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Kabarettist Torsten Sträter
Ein sehr persönliches Programm

Torsten Sträter, Vorlesesatiriker mit der ewigen Wollmütze, ist längst ein fernsehbekannter Star der Kleinkunstszene und Buchbestseller. Mit viel schrägem Humor erzählt er von seinen Alltagsbeobachtungen - wird in seinem dritten Programm „Schnee, der auf Ceran fällt“ aber auch sehr persönlich.

Von Achim Hahn | 24.10.2019
Torsten Sträter hält ein aufgeschlagenes Buch vor dem Gesicht.
Torsten Sträter: "Ich bin selber ja depressiv gewesen" (Guido Schröder)
Jetzt ist es also amtlich, nach etlichen Vorpremieren, ...
Torsten Sträter: "... die mir auch nicht weitergeholfen haben:"
Das neue Programm von Torsten Sträter. Vorlesesatiriker mit der ewigen Wollmütze und längst ein fernsehbekannter Star der Kleinkunstszene.
Torsten Sträter: "Ja, das Programm heißt 'Schnee, der auf Ceran fällt' - so weit, so gut. Ich hab mir nicht viel dabei gedacht."
Bekennt er flapsig und lässt tief blicken in den schweißtreibenden Prozess des komischen Schreibens im letzten Sommer.
Torsten Sträter: "Was gibt’s sonst Neues?"
In Wacken war er und dann noch bei der deutschen Depressionsliga, deren Schirmherr er ist, wie er nicht ohne Selbstironie erzählt.
Torsten Sträter: "Ich bin selber ja depressiv gewesen."
Persönliche Bekenntnisse
Das erste persönliche Bekenntnis an diesem Abend - mit komischem Zungenschlag.
Torsten Sträter: "Und dann hab' ich Tabletten gekriegt. Da waren gute bei. Da waren aber auch nicht so gute bei. Ich hatte 'ne Phase 2005, da konnt’ ich das Haus nicht verlassen, einfach weil ich blockiert war. Ich konnte nicht unter Leute gehen. Jetzt komm ich aus Waltrop, da weiß man, es geht allen da so. Ich hatte trotzdem in mir drin diesen unheimlichen Widerstand, und dann hab' ich vom Arzt Tabletten gekriegt, die mir ziemlich gut geholfen haben. So Antidepressiva oder was das war. Super. Nach vier Tagen ging’s mir blendend. Ich hab' von den Tabletten aber so die Scheisserei gekriegt, dass ich trotzdem das Haus nicht verlassen konnte. Ich war der lustigste Mann auf dem Pott. Ich hab' in die Hände geklatscht und Lieder gesungen, versucht bei Rewe anzurufen: ‘Bringen sie mir Hakle-Feucht, ich kann nicht raus!'"
Im Mittelpunkt aber immer wieder: sein sechzehnjähriger Sohn und der Verdacht, ...
Torsten Sträter: "... mein Sohn will nicht mehr im Programm vorkommen, glaub' ich. Er war mir steter Quell der Freude und Inspiration, und jetzt sagt er, er möchte das nicht mehr so dringend."
Von Zuckersucht und Mehrfachversicherung
Weshalb er jetzt - wohl letztmalig - dieses Vater-Sohn Ding ...
Torsten Sträter: "Er hat ja nie bei mir gewohnt, falls Sie verstehen. Seine Mutter und ich haben so ein Auslieferungsabkommen."
... und auch sein eigenes Verhältnis zu seinem leiblichen Vater doch immer wieder zum Thema macht, und letztlich sogar ins Zentrum rückt.- Doch der Schnee fällt langsam an diesem Abend, und es dauert, bis Torsten Sträter endlich in Fahrt kommt. Einige neue Vorlese-Geschichten präsentiert er auch, obwohl die Grenzen zur Moderation längst fließend sind. Geschichten etwa über die Zuckersucht oder seine Zugbegegnung mit Campino, seine Vorliebe für Mehrfachversicherungen oder für Horst Lichters Trödelshow "Bares für Rares". Umrahmt und durchbrochen wird das von etlichen Dönekes, die wie aus der Hüfte geschossen wirken:
Torsten Sträter: "Ich hab' einen getroffen in Berlin am Hauptbahnhof, der hat gesagt: Ich bin Klima-Gegner. Ich sag': Echt alles? Auch Wind? Alles?"
Ein Programm voller Geschichten, die man nicht schon aus dem Fernsehen kennt. Da legt er wert drauf. Frischware also, die nur live zelebriert wird. Und das ist wörtlich gemeint.
Torsten Sträter: "Ich war auf ‘nem Rastplatz in Bremen. Komm da rein. Dann stehen da Menschen hinterm Tresen, die erstarren. Dann sag' ich: ‘Tach! Wat is?’ Und die Frau sagt: ‘Kann das sein, dass mein Kollege Sie kennt?’ Ich beantworte jetzt generell, bevor einer was sagt, alles mit 'ner Gegenfrage. Ich komm' irgendwo rein, die Leute sagen gar nichts. Ich geh' zum Bäcker, sag' morgens: ‘Gegenfrage: Wenn ich Ihnen Geld gebe, krieg' ich dann Brötchen?’ Das ist irritierend. Müssen Sie mal machen!"
Spontaner Mutterwitz
Seine Fans wissen, wie er aus purer Erzähllaune alles immer wieder zerfasert durch plötzliche Einfälle und damit auf Neben- und manchmal auch Abstellgleise leitet. Spontan wirkende Paranthesen-Komik, die zu Lachanfällen mit krampfartigen Zuständen führt. Vom Hölzken aufs Stöcksken, wie man es im Ruhrgebiet nennt.
Torsten Sträter: "Wie lösen die eigentlich die Lindenstraße auf nächstes Jahr? Wissen Sie das? Was machen die? Machen die Zombiapokalypse nach 8000 Folgen? Jetzt mal ehrlich. Die einzige Möglichkeit aus der Nummer wieder rauszukommen, oder?"
Torsten Sträters drittes Programm wirkt wie ein komischer Bewusstseinsstrom, bei dem man sich scheckig lacht - über diesen spontanen Mutterwitz, der in den Geschichten am besten ist, wenn er ins aberwitzig Absurde getrieben und zum Schluss sehr persönlich wird, durchzogen von einem Hauch Melancholie - auf der zu späten Suche nach dem eigenen Vater.
Torsten Sträter: "Mein Timing ist - wie üblich - über jeden Verdacht erhaben."