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Justin Chadwicks "Mandela"
Lobpreisung für verstorbenen Anti-Apartheid-Kämpfer

In "Mandela: Der lange Weg zur Freiheit" erzählt der Regisseur Justin Chadwick die Lebensgeschichte von Nelson Mandela in einem großen Bogen: von den Anfängen als Anwalt über die 27-jährige Gefängnishaft bis zur Präsidentschaft.

Von Hartwig Tegeler |
    Nelson Mandela
    Nelson Mandela (dpa / pa / )
    Wahr, ja, alles wahr:
    "Der Mensch lernt, zu hassen. Er kann lernen zu lieben."
    Aber bedeutet "wahr" auch überzeugend? Im Kino! Den Wald zeichnen oder den einzelnen Baum, das ganze Leben erzählen oder nur einen Ausschnitt? Bille August und Clint Eastwood entschieden sich, den Baum zu zeichnen, um über den Wald zu erzählen. In "Goodbye Bafana" schildert Bille August die Freundschaft zwischen Nelson Mandela und seinem Gefängniswärter. In Clint Eastwoods Film "Invictus" initiiert Präsident Mandela - gespielt von Morgan Freeman - eine schwarz-weiße südafrikanische Rugby-Mannschaft, um die alten Feinde näher zu bringen. Erfährt man in "Goodbye Bafana" oder "Invictus" - den beiden "Baum-Zeichnungen" - weniger über das Südafrika der Apartheid-Zeit als jetzt in "Mandela - Der lange Weg zur Freiheit"? Wo hier doch das ganze Leben von Nelson Mandela erzählt sein will? Ein rhetorische Frage.
    "Meine Mandantin wird beschuldigt, diese Sachen aus Ihrem Schlafzimmer gestohlen zu haben. - Darf ein Eingeborener mich derartig ansprechen? - Er ist der Verteidiger der Angeklagten, M´am. - Aber wenn Ihnen das unangenehm ist, können Sie Ihre Antworten an mich richten."
    50 Jahre Leben von Nelson Mandela, von der Jugend in der Transkei bis zu den 1940er-Jahren als Anwalt in Johannesburg.
    "Es muss sich was ändern. - Wie stellst du dir das vor? - Bildung. Harte Arbeit, Stolz. - Nein, nein, Nelson, das wirst du alleine nicht schaffen. - Als Einzelner sind wir zu schwach, um etwas zu bewirken. Aber zusammen haben wir die Macht."
    Dann der Beitritt zum ANC, der schwarzen Widerstand-Organisation; ab 1960 Mandelas Entscheidung, mit Gewalt gegen das Apartheid-Regime zu kämpfen. 1964 die Verurteilung, dann fast drei Jahrzehnte Haft. Dann 1990 der politische Sieg: die Entlassung Mandelas und das Ende des Apartheid-Regimes.
    "Um das Vertrauen der Märkte zurückzugewinnen, wird Ihre Freilassung der erste Schritt sein. - Nein! - Aber sagten Sie nicht ... - Ich habe gar nichts gesagt. Ich habe zugehört. - Aber Sie ziehen doch Ihre Forderung nach dem Mehrheitsprinzip zurück? - Nein! - Aber was werden Sie uns dann im Gegenzug geben? Nichts."
    Nelson Mandela wird erster schwarzer Präsident seines Landes. Historisch korrekt und in üppiger Ausstattung und einem intensiven Idris Elba als Mandela erzählt Justin Chadwick dieses Leben, aber von einem Menschen hinter der ikonografischen Fassade vermittelt sich uns nichts. Die 28 Jahre Haft zusammen mit den anderen ANC-Mitstreitern bekommt in der filmischen Dramaturgie so viel Gewicht wie die Zeit als Anwalt in Johannesburg - gut, erzählt, abgehakt, was soll man machen, die Zeit drängt. Regisseur Justin Chadwick entgeht in seiner "Zeichnung des Waldes" nicht der Falle der auf Vollständigkeit bedachten filmisches Biografie: Es hakt eine Station nach der nächsten ab.
    Es gibt zugegeben einige wuchtige, intensive Momente in diesem Film. Beispielsweise die Auseinandersetzung zwischen Mandela und seiner Frau Winnie, die in der Zeit seiner Haft von der Polizei verhaftet und gefoltert wird. Sie nimmt im Film viel Raum ein. Endlich mal einer der raren Aspekte dieser Lebens-Erzählung, der man folgen möchte und im Film auch darf. Während Winnie sich immer mehr radikalisiert, das Verbrennen von Kollaborateuren der Weißen gut heißt, wirbt Nelson Mandela hingegen für Verständigung zwischen den verfeindeten Gruppen.
    "[Nelson Mandela:] Wir verhandeln, wir führen keinen Krieg. - [Winnie Mandela:] Aber das Volk hat sich entschlossen zu kämpfen. Du bist sehr lange Zeit weg gewesen. - Was, was soll das bedeuten, ich war weg. Darfst du deswegen Terror verbreiten? Die Verbrennungen, die Hinrichtungen: Das muss aufhören, Winnie!"
    Doch die Grundfragen, die nach dem Warum - Warum hat einer diese Kraft, Jahrzehnte im Gefängnis auszuhalten? Warum wird seine Ausstrahlung immer intensiver? -, auf diese Fragen findet Justin Chadwick keine Antworten. Und hat er mal eine Station des Lebensweges von Mandela "im Bild", wo es Annäherungen an solche Antworten geben könnte, hetzt er schon zur nächsten Station. Die Heldenreise des Nelson Mandela, 1918 geboren, im Dezember 2013 gestorben, sie duldet in diesem Film keine Langsamkeit. Es muss alles erzählt werden. Doch leider wird damit auch ziemlich wenig gesagt.
    "Es gibt nur einen Weg, der in die Zukunft führt, und das ist Frieden."
    Ach ja, die Biopics, die Ikonen und die Lobpreisungen auf die Helden und das Erstarren eben dieser Helden zur Statue. Natürlich ist Mandela eine Figur der Zeitgeschichte, die ihren Platz neben Gandhi oder Martin Luther King hat. Nur versagt dieses historische wie politische Wissen vor dem immer gnadenlosen Blick des Kinogängers, der sich überzeugen lassen will von einer Figur da auf der Leinwand und nicht von dem Wissen, was er schon vorher mitgebracht hat. Dieser Mandela hier in Justin Chadwicks Film aber erstickt im zu lautem Chor der Lobpreisungen. Da mag sich Idris Elba noch so sehr die Seele aus dem Leib spielen. Eine Entdeckungsreise zu diesem Nelson Mandela, die müssen wir nach diesem Film wohl erst noch unternehmen.