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Juso-Vorsitzende in Berlin
"Bleibe auf jeden Fall bei der Nein-Haltung zur GroKo"

Was hier als großer Erfolg verkauft werde, würden die Jusos erst mal kritisch unter die Lupe nehmen, kündigte deren Berliner Vorsitzende Annika Klose im Dlf an. Es fehle an der notwendigen Weichenstellung, um in den kommenden vier Jahren für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen.

Annika Klose im Gespräch mit Peter Sawicki |
    Annika Klose, Vorsitzende der Jusos in Berlin
    Annika Klose, Vorsitzende der Jusos in Berlin (Jusos Berlin)
    Peter Sawicki: Am Telefon mitgehört hat Annika Klose. Sie ist Vorsitzende der Jusos, der SPD-Nachwuchsorganisation in Berlin und außerdem eine Kritikerin der Großen Koalition. Schönen guten Tag, Frau Klose.
    Annika Klose: Einen schönen guten Tag.
    Sawicki: Wollen Sie jetzt weiter Verantwortung verweigern?
    Klose: Was heißt Verantwortung verweigern? Ich glaube, unsere Verantwortung ist es zu schauen, wie wir sozial gerechte Politik durchsetzen können in diesem Land, und zwar langfristig gesehen, und ich glaube, es hat nichts mit einer Verweigerungshaltung zu tun zu sagen, dass das, was da vereinbart wurde auf Grundlage dieses Sondierungspapiers, nicht die nötigen Weichenstellungen sind, die wir brauchen, und dass ich sehr skeptisch oder sehr vorsichtig wäre damit, das schon als den großen Wurf und die großen Erfolge zu verkaufen, dass man jetzt sehr kritisch mal unter die Lupe nehmen muss, was möglich ist und was nicht, und dann bewerten muss, na ja, ist es denn tatsächlich jetzt die Große Koalition, die hier der Heilsbringer ist, und da bin ich weiterhin eher pessimistisch.
    Sawicki: Nun hat die Partei ja die ganze Nacht weiter hart verhandelt. Und wir haben es gerade gehört: Es gleicht möglicherweise einer Sensation, dass man hier die Ressorts Außenpolitik, Finanzen und Arbeit und Soziales unter anderem herausgeholt hat. Was soll es denn noch sein aus Ihrer Sicht?
    Klose: Nun ja. Wir haben ja das Sondierungspapier uns damals angeschaut und gesagt, dass da massive und maßgebliche Punkte fehlen und dass wir auch in den letzten vier Jahren gesehen haben, dass die großen …
    "Ein Tropfen auf den heißen Stein"
    Sawicki: Welche?
    Klose: Ich habe jetzt noch nicht das Koalitionspapier von hinten bis vorne durchgelesen, wie Sie sich vorstellen können bei 177 Seiten, das erst eine Stunde oder so vorliegt. Aber im Sondierungspapier beispielsweise fehlte ganz klar etwa das Kippen des Kooperationsverbots. Da fehlte die Rentenreform, die wir brauchen, und zwar nicht nur bis 2025, sondern deutlich über 2030 hinaus. Da fehlte beispielsweise ein Bekenntnis zur Investition auch in Pflege. Das was jetzt schon durchsickerte mit 8000 Stellen, die geschaffen werden, ist einfach ein Tropfen auf den heißen Stein.
    Im Bereich Mieten und Wohnen sehe ich schon, dass ein bisschen was rausgehandelt wurde, aber auch der Mieterbund oder Mieterverein sagt, dass das für Berlin beispielsweise hinten und vorne nicht reichen wird, um die drastisch steigenden Mieten hier eindämmen zu können, sondern auch da Tropfen auf den heißen Stein. Das heißt, das zieht sich wie ein roter Faden durch. Klar hat man irgendwie Verbesserungen an der einen oder anderen Stelle verhandelt, aber die Frage ist doch, reicht das, um in vier Jahren wirklich sagen zu können, wir haben die Weichen gestellt für mehr soziale Gerechtigkeit in diesem Land. Wir sind angetreten für einen Politikwechsel als SPD und haben gesagt, es geht ungerecht zu in diesem Land, und ich glaube, dass das mit der CDU/CSU nicht zu ändern sein wird.
    "Auf EU-Ebene hält Merkel das Zepter weiter in der Hand"
    Sawicki: Auf der anderen Seite sind jetzt die Ressorts Außen und Finanzen in SPD-Hand. Auf der europäischen Ebene ließe sich da gegebenenfalls sehr viel beeinflussen. Ist das nicht genug für Sie?
    Klose: Na ja. Außen war ja vorher auch schon in SPD-Hand. Finanzen ist sicherlich gut, dass man das bekommen würde. Allerdings gebe ich zu bedenken, dass auf EU-Ebene sehr viel über die Regierungschefs und Regierungschefin läuft und da weiterhin Angela Merkel das Zepter in der Hand haben wird. Das heißt, sich da gegen die Kanzlerin durchzusetzen, wird sehr schwierig.
    Sawicki: Aber beim Finanzministerium sagt man, dass das ähnlich einflussreich mittlerweile ist.
    Klose: Man muss aber auch sagen, dass da natürlich Herr Schäuble und Frau Merkel, die ja beide der CDU angehören, Hand in Hand spielen konnten und Herr Schäuble von Frau Merkel auch sehr freie Hand bekommen hat. Fraglich ist natürlich, ob das bei einem SPD-Finanzminister weiterhin so der Fall wäre. Ich bin da skeptisch.
    Sawicki: Sie bleiben persönlich und die Jusos bei der Nein-Haltung zur GroKo?
    Klose: Ich persönlich bleibe auf jeden Fall bei der Nein-Haltung zur GroKo, weil ich glaube, dass das einfach der falsche Weg zu diesem Zeitpunkt ist. Aber natürlich werden wir uns auch diesen Koalitionsvertrag noch mal vorknöpfen und selber mal analysieren, was steht denn tatsächlich drin und was steht auch nicht drin. Das ist ja auch die spannende Frage.
    "Die Stimmung ist weiterhin sehr kritisch"
    Sawicki: Können Sie denn einschätzen, wie die Stimmung insgesamt ist? Welche Aussichten sind aus Ihrer Sicht jetzt für die Mitgliederbefragung in beiden Seiten denkbar?
    Klose: Die Stimmung hier in Berlin zumindest ist weiterhin sehr kritisch. Unser Landesverband war ja auch schon vor den Sondierungsgesprächen kritisch. Und bei den Jusos ist es, glaube ich, unverändert. Was schwer einzuschätzen ist, ist, was mit dem Großteil der Mitglieder ist, die jetzt nicht zur Sitzung kommen und eigentlich eher passiv sind. Ich nehme eine kritische Haltung wahr und auch viel Neugierde, was da jetzt tatsächlich herausgehandelt wurde.
    Das heißt, ich glaube, weiterhin ist tatsächlich alles offen. Natürlich wird es für uns schwierig, jetzt gegenzuhalten, weil der Parteivorstand sehr einseitig pro GroKo kommuniziert. Aber für ausgeschlossen halte ich da nichts. Denken wir mal zurück, als die Sondierungsergebnisse verkündet wurden. Verkündet wurden sie als großartiger Erfolg und 44 Prozent des Parteitags sahen es am Ende deutlich anders und stimmten dagegen, Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Ich glaube, da lag die Parteiführung mit ihrer Einschätzung auch schon mal massiv daneben. Das heißt, ich würde mich davon jetzt nicht zu schnell beeindrucken lassen.
    Sawicki: Trotzdem war das ja eine Mehrheit, eine demokratische Entscheidung. Wie demokratisch ist es jetzt eigentlich, wenn noch mal eine knappe halbe Million SPD-Mitglieder über die kurzfristige politische Zukunft von 80 Millionen Einwohnern entscheidet?
    Klose: Das ist sehr demokratisch. Ich finde das viel demokratischer, als wenn ein Gremium von fünf, sechs Leuten zusammensitzt wie bei der CDU/CSU und darüber entscheidet. Ich glaube, dass man in der SPD-Mitgliederbasis sehr viel besser einen Bevölkerungsquerschnitt abbilden kann, als das fünf, sechs Menschen an der Parteispitze können. Ich sehe nicht, warum das in irgendeiner Form undemokratischer sein sollte als eine Elitenentscheidung.
    "Na ja, Andrea kann sich natürlich darauf bewerben"
    Sawicki: Stichwort Elite. Martin Schulz wird ja offenbar, wenn er das Außenamt bekommt, den Parteivorsitz abgeben. Andrea Nahles könnte ihm nachfolgen. Martin Schulz war ja sozusagen eine problematische Personalie. Ist da die Luft jetzt raus?
    Andrea Nahles, Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, kommt zu den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD in die SPD-Parteizentrale
    Andrea Nahles, Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, kommt zu den Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD in die SPD-Parteizentrale (picture alliance/ dpa/ Gregor Fischer)
    Klose: Ob die Luft bei Martin jetzt raus ist oder nicht, möchte ich eigentlich nicht kommentieren. Aber ich würde dazu nur sagen: Wer der Parteivorsitzende der SPD wird, das entscheidet immer noch ein Bundesparteitag. Deswegen würde ich sagen: Na ja, Andrea kann sich natürlich darauf bewerben und wir werden dann sehen.
    Ich bin tatsächlich sehr skeptisch, was diese Personalunion angeht von entweder Kabinettsmitglied oder auch Fraktionsvorsitz mit der Parteiführung. Selbst wenn man sagt, in der Fraktionsführung ist man vielleicht ein bisschen freier als als Kabinettsmitglied, ist es doch trotzdem so, dass man am Ende die Kompromisse, die man mit der CDU/CSU ausgehandelt hat, auch im Parlament gegenüber der Opposition verteidigen muss. Dass da so furchtbar viel mehr Spielraum ist, das sehe ich jetzt noch nicht. Also Skepsis auch dort.
    Sawicki: … sagt die Juso-Vorsitzende in Berlin, Annika Klose, heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch.
    Klose: Sehr gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.