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Kämpfer für die Freiheit

Seit über 30 Jahren engagiert sich Bolat Atabajew als Leiter des Deutschen Theaters in Almaty für demokratische Strukturen in seiner undemokratisch regierten Heimat. Im Juni wegen "Anstiftung zu sozialen Unruhen" verhaftet, kam er erst auf öffentlichen Druck frei. Jetzt erhielt er in Weimar die Goethe-Medaille.

Von Blanka Weber |
    "Ich komme aus einem Land, das Land der ewig grünen Tomaten."

    Bolat Atabajew, 1952 geboren lebt in Kasachstan:

    "Bertold Brecht hat einmal gesagt: Unglücklich ist das Land, dass die Helden braucht."

    Der Theaterregisseur lässt seinen Blick aus dem Fenster schweifen:

    "Aber Heroisieren und Dämonisieren ist typisch für eine totalitäre Gesellschaft - wie unsere, wie Kasachstan."

    Welche Kraft hat das Wort eines Künstlers in diesem Land? Atabajew schweigt kurz, er habe 60 Lebensjahre gebraucht, um den Mut zu fassen, kein Sklave mehr zu sein – wie er es formuliert. Die Wahrheit brauche ich für mich selbst – sagt er:

    "Angst habe ich auch, aber muss man bekämpfen einfach. Ich habe gelernt, Wahrheit zu sagen – das muss man lernen. Öffentlich. Manchmal haben wir keinen Mut, das muss man haben. Sonst ändert sich nichts."

    Einer seine Freunde sei heute aus der Haft entlassen worden, um 7 Uhr habe er den Anruf aus Kasachstan erhalten. Ein guter Tag. Doch noch sitzen Freunde von ihm in Haft. Auch Bolat Atabajew wurde im Frühjahr verhaftet, nach zwei Wochen kam er frei.

    Bis jetzt. Er rechnet mit neuen Repressalien bei seiner Rückkehr, wirkt still und in sich gekehrt. Das Leben hier, Weimar, seine Auszeichnung sei wie ein Kraftquell, er ruhe sich aus – um neue Kraft zu tanken – für den Fluss des Lebens, in dem wir alle schwimmen.

    Seine Worte am Morgen waren leise, ernst und innehaltend – mit Blick auf die Politik seines Landes aber auch Dankbarkeit für seine Theaterzeit in Kasachstan – am deutschen Theater:

    "Der heutige Atabajew – das ist zu verdanken dem Deutschen Theater, wo ich fast zehn Jahre gearbeitet habe. Ich habe von denen gelernt zu protestieren, Kultur des Protestes habe ich am deutschen Theater gelernt, bei Schiller, Goethe, Sturm und Drang-Periode, ich habe vorzügliche Dozenten gehabt in Almaty."

    Das Wort zu ergreifen, die Wahrheit zu sagen – erklärt Atabajew – sei im übrigen sehr egoistisch:

    "Ich hab meine Enkelkinder, ich sehe die Kinder meiner Freunde und meines Kreises und in was für einem Land sie leben werden – das interessiert mich mehr."

    Wir haben noch keine Zivilgesellschaft, sagt Atabajew. Aber – Menschen, die dafür mit Worten kämpfen. Man nimmt es ihm ab, dem großen, breitschultrigen Mann mit dem lichten leicht gewellten Haar und den dunklen ernsten Augen, mit der Liebe zur Literatur, zu Goethe, Schiller und Bertold Brecht:

    "Brecht hat einmal gesagt: Man wird nicht sagen, dass sie ein schweres Leben gehabt haben – man wird fragen: Wo waren ihre Poeten?"
    Die Preisträger der Goethe-Medaille 2012: der bosnische Autor Dzevad Karahasan, die litauische Literatur- und Theaterwissenschaftlerin Irena Veisaite und der kasachische Theaterregisseur Bolat Atabajew.
    Die Preisträger der Goethe-Medaille 2012: der bosnische Autor Dzevad Karahasan, die litauische Literatur- und Theaterwissenschaftlerin Irena Veisaite und der kasachische Theaterregisseur Bolat Atabajew. (picture alliance / dpa /Martin Schutt)