Die TraumGmbH sitzt in einem früheren Kieler Industriegebäude. Der Komplex ist bunt bemalt und verwinkelt. Viele Kieler nennen das Veranstaltungszentrum einfach "Trauma". Dass die SPD hier alljährlich ihren Neujahrsempfang abhält, scheint angesichts der aktuellen Lage der Partei, fast schicksalhaft.
Traum oder Trauma? Mit Blick auf eine Neuauflage der Großen Koalition stellen sich viele SPD-Mitglieder nicht nur in Schleswig-Holstein gerade diese Frage. Auch Jan Eike Kummerfeldt gehört beim Neujahrsempfang dazu.
"Für die SPD könnte es durchaus zum Trauma werden, ja."
"Die Republik geht einfach vor"
Andererseits sei da die Verantwortung für das Land – das sagt nicht nur Jan Eike Kummerfeldt, sondern das betonen viele SPD-Mitglieder an diesem Abend. Kummerfeldt ist 37 Jahre alt, seit mehr als 15 Jahren in der Partei.
"Wenn der Republik damit geholfen ist, dass man die nächsten vier Jahre Regierungsverantwortung übernimmt und die Partei daran kaputt geht. Dann denke ich, geht die Republik dort einfach vor."
Trommeln gegen die GroKo sind nicht verstummt
26 Delegierte hat der Landesverband zum Sonderparteitag nach Bonn vergangenen Sonntag entsandt. 15 von ihnen stimmten gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU. Das ist auch Lars Klingbeil nicht entgangen. Der SPD-Generalsekretär ist an diesem Abend zu Gast in Kiel.
"Ich wünsche mir `ne lebendige Partei, `ne Partei, die diskutiert und das hab‘ ich auch hier in Schleswig-Holstein wahrgenommen…"
Wahrgenommen hat Klingbeil auch, dass das Trommeln gegen die GroKo nicht verstummt ist.
Mit der "Kurz-Mitgliedschaft" die GroKo kippen
In Nordrhein-Westfalen haben die Jusos zu diesem Zweck eine "Kurz-Mitgliedschaft" angeregt. Die Idee: Für zwei Monate in die SPD eintreten, beim Mitgliederentscheid gegen den Koalitionsvertrag stimmen und dann wieder austreten. In den letzten Tagen ist die Zahl der Parteineueintritte deutlich angestiegen. Alleine bei der Schleswig-holsteinischen SPD waren bis zum Dienstag mehr als 60 Online-Anträge eingegangen. Wie viele von den Neu-Mitgliedern gegen die GroKo sind, ist freilich unbekannt.
Generalsekretär Lars Klingbeil sagt: Er freue sich über jeden, der jetzt bin die SPD eintrete und die Partei mitgestalten wolle…
"…was nicht geht, dass Menschen jetzt eintreten kurzfristig, kurzzeitig nur für zwei Monate dabei sein wollen, weil sie einmal abstimmen wollen, da weiß man gar nicht, ob die der SPD vielleicht sogar schaden wollen. Also, das passt nicht zum Stil, den die SPD versucht, gerade zu prägen."
"Es ist `n probates Mittel"
Kristina Schubert ist 27 Jahre alt, seit 2,5 Jahren SPD-Mitglied und bei den Schleswig-holsteinischen Jusos. Sie steht gerade zusammen mit ein paar anderen jungen SPD-Mitgliedern an der Bar des Kulturzentrums.
"Also, ich würde sagen, klar, es ist `n probates Mittel, Mitglieder zu werben um zu sagen, wenn du wirklich nicht möchtest, dass es eine Große Koalition gibt, dann ist jetzt deine Chance, mitzuentscheiden, tritt jetzt dafür ein! Ich glaube, das gibt es immer. Es gibt immer gewisse Ereignisse oder Geschehnisse, die Leute mobilisieren, das finde ich vollkommen in Ordnung, legitim."
Andererseits betont Kristina Schubert auch: Nur in die Partei einzutreten, um abzustimmen und danach wieder von Bord zu gehen sei auch nicht richtig.
Zeichen dafür, dass jede Stimme zählt
Ein paar Meter über ihr sitzt in diesem Moment Sophia Schiebe auf der Holzempore. Schiebe ist die Vorsitzende der Schleswig-holsteinischen Jusos. Für sie ist das Trommeln der Jungsozialisten erst mal eines: Ein Zeichen dafür, dass jede Stimme zählt!
"Leute haben ja häufig das Gefühl, dass die Politik da oben entscheidet. Und dieser Mitgliederentscheid zeigt, nicht die da oben entscheiden, sondern jedes einzelne Mitglied. Von daher eine gute Chance, jetzt beizutreten."
Wie viel Gewicht am Ende die GroKo-Gegner durch die Juso-Kampagne bekommen werden, ist offen. Die SPD hat inzwischen reagiert und will Anfang der kommenden Woche einen Stichtag festlegen, ab wann Neumitglieder beim Mitgliederentscheid abstimmen dürfen, wie die dpa berichtet.
"Unkalkulierbare" Mitgliederentscheide
Bettina Hagedorn ist ein großer Fan von Mitgliederentscheiden. Die SPD-Bundestagsabgeordnete aus Ostholstein hat 2011 den Mitgliederentscheid im Land geleitet, mit dem die Partei ihren Spitzenkandidaten für die Landtagswahl suchte. Damals konnte sich Torsten Albig gegen den mächtigen SPD-Landesvorsitzenden Ralf Stegner durchsetzen.
"Ich glaube, dass Mitgliederentscheide etwas ganz Großartiges in der Politik sind, dass sie natürlich Mut von denen erfordern, die eigentlich die Hosen anhaben. Weil sie legen die Entscheidung in eine unkalkulierbare Mitgliederschaft."
Der Mitgliederentscheid 2011 habe die SPD im Norden versöhnt, die bei der Frage der Spitzenkandidaten gespalten gewesen sei, so Hagedorn. Auf einen solchen Versöhnungseffekt hofft sie jetzt auch bei der GroKo auf Bundesebene – und trommelt dafür.