Die portugiesische Generalstaatsanwältin Joana Marques Vidal wirkt bei öffentlichen Auftritten sachlich und unaufgeregt. Die 62-jährige Juristin sieht sich nicht als tapfere Kämpferin für ein gerechteres Portugal, sondern als fleißige, pflichtbewusste Beamtin.
Doch in den vergangenen fünf Jahren hat sich Vidal mit den Reichen und Mächtigen Portugals und der portugiesischsprachigen Welt angelegt, vor allem mit Anklagen wegen Korruption: Sie brachte Ex-Premierminister Sócrates und einen einflussreichen Bankier in Untersuchungshaft, leitete den Prozess gegen einen ehemaligen Innenminister ein und knöpft sich nun einen der mächtigsten Männer Angolas vor: In der kommenden Woche soll in Lissabon der Korruptions-Prozess gegen Manuel Vicente beginnen, auch wenn der ehemaligen angolanischen Vizepräsident und Ex-Chef des staatlichen Ölkonzerns Sonangol nicht anwesend sein wird.
Mächtige Personen wurden oft nicht juristisch verfolgt
Unter Joana Marques Vidal arbeite die portugiesische Generalstaatsanwaltschaft wesentlich effizienter, sagt João Batalha von der Anti-Korruptionsorganisation "Transparência e Integridade":
"In der Behörde weht ein frischer Wind. Man spürt den Willen, jedem fundierten Tatverdacht nachzugehen, und zwar ganz unabhängig davon, wer einer Straftat verdächtigt wird. Die Generalstaatsanwaltschaft besaß auf dem Papier schon lange Unabhängigkeit. Doch früher hat sich die Behörde davor gescheut, Korruptionsfällen nachzugehen, in denen mächtige Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft verwickelt schienen. Jetzt haben wir eine Generalstaatsanwaltschaft, die auf den politischen Druck, der von außen immer ausgeübt wurde, einfach nicht reagiert."
Damit scheinen in Portugal nicht alle Politiker zufrieden zu sein. Insbesondere die Ermittlungen gegen führende Personen aus dem Dunstkreis des angolanischen Regimes werden von portugiesischen Entscheidungsträgern öffentlich bedauert. Denn Angola, wo weiterhin Zehntausende Portugiesen leben und arbeiten, ist immer noch ein wichtiger Exportmarkt für portugiesische Produkte.
Generalstaatsanwältin könnte ihr Amt verlieren
Der neue angolanische Präsident João Lourenço hat Portugal vor kurzem scharf kritisiert, dass es sich weigere, den Korruptions-Prozess gegen den ehemaligen angolanischen Vizepräsidenten nach Angola zu verlegen. Und einen Tag später erklärte die portugiesische Justizministerin plötzlich, dass die Regierung das auslaufende Mandat von Generalstaatsanwältin Vidal aus "verfassungsrechtlichen Gründen" nicht verlängern werde. Gegen diese Auslegung protestierte eine große Mehrheit portugiesischer Juristen, darunter auch Verfassungsrechtler Jaime Valle von der Universität Lissabon:
"Die Verfassung erlaubt eine zweite Amtszeit der Generalstaatsanwältin. In der Praxis hat es sich eingebürgert, dass das Amt nach einer Amtszeit neu besetzt wird, aber das muss nicht so sein. Deshalb ist es eine rein politische Entscheidung der Regierung und des Staatspräsidenten, ob sie das Mandat der jetzigen Amtsträgerin Vidal erneuern oder nicht."
Debatte könnte auch positive Folgen haben
Die Debatte hat die sozialistische Regierung nun in Bedrängnis gebracht. Konservative Kommentatoren sprechen bereits vom "portugiesischen Watergate": Die Sozialisten, so der Vorwurf, würden am Stuhl der Generalsstaatsanwältin sägen, weil diese den ehemaligen sozialistischen Parteiführer und Regierungschef Sócrates hinter Gitter bringen wolle.
Auch der portugiesische Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa fühlt sich hintergangen. Denn bei der Wahl des neuen Generalsstaatsanwalts im kommenden Herbst hat er ein entscheidendes Wort mitzureden.
Für den Antikorruptionskämpfer Batalha könnte der Streit dennoch positive Folgen haben: "Schlechter kann man eine Debatte um die Generalstaatsanwaltschaft nicht ins Rollen bringen. Aber jetzt sollten wir die Gelegenheit nutzen und im Parlament und in der Öffentlichkeit ein Fazit über die Arbeit der Generalstaatsanwaltschaft ziehen und darüber reden, welche Rolle die Behörde in Zukunft übernehmen soll."