Die USA, das Land der Fast-Food-Ketten und Drive-Thru-Restaurants. Selbst einen Becher Kaffee kann man sich durchs Seitenfenster seines Autos reichen lassen - eine Annehmlichkeit, die Emilie Dressaire durchaus zu schätzen weiß. Doch dann, bei einem ihrer Drive-in-Besuche, geriet die Biophysikerin der New York University ins Grübeln.
"Der Herr, der mir den Becher gab, sagte: 'Sie brauchen keinen Verschluss für den Deckel, Sie haben ja keinen schwarzen Kaffee bestellt, sondern einen Milchkaffee. Und Milchkaffee lässt sich nicht so leicht verschütten.' Das ließ mich nicht mehr los: Warum hat der das gesagt? Wie meinte der das?"
Schnell war eine Hypothese zur Hand: Vielleicht ist es ja jenes Häubchen aus aufgeschäumter Milch, das zu einem Cafe Latte gehört wie der Senf zur Bockwurst und das den Kaffee am Überschwappen hindert. Um die These zu prüfen, ließ sich Dressaire gemeinsam mit Forschern aus Frankreich einen kleinen Versuch einfallen.
"Wir nahmen einen Behälter und füllten ihn zur Hälfte mit einem Gemisch aus Glycerin und Spülmittel. Das lässt sich gut aufschäumen, und der Schaum ist sehr stabil. Diesen Behälter stellten wir auf eine Art Rütteltisch, mit dem wir der Flüssigkeit gezielt Stöße versetzen konnten."
Um das Hin- und Herschwappen genauestens zu beobachten, filmten es die Forscher per Hochgeschwindigkeitskamera. Mal mit viel Schaum, mal mit wenig, und schließlich auch ohne Schaum. Das Resultat:
"Bei der Flüssigkeit ohne Schaum entwickelten sich ziemlich hohe Wellen, und es dauerte eine Zeit, bis sich die Flüssigkeit wieder beruhigt hatte. Mit Schaum dagegen waren die Wellen längst nicht so hoch, und die Flüssigkeit beruhigte sich ziemlich schnell."
Wie funktioniert der Stoßdämpfer?
Das Laborexperiment hat die Aussage des Coffee-Shop-Mitarbeiters also bestätigt, und zwar eindrucksvoll. Doch woher kommt der schaumige Stoßdämpfereffekt? Auch darauf fand sich eine Antwort.
"Das Entscheidende passiert an der Grenze von Becher und Schaum. Fängt der Kaffee an zu schwappen, bewegen sich die Schaumbläschen an der Becherwand auf und ab. Dabei sind die Reibungskräfte ziemlich hoch. Sie sorgen dafür, dass die Bewegung des Kaffees wirkungsvoll gedämpft wird."
Was die Forscher überraschte: Für einen erklecklichen Effekt genügt bereits eine dünne Schicht - fünf Lagen Schaumbläschen reichen, eine dickere Schaumschicht bringt kaum noch einen Gewinn. Eine Erkenntnis, die auch für Spediteure interessant sein könnte, meint Emilie Dressaire.
"Transportiert man Flüssigkeiten auf Schiffen oder Lkws, kann das für Probleme sorgen: Muss ein Laster stark bremsen, kann die Flüssigkeit im Tank so stark hin- und herschwappen, dass das Fahrzeug ins Schlingern gerät. Mit einer Schaumschicht auf der Flüssigkeit ließe sich das Problem wohl deutlich mildern."
Für alle Koffein-Süchtigen aber bleibt vor allem ein Resümee: Beim 'Coffee to go' lieber zum Latte Macchiato greifen als zum Kaffee schwarz. Das nämlich mindert das Risiko, sich die Brühe über die Klamotten zu kippen.