"Was auf der ganzen Welt den Männern stets gefällt/
das sind gewisse Damen mit Vergangenheit/
Die allermeisten Herrn, die haben sowas gern/
doch möglichst ohne Steuern für die Lustbarkeit/
O la la! Ich bin die fesche Lou/
Ich komme aus Paris, dem Lebensparadies/
wo hübsche Mädchen nicht mit ihren Reizen geizen"
das sind gewisse Damen mit Vergangenheit/
Die allermeisten Herrn, die haben sowas gern/
doch möglichst ohne Steuern für die Lustbarkeit/
O la la! Ich bin die fesche Lou/
Ich komme aus Paris, dem Lebensparadies/
wo hübsche Mädchen nicht mit ihren Reizen geizen"
Stimmgewaltige Diva
Schon als Fünfjährige feierte Gertrude Hesterberg ihre ersten kleinen Erfolge; in Berliner Hinterhöfen, in denen sie für ein paar Münzen Volkslieder trällerte. Die Familie nahm ihre musikalische Begabung ernst. Ihre Tante, eine Wagnersängerin an der Mailänder Scala, gab ihr kostenlosen Gesangsunterricht, und 1912 trat die 20-jährige Kaufmannstochter in Berlin mit ersten Chansons und Operettenrollen auf. Als im Ersten Weltkrieg die Theater geschlossen wurden, wechselte Trude Hesterberg, wie sie sich auf der Bühne nannte, zum Kabarett.
Friedrich Hollaender komponierte mehrere Chansons für die stimmgewaltige Diva und schrieb in seinen Erinnerungen: "Sie sang, sie schmetterte, sie säuselte die schärfsten Lieder der Zeit. Am schärfsten sind sie ja, wenn man sie säuselt, … und alles aus der obersten Schublade des Walter Mehring."
Walter Mehring war einer der bedeutendsten Satiriker der Weimarer Republik und verfasste für sie erfolgreich bissig-sozialkritische Texte:
"Das Tier ward Mensch, der Mensch ist feig /
und frisst sich auf mit Krieg und Streik /
Sie würden sich zerfetzen nach Noten und Gesetzen /
Und fürchten die Dressur/
Das ist Kultur."
und frisst sich auf mit Krieg und Streik /
Sie würden sich zerfetzen nach Noten und Gesetzen /
Und fürchten die Dressur/
Das ist Kultur."
Inspiriert von Pariser Revuen
Ermutigt von begeisterten Kritiken, die ihr "expressionistisches Soubrettentum" feierten, mietete Trude Hesterberg im Charlottenburger Theater des Westens zwei ungenutzte Gasträume im Souterrain. Dort eröffnete sie am 5. September 1921 ihr eigenes Kabarett, die "Wilde Bühne". Angeregt von den Pariser Revuen im Quartier Latin, war ihr erstes Programm eine Hommage an ihre Heimatstadt und den Milieu-Zeichner Heinrich Zille, aufgeführt im Berliner Dialekt.
An den Verriss der Kritiker erinnerte sich die Künstlerin noch viele Jahre später in einem Interview:
"Die Presse schrieb: Liebe Frau Hesterberg, das ist ja alles sehr tüchtig, sehr nett, sehr lieb. Aber machen Sie es anders. Flugs hab ich das auch getan, holte mir den Tucholsky, holte mir Marcellus Schiffer. Und so bekam das nun seine Note. Die scharfe Pranke Mehrings, der Charme von Tucholsky, der Geist und der Witz von Marcellus Schiffer. Und so rundete sich das Ganze ab. Und die Chansons waren absolut aggressiv. Es war der Boden dafür, es war die Unzufriedenheit nach dem Ersten Weltkrieg da, und wir geißelten alles, was gut und teuer war."
"Ihr spitzt nach jedem Wort das Ohr/
Ich werf' euch meine Perlen vor/
Und das Publikum, ringsherum /
Sträubt die Haare, Fanfare bläst Tusch/
Der Mensch ist gut und lechzt nach Blut /
Kusch!"
Ich werf' euch meine Perlen vor/
Und das Publikum, ringsherum /
Sträubt die Haare, Fanfare bläst Tusch/
Der Mensch ist gut und lechzt nach Blut /
Kusch!"
Bezahlt wurde mit einem Abendessen
Die "Rote Trude", wie die rothaarige Diseuse bald augenzwinkernd genannt wurde, lockte ein buntes Publikum aus allen Gesellschaftsschichten an, so dass die 300 Plätze der "Wilden Bühne" jeden Abend ausverkauft waren. Als verlässliche Währung in Inflationszeiten bezahlte sie ihre Stars wie Curt Bois, Kate Kühl, Blandine Ebinger, Erich Kästner oder Klabund mit einem warmen Abendessen. Nur Joachim Ringelnatz wollte etwas anders, berichtete Hesterberg:
"Dafür wollte er eine Flasche Wein oder Schnaps haben. Da sage ich gut, du bekommst von mir nur immer jeweils nach einer Sache, die du sprichst, ein Glas Schnaps, sonst wirst du mir besoffen. Und dann gibt's Krach im Haus. Und nun sprach sich das in Berlin rum, und man strömte also förmlich herbei, um zu sehen, wie Ringelnatz nach dem ersten Gedichtchen, was er sprach, sagte: ‚Moment mal, jetzt muss mir meine Frau Direktor erst ein Schnapsglas geben, sonst rede ich nicht weiter.‘"
1923 brannte das Kabaretttheater ab. Trude Hesterberg baute es nicht wieder auf, sondern wandte sich erneut der Operette zu. Wo einst die literarische Avantgarde der Weimarer Republik verkehrte und Bert Brecht seinen ersten Auftritt hatte, befinden sich heute die Aufenthaltsräume der Bühnentechnik. Eine Gedenktafel am Theater des Westens erinnert daran, dass Trude Hesterberg mit ihrer "Wilden Bühne" den Grundstein legte für das "moderne deutsche literarisch-politische Kabarett: "Ich bin Lou, die freche Chansonette / ich schlafe jede Nacht in einem rosa Himmelbett."