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Justizreform in Polen
Opposition sieht Rechtsstaat in Gefahr

Gleich drei Justiz-Gesetze will die rechtskonservative Regierungspartei PiS noch in dieser Woche durchbringen. Die Opposition sieht den Untergang des Rechtsstaats und auch die EU-Kommission sorgt sich über die neue Machtfülle der Regierung - die steht der Kritik jedoch gelassen gegenüber.

Von Florian Kellermann |
    Jaroslaw Kaczynski, Chef der polnischen Regierungspartei PiS, während einer nächtlichen Debatte zur Justizreform im polnischen Parlament (Sejm), umringt von diskutierenden Abgeordneten.
    Jaroslaw Kaczynski, Chef der polnischen Regierungspartei PiS, während einer Debatte zur Justizreform in der Sejm, umringt von Abgeordneten. (imago stock&people)
    Die polnische Regierungspartei PiS will die Justizreform noch in dieser Woche über die Bühne bringen. Das wurde spätestens in der Nacht zu heute klar. Die Rechtskonservativen brachten das Gesetz über den Obersten Gerichtshof im Eiltempo durch den Justizausschuss. Die rund eintausend Änderungsanträge der Opposition verwarfen sie kurz nach Mitternacht en bloc. Das Gesetz kann somit heute, in zweiter Lesung, beschlossen werden.
    Der Vorsitzende der Regierungspartei PiS Jaroslaw Kaczynski verteidigte dieses Vorgehen gestern Abend im öffentlichen Fernsehen:
    "Die Justizreform ist nötig, damit Gerechtigkeit herrscht, damit es in Polen vor dem Gesetz keine Privilegierten mehr gibt und niemanden, der behandelt wird, als habe er gar keine Rechte. Heute gibt es in Polen Privilegien für diejenigen, die mitunter sehr drastische und für die Gesellschaft sehr teure Verbrechen begehen."
    Drei Justiz-Gesetze stärken die Macht der Regierung
    Die Gerichte müssten der Kontrolle von Parlament und Regierung unterliegen, so das Argument, denn diese seien demokratisch legitimiert.
    Mit dem Gesetz über den Obersten Gerichtshof werden Staatspräsident Andrzej Duda dann schon drei Justiz-Gesetze zur Unterschrift vorliegen. Eines wird den Landesjustizrat umbauen, der bei der Ernennung von Richtern eine wichtige Rolle spielt. Nicht mehr die Richter selber werden die meisten Mitglieder des Rats bestimmen, sondern vor allem das Parlament und die Regierung. Die bisherigen Mitglieder des Rats verlieren ihr Amt automatisch. Ein anderes Gesetz sieht vor, dass Justizminister Zbigniew Ziobro die Präsidenten aller Gerichte austauschen kann. Und das dritte Gesetz führt dazu, dass alle Richter am Obersten Gerichtshof auf einen Schlag in den Ruhestand versetzt werden.
    Alles in allem bekommt die Regierungspartei PiS - über Parlament und die Regierung - erheblichen Einfluss auf die ordentlichen Gerichte. Daran ändern auch die Kompromissvorschläge von Präsident Duda nur wenig, die von der PiS in der Nacht zu heute akzeptiert wurden.
    Opposition sieht Gewaltenteilung in Gefahr
    Nach Ansicht der Opposition widerspricht diese Reform der Verfassung. Grzegorz Schetyna, Vorsitzender der rechtsliberalen "Bürgerplattform":
    "Präsident Duda sollte erklären, dass er gegen alle drei Gesetze ein Veto einlegt. Nur dann können wir davon sprechen, dass es in Polen weiterhin unabhängige Gerichte gibt und die Gewaltenteilung gilt."
    Die Debatte im polnischen Parlament verläuft überaus hitzig. Weiter fürs Gesprächsstoff sorgt ein Auftritt von Jaroslaw Kaczynski. Er bezeichnete vorgestern die Abgeordneten der "Bürgerplattform" als "Verräter" und "Kanalien" und bezichtigte sie des Mords an seinem Zwillingsbruder Lech Kaczynski. Dieser war, als damaliger polnischer Staatspräsident, bei einem Flugzeugabsturz bei Smolensk in Russland ums Leben gekommen.
    Angst vor Konsequenzen
    Nicht nur die Opposition und zigtausende Demonstranten in den polnischen Großstädten stemmen sich gegen die Justizreform. Auch in der EU wächst die Besorgnis über den Rechtsstaat in Polen. EU-Vizekommissionspräsident Frans Timmermans erklärte gestern, schon in der nächsten Woche werde die Kommission über ein Vertragsverletzungsverfahren diskutieren. Polen verliere international an Ansehen, beklagte Binnenmarktkommissarin Elzbieta Bienkowska, selbst eine Polin:
    "Was derzeit passiert und wie hier über die neuen Gesetzen gesprochen wird, das wird einen für Polen sehr schlechten Einfluss auf die Gespräche über den nächsten Finanzrahmen der EU haben. Bisher sprechen wir hier nur über ein Verfahren, um den Rechtsstaat zu schützen. Aber ich persönlich sage: Das wird auch das Budget beeinflussen."
    Die polnische Regierung gab zu verstehen, sie sehe der Kritik aus Brüssel gelassen entgegen. Warschau werde zu möglichen Empfehlungen der Kommission Stellung nehmen, hieß es im Außenministerium. EU-Ratspräsident Donald Tusk versuchte indes zu vermitteln. Er bot dem polnischen Präsidenten Duda ein Gespräch an, dass dieser jedoch ablehnte.