Bettina Klein: CDU-Generalsekretär Pofalla hatte am vergangenen Freitag den Stein ins Wasser geworfen. Seither zieht das die erwartbaren Kreise. Unabgestimmt dürften Pofallas Vorschläge für ein Familiensplitting nicht gewesen sein. Was daraus wird, lässt sich allerdings bisher schwer vorhersagen. Widerstand mit dem Verweis auf die Verfassung kommt vor allem aus der CSU. Kritik auch aus der SPD, hier aber mehr mit Bezug auf die Finanzierbarkeit und die soziale Gerechtigkeit. Die Idee: Ehepaare mit Kindern steuerlich zu begünstigen auch gegenüber kinderlosen Ehepaaren.
Ein zentraler Einwand also ist der Verweis auf das Grundgesetz, das Ehe und Familie unter besonderen Schutz stellt. Nimmt man kinderlosen Paaren nun bei der Steuerbegünstigung Vorteile weg, um sie Familien mit Kindern zu gewähren, dann - so argumentieren die Kritiker des Familiensplittings - würde das den verbrieften Schutz der kinderlosen Ehe beeinträchtigen. Ob Veränderungen am Ehegattensplitting vom Grundgesetz gedeckt sind oder nicht, diese Frage ist heiß umstritten. Der Ausgang eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht etwa gilt, was das Familiensplitting angeht, als in jeder Hinsicht offen. Was aus juristischer Hinsicht bei der Frage abzuwägen ist, das möchte ich jetzt besprechen mit der Hamburger Verfassungsrechtlerin Professor Margarete Schuler-Harms. Schönen guten Tag!
Margarete Schuler-Harms: Guten Tag!
Klein: Sehen Sie aus juristischer Sicht eine Möglichkeit, das Familiensplitting einzuführen, das mit dem Grundgesetz konform ginge?
Schuler-Harms: Jein. Familiensplitting ist ein Begriff, hinter dem sich viele verschiedene Modelle verbergen. Sie haben eines in Ihrem Beitrag schon angesprochen: die Teilung durch die Gesamtzahl der Familienmitglieder. Das ist aber nur ein mögliches Modell. Andere Modelle wären stärkere Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen etwa bei den Kindern. Wir haben heute eine Anerkennung in einem bestimmten Bereich der Höhe des Existenzminimums, aber hier wäre eine Erhöhung denkbar. Das ist aber etwas anderes als die Quotung durch die Gesamtzahl der Familienmitglieder.
Klein: Lassen Sie uns kurz bei diesem Vorschlag, beim Familiensplitting bleiben, was ja im Moment diskutiert wird. Da sehen Sie keinerlei Möglichkeit, das verfassungsjuristisch wasserdicht hinzubekommen, so dass eine solche Regelung Bestand hätte?
Schuler-Harms: Ein Ehegattensplitting abzuschaffen oder das Familiensplitting?
Klein: Ein Familiensplitting einzuführen und da wird ja gesagt, man kann es nur finanzieren, indem man eben kinderlosen Ehepaaren beim Splitting etwas wegnimmt.
Schuler-Harms: Ja. In Bezug auf die kinderlosen Ehepaare ist das aus unserer oder aus meiner Sicht relativ unproblematisch. Das ist eine Sache, die man allerdings auch noch mal differenzieren muss für den Begriff der kinderlosen Ehe. Wir haben die dauerhaft kinderlosen Ehen, in denen nie Kinder geboren werden, und, was man immer sehen muss, es wird hier mitdiskutiert die so genannte kinderlose Ehe in der nachfamiliären Phase, also die Ehe, in der Kinder aufgezogen worden sind und in der die Ehepartner jetzt alt geworden sind, die Kinder sind aus dem Haushalt. Auch das läuft unter kinderloser Ehe. Über die sollte man vielleicht zunächst mal sprechen, wenn man an verfassungsrechtliche Bindungen denkt. Dort wird man sicherlich Übergangsregelungen brauchen. Es sind meistens ältere Leute, die in solchen Ehen leben. Unproblematisch ist aber die Abschaffung des Ehegattensplittings hinsichtlich der dauerhaft kinderlosen Ehen.
Klein: Verfassungsrechtlich unbedenklich sagen Sie. Weshalb folgen Sie denn der Argumentation jener Kritiker nicht die sagen, das Grundgesetz stellt auch die kinderlose Ehe unter besonderen Schutz und dieser Schutz würde beeinträchtigt werden?
Schuler-Harms: Da steckt immer das Argument drin, es handele sich um eine Förderung der Ehe. Es ist aber das Ehegattensplitting keine Förderung der Ehe oder auch keine steuerliche Entlastung der Ehe, sondern einer ganz bestimmten Form der Eheführung, nämlich der Ehe, in der eine Einkommensdifferenz besteht zwischen den Einkommen der Ehepartner oder in denen überhaupt nur einer der Ehepartner das Einkommen verdient. Nur in diesen Fällen entsteht überhaupt der so genannte Splitting-Effekt. In den anderen Ehen entsteht der gar nicht. Dies bedeutet, wir fördern ohnehin nur eine bestimmte Art der Eheführung und können deswegen von einer generellen Eheförderung gar nicht sprechen.
Klein: Nun argumentieren die Kritiker eben auch mit einigen Klagen gegen das Ehegattensplitting, die es ja schon gegeben hat und die vom Bundesverfassungsgericht jeweils abgewiesen wurden eben mit dem Verweis auf das Grundgesetz. Weshalb kann man daraus nicht den Schluss ziehen, dass das Familiensplitting nicht Bestand haben würde?
Schuler-Harms: Das Bundesverfassungsgericht hat nur in einem Fall über die Ehebesteuerung selbst geurteilt, und das ist die erste Entscheidung, in der es das Splitting als eine mögliche Alternative zur damals bestehenden und für verfassungswidrig erklärten Zusammenveranlagung der gemeinsamen Besteuerung der Ehegatten durch Addierung der Einkommen entschieden hat und dargelegt hat. Ansonsten gibt es keinen Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts, der tragend wäre und der besagen würde, dass das Ehegattensplitting verfassungsrechtlich gefordert sei. Ob es überhaupt verfassungsgemäß ist, das ist eine durchaus auch in der juristischen Wissenschaft, in der Verfassungslehre sehr umstrittene Frage. Das Bundesverfassungsgericht hat sie nicht beantwortet, aber es hat mit Sicherheit nie gesagt, das Ehegattensplitting selbst sei verfassungsrechtlich geboten.
Also es gibt durchaus denkbare Varianten der Ehebesteuerung oder der Besteuerung des Einkommens, in denen das Ehegattensplitting in der heutigen Form nicht vorkommt.
Klein: Das heißt Karlsruhe und eine mögliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird im Moment von einigen Politikern, die gegen das Familiensplitting sind, vorgeschoben?
Schuler-Harms: Kann man so sagen. Man muss einen weiteren Aspekt sehen: Der eigentliche Splittingeffekt, der eben nur durch diese Differenz der Einkommen der Ehepartner in seiner vollen Form auftritt, der zeigt sich heute schon gar nicht mehr so sehr in der kinderlosen Ehe. Wir haben bereits heute eine Abnahme des Splittingeffekts in der kinderlosen Ehe, weil dort zumeist beide der Ehepartner arbeiten. Das heißt, dort wirkt sich das Ehegattensplitting ohnehin schon gar nicht mehr so stark aus.
Klein: Die Verfassungsrechtlerin Professor Margarete Schuler-Harms war das. Vielen Dank für das Gespräch.
Schuler-Harms: Bitte sehr.
Ein zentraler Einwand also ist der Verweis auf das Grundgesetz, das Ehe und Familie unter besonderen Schutz stellt. Nimmt man kinderlosen Paaren nun bei der Steuerbegünstigung Vorteile weg, um sie Familien mit Kindern zu gewähren, dann - so argumentieren die Kritiker des Familiensplittings - würde das den verbrieften Schutz der kinderlosen Ehe beeinträchtigen. Ob Veränderungen am Ehegattensplitting vom Grundgesetz gedeckt sind oder nicht, diese Frage ist heiß umstritten. Der Ausgang eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht etwa gilt, was das Familiensplitting angeht, als in jeder Hinsicht offen. Was aus juristischer Hinsicht bei der Frage abzuwägen ist, das möchte ich jetzt besprechen mit der Hamburger Verfassungsrechtlerin Professor Margarete Schuler-Harms. Schönen guten Tag!
Margarete Schuler-Harms: Guten Tag!
Klein: Sehen Sie aus juristischer Sicht eine Möglichkeit, das Familiensplitting einzuführen, das mit dem Grundgesetz konform ginge?
Schuler-Harms: Jein. Familiensplitting ist ein Begriff, hinter dem sich viele verschiedene Modelle verbergen. Sie haben eines in Ihrem Beitrag schon angesprochen: die Teilung durch die Gesamtzahl der Familienmitglieder. Das ist aber nur ein mögliches Modell. Andere Modelle wären stärkere Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen etwa bei den Kindern. Wir haben heute eine Anerkennung in einem bestimmten Bereich der Höhe des Existenzminimums, aber hier wäre eine Erhöhung denkbar. Das ist aber etwas anderes als die Quotung durch die Gesamtzahl der Familienmitglieder.
Klein: Lassen Sie uns kurz bei diesem Vorschlag, beim Familiensplitting bleiben, was ja im Moment diskutiert wird. Da sehen Sie keinerlei Möglichkeit, das verfassungsjuristisch wasserdicht hinzubekommen, so dass eine solche Regelung Bestand hätte?
Schuler-Harms: Ein Ehegattensplitting abzuschaffen oder das Familiensplitting?
Klein: Ein Familiensplitting einzuführen und da wird ja gesagt, man kann es nur finanzieren, indem man eben kinderlosen Ehepaaren beim Splitting etwas wegnimmt.
Schuler-Harms: Ja. In Bezug auf die kinderlosen Ehepaare ist das aus unserer oder aus meiner Sicht relativ unproblematisch. Das ist eine Sache, die man allerdings auch noch mal differenzieren muss für den Begriff der kinderlosen Ehe. Wir haben die dauerhaft kinderlosen Ehen, in denen nie Kinder geboren werden, und, was man immer sehen muss, es wird hier mitdiskutiert die so genannte kinderlose Ehe in der nachfamiliären Phase, also die Ehe, in der Kinder aufgezogen worden sind und in der die Ehepartner jetzt alt geworden sind, die Kinder sind aus dem Haushalt. Auch das läuft unter kinderloser Ehe. Über die sollte man vielleicht zunächst mal sprechen, wenn man an verfassungsrechtliche Bindungen denkt. Dort wird man sicherlich Übergangsregelungen brauchen. Es sind meistens ältere Leute, die in solchen Ehen leben. Unproblematisch ist aber die Abschaffung des Ehegattensplittings hinsichtlich der dauerhaft kinderlosen Ehen.
Klein: Verfassungsrechtlich unbedenklich sagen Sie. Weshalb folgen Sie denn der Argumentation jener Kritiker nicht die sagen, das Grundgesetz stellt auch die kinderlose Ehe unter besonderen Schutz und dieser Schutz würde beeinträchtigt werden?
Schuler-Harms: Da steckt immer das Argument drin, es handele sich um eine Förderung der Ehe. Es ist aber das Ehegattensplitting keine Förderung der Ehe oder auch keine steuerliche Entlastung der Ehe, sondern einer ganz bestimmten Form der Eheführung, nämlich der Ehe, in der eine Einkommensdifferenz besteht zwischen den Einkommen der Ehepartner oder in denen überhaupt nur einer der Ehepartner das Einkommen verdient. Nur in diesen Fällen entsteht überhaupt der so genannte Splitting-Effekt. In den anderen Ehen entsteht der gar nicht. Dies bedeutet, wir fördern ohnehin nur eine bestimmte Art der Eheführung und können deswegen von einer generellen Eheförderung gar nicht sprechen.
Klein: Nun argumentieren die Kritiker eben auch mit einigen Klagen gegen das Ehegattensplitting, die es ja schon gegeben hat und die vom Bundesverfassungsgericht jeweils abgewiesen wurden eben mit dem Verweis auf das Grundgesetz. Weshalb kann man daraus nicht den Schluss ziehen, dass das Familiensplitting nicht Bestand haben würde?
Schuler-Harms: Das Bundesverfassungsgericht hat nur in einem Fall über die Ehebesteuerung selbst geurteilt, und das ist die erste Entscheidung, in der es das Splitting als eine mögliche Alternative zur damals bestehenden und für verfassungswidrig erklärten Zusammenveranlagung der gemeinsamen Besteuerung der Ehegatten durch Addierung der Einkommen entschieden hat und dargelegt hat. Ansonsten gibt es keinen Ausspruch des Bundesverfassungsgerichts, der tragend wäre und der besagen würde, dass das Ehegattensplitting verfassungsrechtlich gefordert sei. Ob es überhaupt verfassungsgemäß ist, das ist eine durchaus auch in der juristischen Wissenschaft, in der Verfassungslehre sehr umstrittene Frage. Das Bundesverfassungsgericht hat sie nicht beantwortet, aber es hat mit Sicherheit nie gesagt, das Ehegattensplitting selbst sei verfassungsrechtlich geboten.
Also es gibt durchaus denkbare Varianten der Ehebesteuerung oder der Besteuerung des Einkommens, in denen das Ehegattensplitting in der heutigen Form nicht vorkommt.
Klein: Das heißt Karlsruhe und eine mögliche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird im Moment von einigen Politikern, die gegen das Familiensplitting sind, vorgeschoben?
Schuler-Harms: Kann man so sagen. Man muss einen weiteren Aspekt sehen: Der eigentliche Splittingeffekt, der eben nur durch diese Differenz der Einkommen der Ehepartner in seiner vollen Form auftritt, der zeigt sich heute schon gar nicht mehr so sehr in der kinderlosen Ehe. Wir haben bereits heute eine Abnahme des Splittingeffekts in der kinderlosen Ehe, weil dort zumeist beide der Ehepartner arbeiten. Das heißt, dort wirkt sich das Ehegattensplitting ohnehin schon gar nicht mehr so stark aus.
Klein: Die Verfassungsrechtlerin Professor Margarete Schuler-Harms war das. Vielen Dank für das Gespräch.
Schuler-Harms: Bitte sehr.