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Kabinettsbeschluss
Auch Obdachlose sollen Anrecht auf ein Konto bekommen

Die Banken in Deutschland sollen in Zukunft niemanden mehr abweisen dürfen, der bei ihnen ein einfaches Girokonto eröffnen will. Das hat das Bundeskabinett in Berlin beschlossen. Von dem neuen Gesetz sollen vor allem Obdachlose profitieren - aber auch Asylbewerber und Ausländer, die in Deutschland nur geduldet sind.

    Zwei Girokarten liegen übereinander.
    Künftig soll auch derjenige eine Bankarte erhalten, der keinen festen Wohnsitz hat (picture alliance / dpa / Angelika Warmuth)
    Menschen ohne festen Wohnsitz oder Ausweispapiere werden bisher häufig von Banken als Kunden abgelehnt. In Zukunft soll das nicht mehr passieren: Dem Gesetzentwurf zufolge reicht es für ein sogenanntes Basiskonto künftig aus, sich legal in der EU aufzuhalten. Wo sie dieses Konto eröffnen wollen, können sich die Betroffenen selbst aussuchen: Sie erhalten dann eine Bankkarte und können Geld überweisen. Überziehen können sie das Konto aber nicht.
    In Deutschland gab es schon einmal sogenannte Jedermann-Konten. Seit die Postbank 1995 privatisiert wurde, besteht aber kein Rechtsanspruch mehr, sondern nur eine freiwillige Selbstverpflichtung der Banken. Mit deren Umsetzung ist die Bundesregierung nicht zufrieden. Sie setzt mit dem neuen Gesetz auch EU-Vorgaben um, die das Europäische Parlament im vergangenen Jahr beschlossen hatte: Demnach sollen alle EU-Bürger einen Anspruch auf ein eigenes Konto haben, damit sie am sozialen und wirtschaftlichen Leben teilnehmen können.
    Kritik von Banken
    Das sogenannte Zahlungskontengesetz geht weit über die bisherigen Empfehlungen der Interessenverbände hinaus. Banken müssen das neue Basiskonto zwar nicht gratis anbieten, aber die Gebühren sollen sich im Rahmen des Üblichen bewegen. Eine schlechte Bonität reicht nicht aus, um den Antrag auf ein Konto abzulehnen. Das geht nur, wenn jemand schon ein Basiskonto hat oder ihm Kontenbetrug nachgewiesen wurde. Einige der deutschen Banken sind von den neuen Regeln wenig begeistert. Sie argumentieren mit internationalen Vorschriften zur Verhinderung von Geldwäsche, wonach sich Bankkunden eindeutig identifizieren müssen.
    Mindestens 670.000 "Kontolose"
    Früheren Schätzungen zufolge haben in Deutschland etwa 670.000 Menschen kein eigenes Konto. Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass sich die Zahl durch die große Zahl an Flüchtlingen deutlich erhöht hat. Inzwischen könne es mehr als eine Millionen "Kontolose" geben.
    Auch Obdachlose müssen im Alltag Geld überweisen. Wenn sie kein Konto haben, würden für Bareinzahlungen Gebühren anfallen. Das kann sich erheblich summieren - beispielsweise wenn jemand ein Bußgeld fürs Schwarzfahren in kleinen Raten abzahlen will, weil er die Summe nicht im Ganzen aufbringen kann. Auch die Abwicklung etwa von Jobcenter-Zahlungen werfen ohne Konto erhebliche Probleme für die Betroffenen auf. Darauf weisen Sozialarbeiter schon seit Langem hin.
    (jasi/tgs)