Hohes Fieber, eitrige Entzündungen am ganzen Körper, schließlich eine unaufhaltsame Zersetzung der inneren Organe: Am Kindbettfieber, einer schweren bakteriellen Wundinfektion, starben in der ersten Geburtshilflichen Station des Wiener Allgemeinen Krankenhauses Mitte der 1840er-Jahre durchschnittlich zehn Prozent aller Wöchnerinnen – drei Mal so viele wie gleich nebenan in einer zweiten Gebärstation, die nicht von Ärzten, sondern von Hebammen geleitet wurde. Die Ärzte führten das Kindbettfieber, wie die Cholera, auf einen "Genus epidemicus" zurück, der von noch unbekannten atmosphärischen, kosmischen oder "tellurischen", das heißt: erdgebundenen Faktoren abhängig sei.
"Das Schicksal hat mich zum Vertreter der Wahrheiten erkoren ... ",
schrieb Ignaz Semmelweis, ein geborener Ungar, in seinem Buch "Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers", das 1861 veröffentlicht wurde. Er schilderte darin, wie er als junger Assistenzarzt an der Wiener Gebärklinik die Theorie vom "Genus epidemicus" in einem Ausschlussverfahren Schritt für Schritt widerlegte.
"Wenn die atmosphärischen Einflüsse der Stadt Wien eine Kindbettfieber-Epidemie im Gebärhause hervorrufen, so müsste ja notwendigerweise – da die Bevölkerung der Stadt Wien denselben Einflüssen unterworfen ist – auch in der Stadt das Kindbettfieber epidemisch herrschen, in der Wirklichkeit aber beobachtete man weder in Wien noch auf dem Lande ein häufiges Erkranken der Wöchnerinnen."
Auch klinikintern ließ sich der eklatante Unterschied in den Sterberaten nicht "epidemisch" erklären, weil, ...
" ... zwei Abtheilungen, welche so nahe aneinander liegen, dass sie ein gemeinschaftliches Vorzimmer haben, nothwendigerweise denselben atmosphärisch-cosmisch-tellurischen Einflüssen unterworfen sein müssen."
Semmelweis verglich die beiden Gebärstationen miteinander. Alles war gleich: die Bauweise, die Verpflegung, auch der niedrige soziale Status der Frauen, für die der Klinikaufenthalt kostenlos war und die ihre oft unehelich geborenen Kinder, wenn sie es wünschten, dem angeschlossenen "Findelhaus" übergeben konnten.
"Folglich hätte an beiden Abtheilungen eine gleiche Sterblichkeit statthaben müssen."
Aber einen Unterschied gab es doch: Nur in der ärztlichen Abteilung wurden seit 1840 Medizinstudenten ausgebildet. Zu deren Pflichtprogramm gehörten auch Sezierübungen an Leichen. Sie wurden mit denselben bloßen Händen durchgeführt, mit denen die Studenten und Ärzte danach die Wöchnerinnen behandelten.
Als im März 1847 ein Professor für Staatsarzneikunde an den Symptomen des Kindbettfiebers starb, nachdem ihn ein Student während einer Leichensektion mit einem Skalpell am Finger verletzt hatte, fiel es Semmelweis wie Schuppen von den Augen: Die Krankheit war eine Art Blutvergiftung. Semmelweis führte das Händewaschen mit einer Chlorkalklösung ein. Schlagartig sank die Sterberate auf das Niveau der Hebammen-Station.
"Die unbekannte Ursache, welche so entsetzliche Verheerungen anrichtete, war demnach in den an der Hand klebenden Cadavertheilen der Untersuchenden an der ersten Gebärklinik gefunden."
Dass die meisten Ärzte Semmelweis und seinem streng wissenschaftlich geführten Beweis nicht folgen konnten, gehört zu den großen Rätseln der Medizingeschichte. Der Leiter der Gebärklinik versprach zwar, dass er am Händewaschen festhalten werde, verhinderte aber die Einsetzung einer Untersuchungskommission, die er als Eingriff in seine professorale Autonomie verstand. Seinen wenigen Anhängern machte es Semmelweis dadurch schwer, dass er selber lange schwieg.
Nachdem seine Assistentenstelle nicht verlängert worden war, kehrte er 1850 im Alter von 32 Jahren nach Ungarn zurück. Semmelweis übernahm in Pest die Gebärabteilung eines Spitals, bekam dort später auch eine Professur, veröffentlichte schließlich seine "Ätiologie". Mehrere "Offene Briefe", in denen er führende Geburtshelfer seiner Zeit des Mordes bezichtigte, zeugen von einer wachsenden Verzweiflung. Im August 1865 starb Semmelweis in einer Wiener Irrenanstalt vermutlich an den Folgen einer Syphilis. Wenig später führte der englische Chirurg Joseph Lister in Großbritannien die systematische Wunddesinfektion ein – der Beginn einer neuen Epoche der "antiseptischen" Medizin.
"Das Schicksal hat mich zum Vertreter der Wahrheiten erkoren ... ",
schrieb Ignaz Semmelweis, ein geborener Ungar, in seinem Buch "Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers", das 1861 veröffentlicht wurde. Er schilderte darin, wie er als junger Assistenzarzt an der Wiener Gebärklinik die Theorie vom "Genus epidemicus" in einem Ausschlussverfahren Schritt für Schritt widerlegte.
"Wenn die atmosphärischen Einflüsse der Stadt Wien eine Kindbettfieber-Epidemie im Gebärhause hervorrufen, so müsste ja notwendigerweise – da die Bevölkerung der Stadt Wien denselben Einflüssen unterworfen ist – auch in der Stadt das Kindbettfieber epidemisch herrschen, in der Wirklichkeit aber beobachtete man weder in Wien noch auf dem Lande ein häufiges Erkranken der Wöchnerinnen."
Auch klinikintern ließ sich der eklatante Unterschied in den Sterberaten nicht "epidemisch" erklären, weil, ...
" ... zwei Abtheilungen, welche so nahe aneinander liegen, dass sie ein gemeinschaftliches Vorzimmer haben, nothwendigerweise denselben atmosphärisch-cosmisch-tellurischen Einflüssen unterworfen sein müssen."
Semmelweis verglich die beiden Gebärstationen miteinander. Alles war gleich: die Bauweise, die Verpflegung, auch der niedrige soziale Status der Frauen, für die der Klinikaufenthalt kostenlos war und die ihre oft unehelich geborenen Kinder, wenn sie es wünschten, dem angeschlossenen "Findelhaus" übergeben konnten.
"Folglich hätte an beiden Abtheilungen eine gleiche Sterblichkeit statthaben müssen."
Aber einen Unterschied gab es doch: Nur in der ärztlichen Abteilung wurden seit 1840 Medizinstudenten ausgebildet. Zu deren Pflichtprogramm gehörten auch Sezierübungen an Leichen. Sie wurden mit denselben bloßen Händen durchgeführt, mit denen die Studenten und Ärzte danach die Wöchnerinnen behandelten.
Als im März 1847 ein Professor für Staatsarzneikunde an den Symptomen des Kindbettfiebers starb, nachdem ihn ein Student während einer Leichensektion mit einem Skalpell am Finger verletzt hatte, fiel es Semmelweis wie Schuppen von den Augen: Die Krankheit war eine Art Blutvergiftung. Semmelweis führte das Händewaschen mit einer Chlorkalklösung ein. Schlagartig sank die Sterberate auf das Niveau der Hebammen-Station.
"Die unbekannte Ursache, welche so entsetzliche Verheerungen anrichtete, war demnach in den an der Hand klebenden Cadavertheilen der Untersuchenden an der ersten Gebärklinik gefunden."
Dass die meisten Ärzte Semmelweis und seinem streng wissenschaftlich geführten Beweis nicht folgen konnten, gehört zu den großen Rätseln der Medizingeschichte. Der Leiter der Gebärklinik versprach zwar, dass er am Händewaschen festhalten werde, verhinderte aber die Einsetzung einer Untersuchungskommission, die er als Eingriff in seine professorale Autonomie verstand. Seinen wenigen Anhängern machte es Semmelweis dadurch schwer, dass er selber lange schwieg.
Nachdem seine Assistentenstelle nicht verlängert worden war, kehrte er 1850 im Alter von 32 Jahren nach Ungarn zurück. Semmelweis übernahm in Pest die Gebärabteilung eines Spitals, bekam dort später auch eine Professur, veröffentlichte schließlich seine "Ätiologie". Mehrere "Offene Briefe", in denen er führende Geburtshelfer seiner Zeit des Mordes bezichtigte, zeugen von einer wachsenden Verzweiflung. Im August 1865 starb Semmelweis in einer Wiener Irrenanstalt vermutlich an den Folgen einer Syphilis. Wenig später führte der englische Chirurg Joseph Lister in Großbritannien die systematische Wunddesinfektion ein – der Beginn einer neuen Epoche der "antiseptischen" Medizin.