitätsleitung gestellt, ob unsere Rechte respektiert und geschützt werden. Es hieß, Meinungsäußerung sei weiterhin gegeben. Aber dann haben wir Meinungen der Studenten gesammelt und diese in der Uni ausgestellt. Da ging es um die Unabhängigkeit Hongkongs und die liberale Seite unserer Stadt. Und die Statements wurden wieder beseitigt."
"Untergang meiner geliebten Universität bricht mir das Herz"
Wie viele andere Studierende und Lehrende will Edy Jeh nicht aufgeben – für die Rechte, mit denen sie aufgewachsen ist, einstehen und aufschreien, wenn sie verletzt werden. Aber sie befürchtet, dass kritische Inhalte auch nach und nach von den Lehrplänen verschwinden werden. Das denkt auch Benny Tai, der zumindest als Professor auch nichts mehr dagegen wird tun können.
"Der Untergang meiner geliebten Universität bricht mir das Herz. Aber ich werde weiterhin zum Thema Gewaltenteilung forschen und lehren, so sehr es mir auf andere Weise möglich sein wird. Und mein Kampf für die Gewaltenteilung wird nicht enden."
Denn er glaube weiterhin daran, dass Hongkong eines Tages wieder frei sein werde. Auch wenn im Moment nicht viel darauf hindeutet.