"Luxemburg ist mein Land, Portugal ist das Land meiner Eltern und die zwei sind mir deswegen auch lieb!"
Felix Braz hat es zu etwas gebracht. Er ist stellvertretender Premierminister und Justizminister im Großherzogtum. Der 53-Jährige kann Menschen mit seinem Spitzbuben-Lächeln für sich einnehmen. Anders als seine beiden Brüder, die beide in Portugal geboren und zum Teil auch aufgewachsen sind, habe er im Gastland seiner Eltern einen unbeschwerten Start gehabt.
"Unsere Nachbarn waren Luxemburger, links und rechts und auch gegenüber, da gab es keine anderen Portugiesen zu der Zeit, so dass ich eigentlich in einem Luxemburger Umfeld aufgewachsen bin, was auch zur Folge hatte, dass ich bei der Einschulung luxemburgisch reden konnte wie alle meine Klassenkameraden auch. Das war bei meinen beiden Brüdern anders, die hatten bei der Einschulung die klassischen Probleme, die nachher sehr viele Portugiesen kannten, dass sie ein klein bisschen weniger gut Luxemburgisch und dann weniger gut Deutsch reden konnten, das hat sich negativ ausgewirkt."
Anteil der nicht-luxemburgischen Bevölkerung steigt
Die im Grunde bis heute auf Deutsch stattfindende Alphabetisierung in Kindergärten und Schulen fiel ihm nicht schwer. Felix Braz ist in mehreren Sprachen zu Hause. Beim Umgang mit den Eltern ist es bei Portugiesisch geblieben, mit seiner Frau und den beiden Kindern spricht er Luxemburgisch und wenn er lese, dann zeige die Schule ihren Einfluss.
"Das ist ganz klar Französisch oder Deutsch."
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Moseltal statt Atlantikküste – Portugiesen in Luxemburg".
Luxemburg ist ein besonderes Einwanderungsland. 48 Prozent seiner Bevölkerung haben keinen luxemburgischen Pass, Tendenz steigend. Deshalb müsse die portugiesische Migration als Teil eines größeren Phänomens betrachtet werden, findet Braz.
"Deswegen ist für mich die Frage, die sich Luxemburg stellt, wie Luxemburg insgesamt mit der Immigration umgeht und wie wir gemeinsame Perspektiven öffnen können als Land für all die Menschen, die hier leben, ob sie einen Luxemburger Pass immer hatten oder erlangt haben oder noch nicht haben oder vielleicht mal haben werden, diese Differenzen müssen einfließen in eine gemeinsame Perspektive, das ist die Herausforderung für Luxemburg, an der wir arbeiten müssen aus der Vielfalt, die Luxemburg kennt, eine Gemeinsamkeit herauszuschälen."
Reform des Einbürgerungsgesetzes
Der politische Versuch, der nicht-luxemburgischen Bevölkerung, die wahrscheinlich bald die Mehrheit im Land stellt, ein Wahlrecht zu verschaffen, ist gescheitert. Und einen erneuten Anlauf wird es so schnell nicht geben. Er habe es sich daher für eine Reform des Einbürgerungsgesetztes eingesetzt.
"Das war gerade in diesem Kontext ein fundamentales Gesetz, das wir verabschiedet haben, weil es der Versuch war, Einbürgerung in Luxemburg noch stärker zu fördern. Und das Gesetz wird ja auch sehr gut angenommen, die Zahl der Einbürgerungen hat sich verdreifacht."
Felix Braz ist ein Grüner und das seit langen Jahren. Aber nicht weil er immer schon ein Umweltaktivist war, sondern ein Kind von Migranten.
"Meine eigene persönliche Triebfeder, um zu den Grünen zu gehen, war eher die Gesellschaftspolitik, weil die von Anfang an immer etwas Inklusives hatte. Grüne Gesellschaftspolitik war immer Schutz von Minderheiten, das war für mich der Punkt, der mich zu den Grünen hingezogen hat."
Es waren eben diese gesellschaftspolitischen Ansätze, die im Oktober 2013 eine politische Zeitenwende im Großherzogtum eingeleitet haben. Die über Jahrzehnte an der Macht befindlichen Christsozialen wurden von einem Dreierbündnis aus Liberalen, Grünen und Sozialisten abgelöst, und die Koalition brachte die überfälligen Reformen vom Scheidungsrecht über die Homo-Ehe bis hin zur Trennung von Kirche und Staat, auf den Weg.
Das zweitkleinste Land der EU, nur Malta ist noch kleiner, ist international aufgestellt wie kein zweites.
"Der Umstand, dass wir so klein sind, macht doch aus uns eines der Länder mit dem größten Ausland überhaupt. Von Luxemburg aus öffnet sich die Welt weit mehr als vom großen Deutschland aus."
Fleißige, stille Nachbarn
Das komme der Offenheit der Portugiesen entgegen, glaubt Braz. Soziologen beschreiben das Verhältnis zwischen Luxemburgern und Portugiesen als einen "transnationalen sozialen Raum", der durch ein andauerndes Kommen und Gehen gekennzeichnet ist. Wie so viele Migrantenkinder sei auch er mit der Vorstellung aufgewachsen, dass die Eltern irgendwann wieder nach Portugal zurückkehren. Davon habe sein Vater immer gesprochen.
"Ich sehe noch wie er zu Hause abends mit einem Lineal und einen Schreibstift seine Pläne von seinem Traumhaus versucht hat zu bauen. Und als er dann ins Pensionsalter kam, hat er uns mitgeteilt, wir behalten doch die Wohnung in Portugal und ich baue das Haus hier. Mein Vater hat in Luxemburg sein Leben lang auf Miete gewohnt und dann mit fast 65 entschieden, ein Haus in Luxemburg zu bauen, in dem meine Mutter heute noch lebt. Das war das Gegenteil dessen, was er ein Leben lang vorhatte und so geht es vielen."
Eine portugiesische geprägte kulturelle Szene hat sich nicht entwickelt. Es gibt weder an jeder Ecke ein portugiesisches Restaurant noch erklingt in den Gassen der Luxemburger Altstadt der Fado. Überwiegend gelten die Luxemburger Portugiesen als fleißige, stille Nachbarn.
"Wenn Sie mich heute fragen, sind Sie denn Portugiese oder Luxemburger, als was fühlen Sie sich, antworte ich ohne zu zögern: Ich bin in Luxemburg geboren, habe immer nur in Luxemburg gelebt, was soll ich denn sein? Ich bin ein Luxemburger mit portugiesischen Eltern. Das so klar zu sagen, ging bei mir nicht mit zehn, 15 oder 20 Jahren, das hat eine längere Zeit gebraucht. Aber heute ist für mich sehr, sehr klar, ich bin Luxemburger mit portugiesischen Eltern so einfach ist das, aber es war nicht einfach, das so klar hinzukriegen", sagt Felix Braz.