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Kabarettist Tobias Mann
"Bei Donald Trump kann man satirisch nichts mehr draufsetzen"

Zwar wird der Deutsche Kleinkunstpreis erst am 5. März 2017 verliehen, ein Gewinner steht aber schon jetzt fest: der Mainzer Kabarettist und Musiker Tobias Mann. Der ist bereits seit zehn Jahren auf deutschen Kleinkunstbühnen und im TV unterwegs und hat natürlich auch zur bevorstehenden US-Wahl seine Meinung.

Tobias Mann im Corso-Gespräch mit Bernd Lechler |
    Der deutsche Kabarettist und Musiker Tobias Mann.
    Der deutsche Kabarettist und Musiker Tobias Mann. (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Bernd Lechler: Am 5. März wird im Mainzer Unterhaus der Deutsche Kleinkunstpreis verliehen. Diese Woche wurden die Gewinner öffentlich - in der Sparte Kabarett ist es Tobias Mann, selbst Mainzer und nicht zum ersten Mal preisgekrönt. Bei Leibe nicht! Als Komiker, Satiriker, Musiker, Allround-Entertainer seit einem Jahrzehnt auf den Bühnen des Landes unterwegs oder in den entsprechenden Fernsehsendungen - wenn er nicht eigene hatte oder moderierte, so wie etwa das Late-Night-Kabarett "Mann, Sieber" mit Christoph Sieber im ZDF - und jetzt ist er zum Corso-Gespräch bei mir im Studio, Willkommen Tobias Mann!
    Tobias Mann: Ja, Dankeschön. Danke.
    Lechler: Ich zitiere mal aus der Begründung der Kleinkunstpreis-Jury, auch wenn Ihnen das unangenehm ist vielleicht: "Als Entertainer fesselt er sein Publikum mit Leichtigkeit, als politischer Kabarettist nutzt er die Aufgeregtheit der Comedy. Über die Jahre ist der leidenschaftliche Musiker zu einer wichtigen Stimme seiner Generation geworden. Wow.
    Mann: Ich bin auch ganz verlegen.
    Lechler: Ja, Sie müssen das jetzt auch nicht kommentieren. Aber falls Sie das geahnt haben: Woran merkt man als Kabarettist, dass es den Leuten offenbar wirklich was bedeutet, dass man sagt, was man sagt?
    Mann: Also, geahnt habe ich den Preis überhaupt nicht.
    "Über die Jahre hat sich ein Publikum herauskristallisiert"
    Lechler: Aber das so mit Stimme der Generation.
    Mann: Ja, auch das höre ich tatsächlich so in der Form ausgesprochen zum ersten Mal. Ich habe immer nur das Gefühl gehabt, also ich habe immer schon auf der Bühne das gemacht, was mich persönlich bewegt hat, was mich geärgert hat, was mich gefreut hat. Das waren Dinge, die bei auf der Bühne gelandet sind. Ich habe nie geschaut, welches Thema müsste ich jetzt machen, um irgendeinen Publikumsgeschmack zu bedienen, sondern es ging eher um das, was mich interessiert. Und ich habe dann das große Glück gehabt, dass anscheinend im Publikum Menschen waren, die das auch interessant fanden, und insofern hat sich so über die Jahre natürlich ein Publikum herauskristallisiert. Und vielleicht sind das Menschen, die meiner Generation angehören, also es ist natürlich schön, wenn das so ist.
    Lechler: Sie sind mit einem Best-of-Programm unterwegs, zum 10-jährigen Bühnenjubiläum, da passt der Preis natürlich auch irgendwie. Das heißt auch, Sie sind quasi mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel angetreten.
    Mann: Richtig, richtig.
    Lechler: Und beide noch da.
    Mann: Ja.
    Lechler: Welche politischen und gesellschaftlichen Ereignisse, oder vielleicht Vorgänge auch, haben Ihre Amtszeit als Kabarettist geprägt?
    Mann: Ja, also Merkel hat mich ja tatsächlich begleitet von Anfang an. Und hat sich ja auch was verändert durchaus. Also ich habe jetzt im Rahmen dieses Jubiläumsprogramms, wollte ich so ein bisschen Retrospektive machen. Ich wollte mal schauen, was habe ich gemacht am Anfang und habe geschaut, wie viele von diesen Sachen haben heute noch Relevanz oder was müsste ich tun, damit sie heute auf der Bühne noch Relevanz haben. So viel musste ich teilweise gar nicht machen.
    Also gerade die Lieder sind auch sehr, sehr frisch, und inhaltlich ist es aber so schon, dass ich sehe, dass sich bei mir auch viel verändert hat mit der Sicht auf die Welt, also, wie habe ich damals Dinge gesehen, wie sehe ich sie heute. Und das war ganz spannend für mich, das aufzuarbeiten.
    Aber Merkel war tatsächlich so eine Konstante, und auch da hat sich jetzt so im letzten Jahr, anderthalb, ich habe ja wirklich, seit ich auf der Bühne stand immer Kabarett gegen Merkel gemacht. Und dann sagt die auf einmal im letzten einen Jahr oder anderthalb Jahren Dinge, gegen die ich nichts haben kann. Das stellt uns im Kabarett natürlich vor ganz neue Herausforderungen. Und, hat aber auch wieder eine Nummer gegeben. Also: Jegliche Veränderung bringt einem dann auch immer was für das Material auf der Bühne.
    Satirische Wunderwaffe Guttenberg
    Lechler: Aber Sie haben wahrscheinlich auch ewige Lieblingsnummern, die Sie leider nicht mehr bringen können, weil das Thema durch ist, in so einem Best-of.
    Mann: Ja, ich habe zum Beispiel, wer sich noch an ihn erinnert, unser Freiherr von und zu Guttenberg, das war natürlich jemand, der bei mir im Programm regelmäßig vorkam, weil er natürlich so einen neuen Politikerstil im Prinzip da reingebracht hat. Also er war ja die große Figur der Hoffnung für die CSU. Und dann ist das da passiert und weg war er. Und das ist natürlich jemand, den ich gerne noch weiter irgendwie politisch, satirisch bearbeitet hätte.
    Aber vielleicht kommt er ja wieder, wer weiß, die CSU ist ja momentan gerade hoffnungslos, orientierungslos und vielleicht greifen sie auf die Wunderwaffe Guttenberg wieder zurück. Mich würde es freuen als Kabarettist.
    "Die Prioritäten ändern sich"
    Lechler: Das Thema Merkel und der Umgang mit ihr hat sich verändert sagen Sie. Wie hat sich Ihr Stil in den letzten zehn Jahren verändert? Gehen Sie heute anders ran als anfangs?
    Mann: Also ich rede immer noch unglaublich schnell auf der Bühne, das ist auch etwas, was ich glaube ich nicht loskriegen werde. Also so stilistisch ist es schon so ähnlich geblieben, wie ich auch angefangen hab. Aber inhaltlich hat sich viel verändert, also die Sicht auf die Welt. Ich merke das auch so an den Programmen.
    Das erste Programm war wirklich ein bisschen so eine Nabelschau, war so eine Ortsbestimmung, wo befinde ich mich gerade in meinem Leben? Es war so ein bisschen autobiografisch auch. Die Programme danach haben sich sehr mit der Gegenwart beschäftigt, mit dem Hier und Jetzt. Und dann, mein letztes Programm "Verrückt in die Zukunft", das handelte tatsächlich von der Perspektive, von der Zukunftsperspektive. Und das ist entstanden dadurch, in dem Moment, als ich Vater wurde. Weil diese Binsenweiseheit: "Wenn du mal Vater bist, dann verändert sich schon alles, dann werden andere Prioritäten, werden bei dir auf einmal da vorherrschen", das habe ich für eine Binsenweisheit gehalten, aber es stimmt, also es ist tatsächlich so.
    Ich habe da so meinen Sohn angeschaut und habe so gedacht, mein Gott, meine Frau und ich, wir haben jetzt die Verantwortung, in auf eine Welt vorzubereiten, die wir selber nicht ganz verstehen.
    "Humor hilft mir, mit dem Alltag klarzukommen"
    Lechler: Was wurde da für eine Nummer dann draus?
    Mann: Eine Nummer über Erziehung und natürlich über Pädagogik und wie bringt man. Bitte?
    Lechler: Machen Sie doch mal.
    Mann: Ach Gott, das ist immer so schwierig in so einem Studio jetzt irgendwie da, pointiert jetzt, das, was man auf der Bühne macht, dann hier zu reproduzieren. Aber es war letzten Endes, also dieser ganze, dieser frühkindliche Bildungswahnsinn, der dann auch uns erreichte. Also sei es über die Medien oder andere Eltern, wo du dann wirklich dann konfrontiert wirst mit Spanischkursen im Kindergarten und Yoga für Dreijährige, wo ich dann sage, also, wenn ich meinen Sohn zum Yoga schicke, dann nur mal zu gucken, wie lange das dauert, bis der Guru seine innere Einheit verliert.
    Also das, oder überhaupt, dieser ganze Sprachkurswahnsinn, wann fängt man damit an, muss man das vielleicht machen? Ja, ich war, wir waren da immer verwirrt, ja, weil wir leben ja in einer Zeit, wo am Ende des Geburtskanals der Englischlehrer steht und sagt "Welcome, listen and repeat". Und da muss man sich irgendwie mit arrangieren, und das landete dann logischerweise dann eben auch auf der Bühne in einer Nummer und ich glaube auch, das ist für mich was Therapeutisches.
    Also wenn ich auf der Bühne über diese Dinge erzählen kann, habe ich darüber reflektiert, habe aber auch irgendwie einen humoristischen Zugang gefunden. Und Humor ist für mich tatsächlich echt ein Mittel, um mit dem Alltag und mit dem Leben klarzukommen.
    Lechler: Angefangen haben Sie bei der Mainzer Fastnacht, ne?
    Mann: Richtig.
    Zwischen Fastnacht und Kabarett
    Lechler: Bleibt die Affinität? Ist die bestehen geblieben?
    Mann: Natürlich. Also ich habe die Fastnacht ja nicht an den Nagel gehängt, weil ich keine Lust mehr gehabt hätte, sondern weil ich mich da einfach entschieden hatte damals, professionell meinen Spaß auf der Bühne zu machen. Aber ich habe der Fastnacht viel zu verdanken. Also ich hab mit 11, 12 Jahren, habe ich angefangen da und habe auf der Bühne gestanden, vor Sälen voller Menschen und das war natürlich ein wunderbares Übungsobjekt, auch für den kleinen Tobi. Er ist da raus und hat geschaut, was funktioniert, was funktioniert nicht, wie muss man Pointen setzen, Timing, ja.
    Man war auch am späten Abend dann mit Publikum konfrontiert, dass nicht mehr ganz so aufmerksam war, auch das schult natürlich etwas. Das ist im Kabarett heute natürlich ganz anders.
    Lechler: Ja, ist ja schon eine Grätsche oder? Oder sind das jetzt meine Vorurteile? Hier Fastnacht zu machen, tata, und dann als Enkel Dieter Hildebrandts wahrgenommen zu werden.
    Mann: Das ist mit Sicherheit, sind es zwei unterschiedliche Stile des Humors, aber ich glaube, die Basis ist eine ähnliche. Gerade jetzt in Mainz pflegen wir die politisch-literarische Fastnacht - das mag der ein oder andere anzweifeln, aber es ist natürlich so, dass wir in Mainz schon irgendwie, dass da die politische Fastnacht immer sehr wichtig gewesen ist. Und ich glaube schon, dass dieses Auflehnen gegen Zustände und das Wettern gegen die da oben, dass das ist so das verbindende Element von Fastnacht und Kabarett und insofern bin ich mir da schon treu geblieben.
    Lechler: Als Sie angefangen haben, war Comedy ja längst ein populärerer Begriff als Kabarett. Sie blödeln auch gern in Ihren Programmen.
    Mann: Ach, unglaublich gern.
    Lechler: Bis hin zum Absurden und scheinbar Sinnfreien.
    Mann: Ja.
    "Das Publikum durch Verwunderung mitnehmen"
    Lechler: Aber wie groß ist Ihr Ehrgeiz, dann auch aufzuklären? Verspüren Sie eine Art Bildungsauftrag?
    Mann: Ach, das würde zu weit gehen. Also ich versuche schon, was ich versuche ist, meinen Standpunkt deutlich zu machen. Und das ist ja immer am besten, wenn man Argumente vorbringt. Also insofern recherchiere ich schon sehr ordentlich meine Sachen und versuche dann daraus mir eine Meinung zu bilden und die auf die Bühne zu bringen. Ob ich damit was bewege?
    Also der Antrieb ist es, natürlich schon irgendwie, dass die Leute da raus gehen und hinterher vielleicht eine Perspektive gesehen haben, die sie so vorher nicht hatten. Aber ob jetzt wirklich, natürlich will man ein Stück weit die Welt verändern, wenn man auf die Bühne geht und was erzählt. Aber erstmal ist es wirklich so, dass ich da rausgehe und mich mit den Leuten zusammen wundere, über die irren Zeiten, in denen wir leben. Ich bin kein Kabarettist, der mit erhobenen Zeigefinger da steht und sagt, wie die Welt geht, sondern es ist wirklich eher so, dass ich meine Verwunderung zum Ausdruck bringe, das pointiert und versuche, auf dem Weg durch diese Verwunderung das Publikum mitzunehmen.
    Lechler: Vor zehn Jahren haben Sie beschlossen, also ganz und gar professionell, das zu machen, wie Sie sagen. Hatten Sie noch eine Alternative?
    Mann: Naja. Also ich habe ja was Ordentliches gelernt und kam sehr spät erst auf diesen Trichter, dass ich vielleicht damit meinen Lebensunterhalt verdienen könnte, mit dem Spaß auf der Bühne. Ich habe ja BWL, äh, Betriebswirtschaftslehre, also ich will das nicht so, also, ich habe BWL studiert! Und das mehr aber aus so einem Herdentrieb heraus, weil das viele Freunde von mir studiert haben. Und fand das dann stellenweise gar nicht so uninteressant, also Marketing hat mich sehr interessiert. Aber andere Dinge fand ich halt nicht so interessant und habe dann auch gesehen, was dann Kommilitonen beruflich damit gemacht haben hinterher. Das wollte ich nicht.
    Lechler: Und jetzt haben Sie den therapeutischeren Weg gewählt?
    Mann: Definitiv. Und habe dann eben auch meine Leidenschaft dann im Prinzip zum Beruf gemacht.
    Zwei problematische Kandidaten in den USA
    Lechler: Ich frage Sie jetzt nicht, was die Kanzlerkandidatur und die Zukunft betrifft, nächstes Jahr, was Sie sich da aus professionellen Gründen wünschen würden. Aber erstmal ist ja am Dienstag Präsidentschaftswahl in den USA.
    Mann: Oh ja.
    Lechler: Nach einem sehr hässlichen Wahlkampf.
    Mann: Ja.
    Lechler: Mit mindestens einem recht problematischen Kandidaten, je nach Sichtweise.
    Mann: Ja, ich würde sagen, es sind zwei problematische Kandidaten, beziehungsweise eine problematische Kandidatin ja auch mit dabei. Es ist wirklich schwierig da. Also diese beiden Wahlmöglichkeiten, die man da hat. Du hast auf der einen Seite diesen, ja, rassistischen, sexistischen, ja, äh, Irren kann man fast schon sagen, wie er sich manchmal verhält.
    Und auf der anderen Seite Clinton, die auch eine sehr schwierige Geschichte in der Vergangenheit hatte und wo man sich dann auch gar nicht ausmalen möchte, wo das außenpolitisch hinläuft. Also insofern, da sieht man, wie schmerzhaft manchmal Demokratie oder zumindest das, wie Demokratie da in Amerika betrieben wird, wie schmerzhaft das manchmal sein kann.
    Lechler: Aber Sie haben es wahrscheinlich im Programm.
    Mann: Selbstverständlich. Aber das Problem ist natürlich, bei einem Kandidaten wie Trump, kann man satirisch fast nichts mehr draufsetzen.
    Lechler: Tobias Mann. Heute Abend um 20 Uhr im Comedia-Theater in Köln mit dem Jubiläumsprogram. Und am 28. November kommen Sie nochmal hierher, dann wird nämlich die nächste Folge "Mann, Sieber" aufgezeichnet und gleich dann am Abend im ZDF gesendet. Danke fürs Corso-Gespräch, Herr Mann.
    Mann: Ich danke.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.