Mit seiner Ankündigung, anders als im Koalitionsvertrag vereinbart die Vorratsdatenspeicherung vorerst nicht einzuführen, bringt SPD-Justizminister Heiko Maas CDU und CSU gegen sich auf. "Wir hatten vereinbart, dass wir die Vorratsdatenspeicherung einführen. Und dabei bleibt's", sagte der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl in der "Berliner Zeitung". Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten - davon könne nicht die Rede sein. "Wenn eine Partei sich nicht an die Verträge hält, dann muss man das im Koalitionsausschuss besprechen."
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten
"Ich lege keinen Gesetzesentwurf vor, bevor der Europäische Gerichtshof endgültig geurteilt hat, ob die Richtlinie die Rechte der EU-Bürger verletzt oder nicht", hatte Maas erklärt. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Richter die Richtlinie vollständig kassierten. "Dann müssten wir über die Vorratsdatenspeicherung ganz neu reden. Bis dahin liegt das Instrument für mich auf Eis." Im Koalitionsvertrag hatten CDU, CSU und SPD festgehalten: "Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen. Dadurch vermeiden wir die Verhängung von Zwangsgeldern durch den EuGH."
Auch CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach kritisierte die Weigerung des SPD-Ministers. Dieser benutze das noch ausstehende Urteil des Europäischen Gerichtshofs als Vorwand, um eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland zu verzögern, sagte Bosbach im Deutschlandfunk. Der CDU-Innenexperte forderte den Justizminister auf, jetzt zu handeln - und zwar nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. So könne Deutschland in der EU eine Vorreiterrolle übernehmen.
Keine strengeren Datenschutzregeln
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), hat den Justizminister inzwischen aufgefordert, noch vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zur Vorratsdatenspeicherung einen Gesetzentwurf vorzulegen. "Es gibt keinen Grund, mit der Gesetzgebungsarbeit weiter zu warten", sagte Krings. Er erwarte "zügig" einen ersten Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums.
Hinweise des Europäischen Gerichtshofes ließen sich "ohne Probleme" im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen, fügte der Staatssekretär hinzu. "Ohnehin rechnet niemand damit, dass der Europäische Gerichtshof strengere Datenschutzregeln einfordert als das Bundesverfassungsgericht."
Erbitterter Streit in der EU
Die Vorratsdatenspeicherung sorgt seit Jahren für erbitterten Streit in Deutschland und der EU. Seit 2006 müssen die EU-Staaten dafür sorgen, dass Telekommunikationsfirmen ohne Anfangsverdacht oder konkrete Gefahr Verbindungsdaten zu Telefonaten und E-Mails von Privatleuten sammeln. In Deutschland wurde ein entsprechendes Gesetz von 2008 für verfassungswidrig erklärt, eine Neufassung wurde von der schwarz-gelben Bundesregierung nicht verabschiedet. In den kommenden Monaten wird ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg dazu erwartet.