Auch die polnische Kulturprominenz kam vor das Gebäude des Sejm in Warschau. Die frisch gekürte Literatur-Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk wie auch die Film-Regisseurin Agnieszka Holland:
"Ich möchte allen Richtern, Anwälten und Staatsanwälten danken, die sich der Lüge und der Unterdrückung nicht ergeben wollen. Ich riskiere hier sehr wenig, wenn ich rede, sie riskieren sehr viel. Das ist so ein Moment, in dem wir zu verstehen beginnen, was das ist: Recht, was das ist: Gerechtigkeit. Sie sind für uns Bürger da. Sie sind die Gewähr für unsere Freiheit."
Keine kritische Meinung erwünscht
Die Regierung wolle die Unabhängigkeit der Richter mit dem neuen Gesetz weiter einschränken, so die Überzeugung der mehreren Tausend Demonstranten in Warschau und der Zigtausenden Demonstranten in ganz Polen.
Das Gesetz verbietet es den Richtern, ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs anzuwenden. Ihnen drohen empfindliche Disziplinarstrafen.
Der EuGH hatte starke Zweifel daran geäußert, dass die polnische Justizreform der vergangenen Jahre rechtsstaatlichen Standards entspricht. Die Regierungspartei PiS hatte dem Parlament und der Regierung Einfluss auf die Gerichte verschafft. Nun argumentiert die Regierung: Wenn sich polnische Richter auf das Urteil des EuGH berufen und jüngst geschaffene Rechts-Organe nicht anerkennen, dann führe das zu einem rechtlichen Chaos. Den Richtern soll es sogar verboten sein, eine kritische Meinung zur Justizreform zu äußern. Sie sollen selbst ihre Konten in sozialen Netzwerken offenlegen müssen.
Gesetz soll noch verändert werden
Ein Knebelgesetz sei das, meinte Joanna Nestorowicz, Datenanalystin in einer internationalen Firma, die zur Demonstration in Warschau kam:
"Ich habe heute Geburtstag und könnte mir Schöneres vorstellen, als hier zu frieren. Aber dieses Gesetz bringt für mich das Fass zum Überlaufen. Stellen Sie sich vor, zwei Seiten haben eine Meinungsverschiedenheit. Und dann sagt die eine einfach: So, ab jetzt darfst du deine Meinung nicht mehr äußern. Schachmatt, sie sind besiegt." So etwas dürfe in einer Demokratie nicht passieren, so die 35-Jährige.
Vertreter der PiS-Fraktion deuteten inzwischen an, sie wollten das Gesetz im Parlament noch verändern und auf einige Kritikpunkte eingehen. Nach einer Verabschiedung im Sejm kommt das Gesetz ins Oberhaus des Parlaments, den Senat, wo die PiS keine Mehrheit hat. Der Senat kann Gesetze zwar nicht stoppen, aber erheblich verzögern.