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Kabinettsklausur
"Armseliger Kompromiss"

Für Anton Hofreiter (Bündnis 90/Die Grünen) war die Kabinettsklausur in Meseberg kein Erfolg: Die "demonstrative Harmonie" von Schwarz-Rot sei nicht hinterlegt worden von Kompetenz, sagte Hofreiter im Deutschlandfunk. Ausdrücklich kritisiert er die Renten- und Energiepläne der Regierung.

Anton Hofreiter im Gespräch mit Silvia Engels | 24.01.2014
    Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter
    Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisiert die "Pseudoharmonie" von Schwarz-Rot - die eigentlichen Probleme würden nicht angegangen. (picture-alliance / dpa / Sven Hoppe)
    Christoph Heinemann: Die Energiepolitik und die Rentenreform standen inhaltlich im Mittelpunkt der ersten Kabinettsklausur der schwarz-roten Bundesregierung im brandenburgischen Schloss Meseberg. Vizekanzler Sigmar Gabriel von der SPD hatte vorher gesagt, er erwarte eine fröhliche, arbeitsintensive Sitzung, und dass sich alle mögen, diesen Eindruck versuchten die "Grokos" – das ist die Abkürzung für die Großkoalitionäre – auch anschließend zu vermitteln.
    Darüber hat meine Kollegin Silvia Engels mit Anton Hofreiter gesprochen, dem Fraktionschef der Grünen im Deutschen Bundestag, und ihn gefragt, was seine Partei und seine Fraktion so viel demonstrativer Regierungsharmonie entgegensetzen möchte.
    Anton Hofreiter: Na ja, die demonstrative Harmonie der Regierung ist ja überhaupt nicht hinterlegt mit entsprechender sachlicher Kompetenz und sachlicher Einigung. Das was wir erlebt haben nach diesen überlangen Koalitionsverhandlungen, war eine zerstrittene Regierung, und jetzt sehen wir eine Pseudoharmonie, weil sie die eigentlichen Probleme nicht angehen, nämlich wie finanzieren sie ihr Rentenpaket, ist das Rentenpaket überhaupt gerecht, hilft das Rentenpaket überhaupt den richtigen Menschen.
    "Das kann ja wohl keine Politik sein"
    Und wenn man zum zweiten großen Thema sich anschaut, die Energiewende, ich meine, da sieht man einen armseligen Kompromiss zwischen erneuerbaren Energien und dem Ausbau der Kohle. Also das kann ja wohl keine Politik sein.
    Silvia Engels: Dann schauen wir auf diese Blöcke, die Sie schon ansprechen. Vielleicht erst die Reform der Energiewende. Die Grünen halten ja bekanntlich nichts von dem Vorhaben von Wirtschaftsminister Gabriel, vor allem die Förderung der Windenergie zu deckeln. Wie würden Sie denn die ständig steigenden Strompreise für die Verbraucher in den Griff kriegen?
    Hofreiter: Man muss sich natürlich erst mal die Ursache für die ständig steigenden Strompreise anschauen, und da stellt man fest: Die Hauptursache für die steigenden Strompreise sind ein nicht funktionierender Markt und des Weiteren die völlig aus dem Ruder gelaufenen Ausnahmen für die Industrie.
    Engels: Aber da will Gabriel doch in der Tat viele Industrierabatte zusammenstreichen. Da müssen Sie doch zustimmen.
    Hofreiter: Na ja, da hat er noch nichts Genaues vorgelegt, sondern da hat er davon gesprochen, dass er Rabatte zusammenstreichen will. Aber was Konkretes ist da überhaupt nicht vorgelegt. Wir haben ja auch Herrn Gabriel angeboten, dass wir eine ernsthafte Energiewende machen. Da das so ein großes Thema ist, sind wir da gerne bereit. Aber bis jetzt haben wir über sein Papier nur relativ dünne Sachen gesehen und was er vorgelegt hat, wird ja nicht nur von uns kritisiert, sondern wird ja auch völlig abgelehnt von den Ministerpräsidenten, auch den roten Ministerpräsidenten. Also wenn ich mir anschaue, wie die Reaktionen auf sein Papier sind ...
    "Energiepolitik von Schwarz-Rot dient der schmutzigen Kohle"
    Engels: Bis Ostern sollen die Eckpunkte Gabriels in Sachen Energie ja zum Gesetzesentwurf werden. Wissen Sie denn schon, was Sie davon im Bundesrat – Sie sprechen ja gerade die Länderkammer an -, was Sie im Bundesrat stoppen können, denn die Grünen sind ja auch an vielen Landesregierungen beteiligt?
    Hofreiter: Na ja, da gibt es Teile, die zustimmungsbedürftig sind, gerade der Bereich der Beihilfeverfahren der EU. Aber für uns ist ganz eindeutig, was das entscheidende Kriterium ist für die Energiewende. Das entscheidende Kriterium ist, dass die Energiewende dem Klimaschutz dient, und im Moment dient das Papier von Herrn Gabriel eher der schmutzigen Kohle und die saubere und noch dazu kostengünstige Windkraft wird ausgebremst.
    Das ist ja das völlig Verrückte im Kern an diesem Papier, dass Herr Gabriel scheinbar noch gar nicht mitbekommen hat, dass der große Erfolg des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes ist, dass inzwischen eine Windkraftanlage die billigste Art ist, Strom zu produzieren, die es überhaupt gibt in der Bundesrepublik. Sauber ist sie auch noch!
    Engels: Dann nehmen wir mal an, Sie haben es ja angesprochen, einige Teile sind zustimmungspflichtig. Sie rechnen also damit, dass dieses Konzept, wie Gabriel es vorschwebt, zumindest in Teilen im Bundesrat gestoppt werden kann, wenn es Ihnen nicht passt.
    "Klimakonzept torpediert saubere Windkraft an Land"
    Hofreiter: Wir rechnen damit, dass dieses Konzept so nicht Wirklichkeit wird, weil es die Energiewende beschädigt, weil es dem Klimaschutz nichts nützt und weil sie ausgerechnet die kostengünstigste und saubere Windkraft an Land torpediert.
    Engels: Aber haben Sie auch die Möglichkeit des Umgestaltens im Bundesrat?
    Hofreiter: Nach allem, was man erkennen kann, wäre die Bundesregierung klug beraten, das mit dem Bundesrat gemeinsam zu machen. So ein großes Projekt wie die Energiewende ist klug, gemeinsam umzusetzen.
    Engels: Dann schauen wir noch auf ein anderes Thema, was im Bundesrat wahrscheinlich nicht in Teilen oder gar komplett zu stoppen ist, nämlich das Rentenpaket. Das soll auf der nächsten Kabinettssitzung auf den Weg gebracht werden. Sie bemängeln ja, dass die milliardenschweren Zusatzleistungen für Mütterrente und Rente mit 63 vor allem die Jüngeren belaste. Gabriel hält dagegen, dies sei eine moralische Frage, gerade gegenüber den heutigen älteren Müttern. Warum lassen Sie das eigentlich nicht gelten?
    "Rentenpaket ist vollkommen unsauber finanziert"
    Hofreiter: Es geht ja gar nicht darum, ob das eine moralische Frage oder eine nicht moralische Frage ist, sondern das Problematische daran ist, dass es einfach vollkommen unsauber finanziert ist. Es ist ja schön, jetzt Verbesserungen zu machen, und die Verbesserungen sind allen gegönnt.
    Aber dann muss man es auch im Jetzt finanzieren und nicht die Lasten in die Zukunft verschieben und trickreich da de facto Staatsverschuldung zu machen und trickreich eine Steuererhöhung am Ende sogar noch zu organisieren, die allerdings erst in der Zukunft finanziert werden muss, abgesehen mal davon, dass die Rente mit 63 noch dazu so gestaltet ist, dass noch nicht einmal klar ist, wie sie umgesetzt werden soll.
    Und dann kommt auch noch was dazu: Die Sozialverbände lehnen dieses Modell auch ab, weil sie sagen, es gibt A Menschen mit Altersarmut, denen nicht geholfen wird, und andere Menschen, die durchaus eine gute Rente haben, die bekommen noch eins obendrauf. Also das Ganze ist auch noch vollkommen zielungenau. Es ist ungerecht finanziert und es hilft noch nicht einmal wirklich umfassend den Menschen, die von Altersarmut betroffen sind.
    Heinemann: Anton Hofreiter, der Fraktionschef der Grünen im Deutschen Bundestag. Die Fragen stellte meine Kollegin Silvia Engels.
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